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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Vom kurzen Leben des ersten Arbeitsamts.
Zwischenüberschrift:
Von 1930 bis 1944 war die Vermittlung an der Alten Poststraße.
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Seit bald 60 Jahren kennt der Osnabrücker das Grundstück mit seiner bunten Abfolge von Sprit-Marken als Tankstelle. Immer kleiner wird die Zahl der Mitbürger, die sich daran erinnern können, dass an der Ecke Alte Poststraße/ Buersche Straße einst das Arbeitsamt stand. Es hatte nur 14 Jahre Bestand: von seiner Einweihung im Juni 1930 bis zur Zerstörung im Bombenkrieg im Mai 1944.

Stadtbaurat Friedrich Lehmann (1869–1961) hatte einen schlichten Klinkerbau entworfen, der die neue Architekturauffassung der Weimarer Republik widerspiegelte. Die Kombination von Hoch- und Flachbau will nicht repräsentieren, sondern im Zeichen der Neuen Sachlichkeit" Funktionalität ausdrücken. Ähnlichkeiten mit dem Hochhaus der Städtischen Krankenanstalten am Rißmüllerplatz (heute Stadthaus I") sind nicht zufällig. Im Jahr zuvor, 1929, war es fertiggestellt worden, auch hier hatte der Architekt sich einiges vom Bauhaus-Stil abgeguckt. Ganz anders hingegen kommt der Neubau des Reichsdienstgebäudes" (heute Finanzamt OS-Stadt) an der Süsterstraße daher, der fast zeitgleich mit dem Arbeitsamt eingeweiht wurde. Seine in Berlin bestimmte Fassadengestaltung weist ihn als späten Vertreter der wilhelminisch-preußischen Einschüchterungsarchitektur" aus.

Ein neuer Verwaltungsbau für die Arbeitsvermittlung und die Erwerbslosenfürsorge" war notwendig geworden, nachdem deren Aufgaben sprunghaft angewachsen waren. Zuvor logierte der Städtische Arbeitsnachweis", wie die Dienststelle sich anfangs nannte, in beengten Verhältnissen am Kamp 84, später im Schloss. Das Reichsamt für Arbeitsvermittlung in Berlin hatte die lokalen Arbeitsnachweis-Ämter angewiesen, sich verstärkt um die arbeitslos gewordenen Frauen zu kümmern.

Das kam so: Während des Ersten Weltkriegs waren in großer Zahl weibliche Arbeitskräfte für die Osnabrücker Industriebetriebe rekrutiert worden, weil die Männer an die Front mussten. Die Firma Kromschröder etwa beschäftigte im November 1918 mehr Frauen als Männer. Nun blieben plötzlich die Heeresaufträge aus, die Produktion musste auf Friedensniveau heruntergefahren werden. Gleichzeitig kehrten die Soldaten heim und wollten ihre Arbeitsplätze wiederhaben. Ein städtischer Demobilmachungsausschuss" unter Beteiligung von Arbeitgebern und Gewerkschaften verfügte, in welchem Umfang und in welcher Reihenfolge Frauen zu entlassen waren. Die Arbeitslosenzahl stieg sprunghaft an. Man fürchtete eine sittliche Verwahrlosung" der jüngeren Frauen, denen die Beschäftigung genommen worden war. Der Städtische Arbeitsnachweis" richtete Näh- und Kochkurse zur Umschulung vormaliger Industriearbeiterinnen ein.

Auch bei den Männern stieg die Arbeitslosigkeit. Neben der Arbeits- und Lehrstellenvermittlung hatte sich das 1919 als eigenständiges städtisches Dezernat nun erstmals so bezeichnete Arbeitsamt um die Erwerbslosenfürsorge" zu kümmern. Die sah unter anderem so aus, dass Fürsorgeempfänger sich zweimal am Tag auf dem Amt melden mussten, um so ihren Arbeitswillen" zu dokumentieren und eine verdeckte Arbeitsaufnahme auszuschließen. 1928 gab es einen weiteren Aufgabenzuwachs: Das zunächst nur städtische Arbeitsamt wurde auch für die umgebenden Landkreise zuständig. Jetzt war ein Neubau unumgänglich. 1930 konnte er bezogen werden.

Behördenleiter war Regierungsrat Heinrich Groos (1876–1944). Der aus Solingen stammende gelernte Fabrikschlosser und aktive Sozialdemokrat war zuvor Gewerkschaftssekretär gewesen. Der Machtwechsel 1933 hatte in vielen Behörden zunächst keine personellen Auswirkungen. Anders im stark gewerkschaftlich orientierten Arbeitsamt. Am 30. März 1933 wurde Groos seines Amtes enthoben und durch einen regierungskonformen Nachfolger ersetzt. Groos durfte fortan nur untergeordnete Bürotätigkeiten ausüben. Nach dem Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 wurde Groos wie viele andere Sozialdemokraten verhaftet. Er starb im Dezember 1944 an den unmenschlichen Haftbedingungen im KZ Neuengamme. Osnabrück hält sein Gedenken wach durch eine Straßenbenennung an der Illoshöhe. Seit 2008 erinnert außerdem ein Stolperstein vor dem ehemaligen Gewerkschaftshaus am Kollegienwall an den aufrechten Sozialdemokraten.

Das Jahr 1944 brachte nicht nur Heinrich Groos den Tod, sondern auch dem Sitz des von ihm zuvor geleiteten Amtes. Dessen Lage in unmittelbarer Nachbarschaft von Bahnlinie, Gaswerk und OKD führte unausbleiblich zu schwersten Bombenschäden. Nach dem Krieg stand ein Wiederaufbau an alter Stelle zur Debatte, wurde aber verworfen, weil die Bahn dort Vorratsflächen beanspruchte. Den Neubau des Arbeitsamtes errichtete man 1951 auf dem Grund der alten Neustädter Volksschule an der Johannismauer. Das Grundstück Alte Poststraße 2 wurde dann doch nicht von der Bahn genutzt. Es dient bis heute als Tankstelle.

Für Straßenbahn-Freunde gibt es auf der historischen Ansicht eine Besonderheit zu entdecken. Seit 1925 fuhr die gelbe Linie" (ab 1937: Linie 3) vom Neumarkt nach Schinkel und bog dafür an der abgebildeten Kreuzung nach rechts in die Buersche Straße. Endstation war in der Schützenstraße, wenige Meter vor Erreichen der Bremer Straße. Geplant war ursprünglich der Schinkel-Ring", nämlich eine Weiterführung über Bremer und Bohmter Straße zurück zur Alten Poststraße. Dafür hatte man vorsorglich Gleise verlegt, die nach links aus dem Bild bis zur Einmündung der Luisenstraße verliefen, jedoch nie befahren wurden.

Bildtext:
Das alte Arbeitsamt in den 1930er-Jahren. Die quer durch das Bild gehenden Straßenbahngleise markieren den Verlauf der Alten Poststraße. Von hinten rechts mündet die Buersche Straße ein, von vorne links die Sandbachstraße.

Sprit tanken statt Arbeit vermitteln: Nach dem Krieg wurde auf dem Eckgrundstück eine inzwischen mehrfach umgebaute Tankstelle eingerichtet.

Fotos:

NOZ-Archiv
Autor:
Joachim Dierks


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