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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Überschrift:
Leitbild der Integration gesucht
Zwischenüberschrift:
Wissenschaftler der Uni legen Abschlussbericht für das Programm "Soziale Stadt" in Belm-Powe vor
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Belm. In ihre Integrationsarbeit hat die Gemeinde Belm in den zurückliegenden Jahren viel investiert: Geduld, Geld und guten Willen. Die Kommune ist für ihre Mühen ausgezeichnet worden und hat bundesweite Anerkennung erfahren. Jetzt haben die Belmer auch noch einen wissenschaftlichen Beleg dafür erhalten, dass sich ihre Mühen ausgezahlt haben. Die Universität Osnabrück hat nach zehn Jahren " Soziale Stadt" den Abschlussbericht vorgelegt. Die Akademiker ziehen darin eine positive Bilanz und sprechen Handlungsempfehlungen aus.
Migration, Integration, sozialer Brennpunkt, Sanierungsgebiet, Soziale Stadt das sind Schlagwörter, die zum Sprachgebrauch in der Kommunalpolitik in Belm gehören, wohl mehr als anderenorts im Landkreis Osnabrück. Die Gemeinde sieht sich heute als " Symbol für erfolgreiche Integration". Freiwillig hat Belm diese Vorreiterrolle nicht übernommen. Die Kommune wurde dazu gezwungen.
Ende der 1980er-Jahre begann die britische Rheinarmee, sich aus dem Belmer Ortsteil Powe zurückzuziehen. Bis zu 3000 Militärangehörige lebten bis dato in der Gemeinde weitgehend au tark, mit eigenem Kindergarten, Schule und Geschäften. Als sie gingen, ließen die Briten Hunderte leere Wohnungen zurück. In einer ersten Welle zogen etwa 750 Aussiedler nach Belm. Deren Integration stemmte die Gemeinde noch aus eigener Kraft. Der Zuzug ebbte nicht ab. Bis zu 2500 Neubürger ließen sich in den Wohnblöcken der Briten nieder. Eine Abwärtsspirale setzte in der ehemaligen NATO-Siedlung ein. Belms Bürgermeister Bernhard Wellmann sagt heute: " Unsere Integrationsarbeit Ende der 1980er-Jahre war schon eine große soziale Aufgabe." Eine Aufgabe, die sie in den ersten Jahren alleine schultern musste.
1999 hat dann das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und die Länder das städtebauliche Förderprogramm " Soziale Stadt" aufgelegt. Die Lebensbedingungen in benachteiligten Stadtteilen sollten damit umfassend verbessert werden. Im Herbst 2000 ist auch Belm in das Förderprogramm aufgenommen worden. Seitdem arbeiten die Gemeinde und das Institut für Geografie sowie das Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) an der sozialen Stabilisierung des Sanierungsgebiets. Der Bericht, den jetzt die Professoren Andreas Pott und Hans-Joachim Wenzel sowie die Quartiermanager Fred Anders und Stefanie Fischer vorlegten, zählt Ergebnisse, Erfolge und Perspektiven auf.
Bereits die statistischen Daten zu Bevölkerungsstruktur, Arbeitsmarkt und sozialen Netzen verdeutlichten die positive Entwicklung, die das Sanierungsgebiet in den zurückliegenden Jahren genommen hat, heißt es in einer Mitteilung der Uni Osnabrück. " So hat sich die Zahl der Personen, die sogenannte Hartz-IV-Leistungen beziehen, im Zeitraum von 2006 bis 2011 mehr als halbiert." Im gleichen Zeitraum sei der Anteil von Sozialleistungsempfängern an der Bevölkerung von über 35 auf unter 20 Prozent gesunken, der Anteil der Kinder und Jugendlichen in den Bedarfsgemeinschaften habe sich ebenfalls um mehr als 20 Prozent reduziert.
Während die Fluktuation im Gebiet, also die Zahl der Zu- und Fortzüge pro Jahr, ebenso rückläufig sei wie die Zahl der Leerstände, habe sich die Zahl der selbst nutzenden Eigentümer kontinuierlich erhöht. " Dies ist ein deutliches Zeichen der Stabilisierung und des gewachsenen Vertrauens in die Wohnqualität dieses Gebietes", resümieren die Wissenschaftler. Aber längst nicht alles ist gut: Die Benachteiligung von Schülern mit Migrationshintergrund im Bildungssystem in Belm sei auch nach zehn Jahren Programmlaufzeit signifikant. Im Bericht heißt es aber: " Soziale Probleme wie Arbeitslosigkeit, Abhängigkeit von Transferleistung oder Bildungs- und Ausbildungsdefizite lassen sich auf kommunaler Ebene nicht ursächlich und umfassend lösen, sondern allenfalls abmildern und ansatzweise reduzieren." Und weiter: " Unstrittig ist daher, dass auch nach Beendigung des Programms Förderbedarf besteht, damit es nicht zu einer Umkehr der Positiventwicklung kommt."
Bei der Vorstellung des Abschlussberichts im Belmer Rathaus spricht Professor Pott die Empfehlung aus, " dass Integration weiterhin Chefsache" bleiben sollte. Namentlich nannte er den Ersten Gemeinderat Viktor Hermeler.
Dessen Aufgabe wird es nun sein, die Belmer Integrationsarbeit nach dem Auslaufen des Programms Soziale Stadt neue zu organisieren. " Ich bin überzeugt, dass wir das mit eigenen Mitteln leisten können", sagt Hermeler.
Die Wissenschaftler haben den Belmern in ihrem Bericht einige Wege aufgezeigt. Der Anteil der Kinder, die in sogenannten Bedarfsgemeinschaften lebe, sei in Belm nämlich noch vergleichsweise hoch. Deshalb empfehlen die Vertreter der Institute die Gründung eines festen Arbeitskreises Kinderarmut, " um das Thema dauerhaft zu beobachten und eine kommunale Strategie zur Verbesserung der Situation von Kindern aufzuzeigen, die von Armut betroffen oder bedroht sind".
Ein weiterer Vorschlag: Die Weiterentwicklung des bewährten " sozialräumlichen Monitoringsystems" (Beobachtungssystem) sei notwendig, " um im Sinne einer nachhaltigen Integrationspolitik auch die zukünftige Entwicklung in dem Wohngebiet beobachten und steuern zu können".
Die Erarbeitung eines Belmer " Leitbildes der Integration" ist eine weitere Empfehlung Potts. " So ein Leitbild kann Orientierungshilfe für die zukünftige Integrationspolitik sein", erklärt der Dozent. " Es entsteht durch Interaktion aller beteiligten Gruppen: die Verwaltung, die Politik, die Bevölkerung." Wenn die Kommune ein Leitbild entwickle, sei es eine Art Bekenntnis, den Integrationsgedanken in Belm stärker zu verankern.
Die Quartiermanager, Stefanie Fischer und Fred Anders, hatten in den vergangenen Jahren wohl den engsten Kontakt zu den Menschen in der Sozialen Stadt. " Wir haben festgestellt, dass ganz viele Personen mit ihrem Wohnstandort zufrieden sind", sagt Anders. Sie schätzten die zentrale Lage und das Integrationsnetzwerk. " Von innen wird das Sanierungsgebiet keinesfalls so negativ wahrgenommen wie von außen", erklärt der Quartiermanager. " Das ist das, was wir erreichen wollen: Menschen, die hier gerne und dauerhaft leben", ergänzt Hermeler.
Weitere Informationen im Internet: www.stadterneuerung-belm.de.

Bildtexte:
Zogen Bilanz: Prof. Dr. Andreas Pott, Fred Anders, Prof. Dr. Hans-Joachim Wenzel und Stefanie Fischer vom Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Uni Osnabrück übergeben ihren Abschlussbericht an den Belmer Bürgermeister Bernhard Wellmann und den Ersten Gemeinderat Viktor Hermeler.
Auch nach zehn Jahren Förderprogramm gibt es in Belm-Powe noch viel zu verbessern.

Foto:
Gert Westdörp
Archiv
Autor:
Christoph Granieczny


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