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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Die Siedler und ihre Gemeinschaft
Zwischenüberschrift:
Einmal um den Pudding: Bewohner der OKD-Straße erinnern sich an Preise, Tiere und den Brunnen für alle
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Am Sonntag vor genau 60 Jahren wurde der erste Spatenstich in der OKD-Siedlung in Hellern getätigt. Die Buchstaben OKD stehen für Osnabrücker Kupfer- und Drahtwerke. Aus dem Werk ist mittlerweile die KME Germany AG geworden. Die OKD-Straße heißt noch immer so.
Die Siedlung sei vom OKD für langjährige und geschätzte Mitarbeiter gebaut worden, erzählt Franz Fennen. Der Vater seiner Frau Gudrun war kaufmännischer Angestellter in dem Werk gewesen. " Er hatte Glück und ist ausgewählt worden", erzählt Fennen weiter. Sein Schwiegervater war einer der ersten " OKDemiker", die 1952 in die Siedlung zogen, zu der auch der Immenweg, der Tulpenpfad und der Irisweg gehörten. Davon zeugt noch ein Schild am Ende der OKD-Straße, das natürlich aus Kupfer hergestellt wurde.
Gudrun Fennen zog mit ihren Eltern als 14-jähriger Teenager in die OKD-Straße. In dem Werk hat sie später eine Lehre als Physik-Laborantin gemacht. Dann hat sie geheiratet, ein Kind bekommen und blieb zu Hause. " So war das damals", sagt die 73-Jährige mit einer Mischung aus Erstaunen und Bedauern.
Polterei und feine Pinkel
An die Polterei im Jahr 1965 kann sich der ehemalige Pädagoge Franz Fennen noch gut erinnern. Der Chef seiner Gattin wohnte auf der anderen Straßenseite. Irgendwann ließ er sich herab und gesellte sich zu den Feiernden. Er nahm Fennen beiseite und fragte ihn: " Wie können Sie sich mit dem Proletariat verbünden?" Der 73-Jährige erzählt diese Episode mit einem spitzbübischen Lächeln. Sein langjähriger Nachbar, der 74-jährige Walter Brüggemann, wird deutlicher: " Hier wohnten auch feine Pinkel."
In dem Haus des " feinen Pinkels" wohnt heute der 44-jährige Frank Borgstadt mit seiner Frau, seinen zwei Kindern und seiner Mutter. Er wurde in der OKD-Siedlung geboren. Seine Familie wohnte zunächst in einer Parallelstraße, bevor sein Vater 1972 das Haus von Gudrun Fennens Chef kaufte. Es stand damals leer. Walter Brüggemann kann sich noch genau an den Umzug der Nachbarn erinnern, weil im Juli vor 40 Jahren sein Vater starb. Während der 74-Jährige erzählt, hört Frank Borg stadt gespannt zu.
Walter Brüggemann ist die lebende Chronik der OKD-Straße. Von 1953 bis 1986 war er in dem Werk als Arbeiter beschäftigt. Nach seiner Pensionierung blieb er in Hellern wohnen. In den Fünfzigerjahren habe es zu jedem Haus einen Stall gegeben. " Man wurde verpflichtet, Tiere zu halten", erzählt er. Gudrun Fennen ergänzt, in der Nachkriegszeit hätten die Familien auch jeweils einen Flüchtling aufnehmen müssen. Zu den etwa 1000 Quadratmeter großen Grundstücken gehörten auch Gemüsegärten, in denen die " OKDemiker" Bohnen oder Kartoffeln anbauten, um etwas zum Haushalt beisteuern zu können. " Wir hatten ja kein Geld damals", sagt Gudrun Fennen.
" Früher herrschte hier eine sehr gute Gemeinschaft", sagt Walter Brüggemann. Die 1953 gegründete Siedlergemeinschaft hat mehrere Mal bei Wettbewerben des Deutschen Siedlerbunds mitgemacht und wurde einige Male als " Beste Kleinsiedlung in Niedersachsen" ausgezeichnet. 1974 gelang der große Wurf: Die Siedlung gewann den Bundeswettbewerb. Die Siegerurkunde übergab der damalige Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Karl Ravens, am 28. September 1974. Das hat Franz Fennen akkurat in seiner schriftlich festgesetzten Chronik notiert.
Eine andere, zunächst etwas unheimliche Erinnerung hat die 27-jährige Insa Ennen an die Siedlergemeinschaft. Schon ihr Großvater wohnte in der Siedlung, direkt neben den Fennens. Insa Ennens Mutter trägt übrigens auch den Vornamen Gudrun. " Das sorgte bei den Postboten oft für Verwirrung", erzählt Gudrun Fennen lachend.
Zu Weihnachten kamen der Nikolaus und Knecht Ruprecht zu den Ennens. Während Franz Fennen die Rolle des Nikolaus übernahm, spielte Walter Brüggemann den Knecht Ruprecht. Und vor dem Dunkelmann hatte Insa Ennen (wie jedes Kind) zunächst Angst. Eines Tages blickte sie jedoch hinter die Verkleidung und entdeckte die wahren Gestalten.
Der Nikolaus und sein Knecht kamen bis 1997 in Gestalt von Fennen und Brüggemann zu den Kindern der Siedlung. Im gleichen Jahr wurde auch die Siedlergemeinschaft aufgelöst. Bis dahin wurde der Wasserhaushalt sämtlicher Häuser von einem Brunnen gespeist. Das Schürfrecht erhielten die Siedler im Jahr 1956. Vor 15 Jahren hatten sich Anwohner entschieden, sich ans Netz der Stadtwerke anzuschließen.
" Mit der Schließung des Brunnens wurde auch der Zusammenhalt abgebaut", sagt Walter Brüggemann. In seiner Stimme ist Trauer zu hören. Frank Borgstadts Erklärung klingt nüchterner. " Heute haben die Leute andere Interessen und gehen anderen Tätigkeiten nach", sagt er. Trotzdem möchte er mit seiner Familie in der OKD-Straße wohnen bleiben. Beruflich sei er viel in größeren Städten als Osnabrück unterwegs, sagt Borgstadt. Seinen Lebensmittelpunkt sieht er gerade deswegen in Hellern: " Hier bin ich glücklich und zufrieden. Ich fände es wünschenswert, wenn meine Kinder später auch hier bleiben."

Alle Beiträge
der Serie auf www.noz.de/ stadtteilserie

Bildtext:
Halten zusammen: Frank Borgstadt, Insa Ennen, Walter Brüggemann sowie Gudrun und Franz Fennen wohnen zum Teil seit Jahrzehnten in der OKD-Straße. Im Hintergrund hängt das Kupferschild der OKD-Siedlung.

Foto:
Michael Hehmann
Autor:
Thomas Wübker


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