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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Schwacher Abgang nach viel Stärke.
Zwischenüberschrift:
Frömblings Fabrik in Eversburg wurde zum Zentrallager von "Ihr Platz"
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Mehr als eine so bezeichnete Bushaltestelle an der Atterstraße ist von der Stärkefabrik in Eversburg nicht geblieben. Abgesehen von den Kirchtürmen war sie zeitweilig das höchste Gebäude im Stadtteil. Und sie kommt sogar in einem Theaterstück vor. 1997 wurde das Gebäude im Winkel von Teichweg und Atterstraße abgerissen und durch ein Hochregallager ersetzt.

Die alte Aufnahme aus der Zeit um 1950 erlaubt es, direkt am Gebäude abzulesen, was sich drinnen abspielt: " Osnabr. Seifenfabrik Frömbling Abteilung Reis-Stärkefabrik" prangt da in großen Lettern. Bereits 1895 hatte Fritz Frömbling senior an der Parkstraße angefangen, Seife zu sieden. 1911 legte er sich ein weiteres Standbein zu, das mit der Seifenherstellung verwandt war und einige Synergieeffekte so würde man heute sagen mit sich brachte: Zusammen mit Kompagnon Rode gründete er an der Atterstraße die Rode & Frömbling Reis-Stärkefabrik mbH.

Seit 1870 wurde auf die Einfuhr von Reis kein Zoll mehr erhoben. In der Stärkegewinnung verdrängte der Reis immer mehr die ansonsten üblichen Ausgangsstoffe Kartoffeln, Mais und Weizen. Kartoffeln enthalten 21 Prozent Stärke, Reis hingegen 78 Prozent. Mit den damaligen Produktionsmethoden ließ sich Stärke aus Reis einfacher gewinnen als aus Kartoffeln, die inzwischen der Rohstoff Nummer eins in der Stärkegewinnung sind. Stärke wird heute überwiegend in der Lebensmittelindustrie verwendet. Stärkebasierte Zuckerstoffe wie Glukosesirup und Dextrose finden sich in vielen Süßwaren, Backwaren und Getränken. Ein großer Teil geht auch in chemisch-technische Produkte wie Papier und Wellpappe.

Zu Rodes und Frömblings Zeiten spielte Stärke noch eine größere Rolle bei der Versteifung von Textilien. Tischdecken und Gardinen, Rüschen an Blusen und Schürzen, Manschetten und Kragen von Herrenhemden mussten selbstverständlich gestärkt werden. Der berühmt-berüchtigte " Vatermörder"- Kragen wäre ungestärkt kaum zu seinem Namen gekommen. Die Eversburger lieferten Hoffmann′s Stärkefabriken in Salzuflen zu. 1924 schied Rode aus, Stärkefabrik und Seifenfabrik wurden zu einer Gesellschaft verschmolzen.

1944 zerstörten Bombenangriffe Teile der Fabrikgebäude, doch der Wiederaufbau stand außer Frage. Reis kam zunächst nicht ins Land, so wich man auf Mais aus. Großabnehmer für Maisstärke aus Eversburg waren die Firmen Dr. Oetker und Mondamin. Die Sache ging aber nur noch wenige Jahre gut. Stärkeersatz durch synthetische Produkte machte den herkömmlich arbeitenden Stärkefabriken das Leben schwer, besonders wenn sie es im vergleichsweise kleinen Maßstab betrieben. Fritz Frömbling jr. (1901–1966), der seit 1924 die Fabrik leitete und für die Produktion lebte, musste Ende 1952 den schwersten Entschluss seines Lebens fassen, wie er später sagte: Die Fabrikation wurde eingestellt.

Frömbling war flexibel genug, sich von einem Mann der Produktion zu einem Mann des Handels zu wandeln. Er übernahm die Geschäftsführung der " Seifen-Spezialgeschäfte Wilhelm Puls" in Rastede bei Oldenburg. Seifen-Puls war 1932 mit drei Verkaufsläden in Wilhelmshaven gestartet. 1953, als Fritz Frömbling einstieg, waren es 37 Filialen. Die vormalige Stärkefabrik wurde zu einem Zentrallager für die Versorgung der Einzelhandelsgeschäfte hergerichtet. Frömbling studierte neue Betriebsformen des Einzelhandels im In- und Ausland, besonders in den USA. Selbstbedienung und Franchising beschleunigten die Expansion des Filialnetzes. 1958 verschwand der Name Puls, aus " Seifen-Puls" wurde " Seifen-Platz". 1973 war eine weitere Umbenennung fällig, denn Seifen hatten längst nicht mehr den zentralen Stellenwert im Sortiment. " Seifen-Platz" wurde zu " Ihr Platz".

Die nächste Generation mit Jürgen Frömbling an der Spitze bescherte dem Unternehmen einen Verkaufsstellen- und Umsatzrekord nach dem anderen. Bis zur Jahrtausendwende hatte Ihr Platz sich den Rang 5 unter den Drogerieketten (hinter Schlecker, dm, Rossmann, Müller) erobert. Der Standort Eversburg sollte eines der vier großen Zentrallager für die Belieferung der 700 Märkte beherbergen. Dafür musste die alte Fabrik weichen. Sie wurde 1997 abgerissen.

Doch nach dem Jahr 2000 zeichnete sich eine wirtschaftliche Schieflage ab. Wachstumsprobleme und Managementfehler wurden als Ursachen ausgemacht. Eine lange Reihe von Insolvenzverfahren und Restrukturierungsversuchen schloss sich an. 2007 ging die Gruppe an Schlecker. Der schloss das hochmoderne Lager in Eversburg. Das Gebäude wird heute vom Logistiker Hellmann genutzt.

Die Zukunft von Ihr Platz mit 3900 Mitarbeitern in 490 Filialen ist seit der Schlecker-Pleite ungewiss. Die alte Stärkefabrik aber lebt nicht nur auf historischen Fotos fort. Der Eversburger Pastor Fritz Grußendorf hat ihr in seiner Humoreske " Wie Schulten Bernd den Kaiser besöcht hätt" eine Erwähnung geschenkt.

Bildtext:
Ein modernes Hochregallager entstand nach 1997 an gleicher Stelle. Es wird heute von der Spedition Hellmann genutzt.

Foto:
Joachim Dierks

Autor:
Joachim Dierks


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