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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Härtetest im Kajana-Land
Zwischenüberschrift:
Reporterin trifft auf quirlige Vierbeiner – Ein Tag als Tierpflegerin im Zoo Osnabrück
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. " Giraffe, Erdmännchen und Co.", " Leopard, Seebär und Co." im deutschen Fernsehen sind Sendungen über die Arbeit der Zoo-Tierpfleger im Trend. Man schaut den Vier-, Sechs- und Achtbeinern gerne zu, leidet mit, wenn sie krank sind und ergötzt sich an der harten Arbeit der Pfleger. Entspricht das Bild wirklich der Realität? Unsere Volontärin Stephanie Kriege war im Zoo Osnabrück als Tierpflegerin unterwegs. Die Gefühle schwankten, Vertrauen, Misstrauen und Spannung wechselten sich ab kurz: Das war nichts für schwache Nerven!

" Bären, Silberfüchse und Co." ist das Motto meines Abenteuers. Schon bei der Begrüßung mit Thorsten Vaupel, Revierleiter im Kajana-Land, lerne ich, dass sich hinter meinem " Co." noch jede Menge andere Vierbeiner verbergen: Rentiere, Wisente, Seelöwen, Waschbären, Nerze, Karpatenluchse, Löwen und Vielfraße. Habe ich mir vielleicht zu viel vorgenommen?

Zuerst geht es zum Gehege von Tips und Taps, den Bärengeschwistern. Meine ungeduldige Vorfreude auf die Arbeit mit den Tieren wird erst einmal gestoppt. " Das Futter muss vorbereitet werden", erklärt mein heutiger Chef. Ach herrje. " Die Äpfel müssen geviertelt, Pfirsiche entkernt, Bananen in Stücke geschnitten, faule Erdbeeren und Weintrauben aussortiert werden", sagt Vaupel. Der erfahrene Tierpfleger drückt mir ein Schälmesser in die Hand und zeigt auf verschiedene Eimer, die mit Lebensmitteln versehen werden sollen. Die Messer seien sehr scharf, erklärt er ganz nebenbei. " Zwei- bis dreimal im Jahr kommt es zu Verletzungen." Das geht ja gut los.

Tips und Taps bekommen zum Frühstück ausnahmsweise einen Joghurt. Bei der bekannten grünen Verpackung drängt sich bei mir die Frage auf, ob die Bären ein aufgeblähtes Gefühl im Magen haben. Aber ich schweige und halte Tips den Joghurt durch die Gitterstäbe. Große Zähne kommen zum Vorschein und ein mulmiges Gefühl steigt auf. " Wichtig ist, die Finger draußen zu lassen", sagt Vaupel.

Dann reicht er mir Eimer und Schaufel. Das Gelände der Bären und Silberfüchse müsse vom Kot befreit werden. Die Tiere warten derzeit noch im Haus, und ich versichere mich, dass alle Türen noch geschlossen sind. Das sei sein größter Albtraum, sagt Vaupel. " Wenn hier mal jemand ins Gehege fällt." Die Begeisterung vom niedlichen Joghurt-Schlecken ist weg.

Mit schweren Eimern in der Hand geht es weiter zu den Rentieren. Vaupel, seit seiner Lehre 1997 im Osnabrücker Zoo, berichtet von der Berufsausbildung : " Man muss jeden Bereich machen, auch Reptilien und Spinnen." Heimlich begrabe ich meine Träume von der zweiten Ausbildung im Alter.

Auch bei den Rentieren müssen die Häufchen aufgesammelt werden, Vaupel zählt die Namen der Vierbeiner auf. Einer heiße tatsächlich " Lass das, hör auf damit". " Der rückte einem Pfleger früher immer auf die Pelle. Irgendwann hielt das Tier die Worte für den eigenen Rufnamen."

Nach der Fütterung mit echtem Nordland-Moos aus Lappland geht es zu den Waschbären. Endlich werden meine Vorstellungen vom Kuscheln mit zutraulichen Zoobewohnern wahr. Denn die Waschbären kennen keine Scheu und krabbeln wie selbstverständlich an mir noch. " Die beiden sind von Hand aufgezogen, deshalb haben sie keine Hemmungen", erklärt Vaupel. Bevor Kalle es schafft, unter meine Weste zu krabbeln, weist mein Chef mich erneut an, Unrat aufzusammeln. Während ich im Kopf schon Pläne für eine Waschbär-Haltung in meinem Wohnzimmer konkretisiere, geraten Vaupels Hinweise bezüglich des Elektrozauns in Vergessenheit. Erst ein unangenehmes Kribbeln und der anschließende Stromschlag werfen mich zurück in die Realität.

Das immer noch heftig klopfende Herz kommt auch bei der nächsten Station nicht zur Ruhe. Löwenfütterung. Die findet laut Vaupel nur alle drei bis vier Tage statt. " In der Wildnis fressen die auch nicht täglich ein Zebra, die Verdauung braucht mindestens zwei Tage." Fünf bis sieben Kilogramm Fleisch bekommt jedes Tier. Während ich die unhandlichen Brocken im Haus verteile, schlagen die hungrigen Löwen schon mit den Pranken an die Glasscheiben. Eine ist gerissen. " Die Scheiben sind drei Zentimeter dick, da passiert nichts", versichert Vaupel. Als die Tiere hereindürfen, schaue ich mit panischem Blick auf die Gittertüren und habe Angst.

Nun kommt die Fütterung der Seelöwen gerade recht. Bis zu zwanzig Kilo Fisch bekommt jedes Tier. Und das zweimal am Tag, die Zoo-Besucher schauen gerne zu.

Jene Besucher, 2011 waren es mehr als eine Million, machen Vaupel manchmal ärgerlich. " Wenn die einfach Futter in die Gehege schmeißen und ihren Müll rumliegen lassen, das macht einen schon sauer", sagt der Tierpfleger. Bei der ersten Dschungelnacht sei eine Antilope ausgebüxt. Als das Tier in der Menge eingefangen wurde, beschwerte sich ein Besucher, dass die Aktion nicht im Programmheft stand. " Schwierig ist der Beruf dann, wenn ein Tier eingeschläfert werden muss oder man ein angeschlagenes Jungtier nicht aufpäppeln kann", sagt Vaupel, während wir zum Kühlhaus gehen. Was ihm nichts mehr ausmache, seien die toten Futtertiere. Mir jedoch schon, wie ich beim Eintritt in die minus 25 Grad kalte Kältekammer merke. Hier liegen Meerschweinchen, niedliche Kaninchen und kleine Küken steif gefroren. Von der Decke hängen gehäutete Kadaver, deren Körperformen mir vage bekannt vorkommen. " Das ist Pferdefleisch", lautet die Auskunft. Im Zoo wird Rind- und Pferdefleisch verfüttert, Schwein dagegen nicht, weil das Risiko von Krankheitsübertragungen zu groß ist.

Neben gesundem Blutdruck, Kraft, Einfühlungsvermögen und einem guten Auge benötigt ein Tierpfleger eben auch einen robusten Magen. Hier bestimmt die Natur den Lauf der Dinge, es handelt sich nicht um eine Kuschelstunde von Mensch und Tier. Mein Fazit nach diesem Ausflug in ein anderes Metier: Als Tierpfleger wird man mit den existenziellen Dingen konfrontiert. Das ist das Leben.

Bildtexte:

Gut erzogen: Seelöwe Riko legt für seine Häppchen einige Meter zurück, egal ob im Wasser oder in der Luft. Den Kommandos folgt er wie ein Hund.
Ein Schock für Fans von " Fury": In der Kühlkammer hängen die Pferdekörper zur Weiterverarbeitung.
Und noch ein Köddel... Reinemachen bei den Rentieren.
Gemüse schnippeln mit Thorsten Vaupel.
Die coole Truppe aus der Waschbären-Gruppe scheint beim Futtern ganz cool zu kommunizieren. Echt lässig.
Kraftaufwendig ist die Kurbel im Bärenhaus. Tips und Taps warten schon an der Tür und wollen hinaus.
Vertrauen in deutsche Wertarbeit sollte man haben, wenn man bei den Löwen ist. Die Scheibe hält.
Lassen sich nur selten blicken: Wenn es Heringe gibt, kommen auch die Nerze aus ihren Verstecken.
Die tun nix! Noch sind die Geweihe der Rentiere flauschig und ungefährlich. Das heutige Menü: Moos aus Lappland.
Autor:
Stephanie Kriege


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