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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
100 Jahre Hochbetrieb
Zwischenüberschrift:
Bahnhof Lüstringen: Heute nur noch Tor zum Osnabrücker Hauptbahnhof
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Geschäftiger Bahnhofsbetrieb war gestern. Zwar kündet das Stationsschild " Lüstringen" noch von der Vergangenheit. Doch seit 1980 rauschen die Züge durch und halten erst im Osnabrücker Hauptbahnhof, in anderer Richtung in Wissingen, Melle oder Bünde. Das Bahnhofsgebäude, inzwischen in Privatbesitz, wird als Wohnung genutzt, einzig im ehemaligen Güterschuppen brummt es noch hier betreiben seit 23 Jahren Norbert und Hans ihre Motorradwerkstatt.
Gut einhundert Jahre lang konnten in Lüstringen Fahrgäste ein- und aussteigen, florierte der Warenverkehr, wurde " Betrieb gemacht" nach allen Regeln der Zunft. Anfangs stand auf der 1855 erbauten Strecke von Löhne nach Osnabrück hier, gut viereinhalb Kilometer östlich des damaligen Hannoverschen Bahnhofs, noch alles auf Durchfahrt; erst 1879, also 24 Jahre nach Eröffnung der Bahnlinie, bekam Lüstringen, so berichtet Joachim Behrens in der Bürgervereins-Chronik Darum-Gretesch-Lüstringen, den lange geforderten Haltepunkt an der Sandforter Straße auf Schinkelaner Grund!
Das Zugangebot sei anfangs recht bescheiden gewesen: " Je Richtung fuhren zwei Züge am Vormittag und einer am Nachmittag, die nur nach Bedarf hielten." Aber die Fahrgastzahlen stiegen schnell. Und auch das Güteraufkommen legte rasant zu, sodass dem Wunsch von Unternehmern aus Lüstringen und Gretesch nach einem Güterbahnhof 1898 entsprochen wurde.
Sukzessive seien technische Neuerungen auf der Strecke erprobt worden, berichtet Behrens: Vorgänger der späteren Triebwagen zum Beispiel, sogenannte " Omnibuszüge", bestehend aus einer leichten zweiachsigen Dampflok der Bauart " mit Gepäckabteil" und wenigen Personenwagen, wurden 1880 erstmals zwischen Löhne und Osnabrück eingesetzt.
Man investierte in die Zukunft. Die Bahnstrecke wurde 1907 zweigleisig ausgebaut, und auch das Empfangsgebäude entstand in diesem Jahr. Jetzt machten schon täglich acht Züge in jeder Richtung am Bahnhof Lüstringen halt. Sein Äußeres ist dem Kloster Oeseder Bahnhof bis in viele Details zum Verwechseln ähnlich, denn er wurde genau wie jener nach den preußischen " Normalien", den Normen zur einheitlichen, zweckmäßigen und dennoch stilvollen Gestaltung und Ausführung von Schienenfahrzeugen, Betriebsmitteln und Betriebseinrichtungen, errichtet. Selbst Bahnhofsuhren, Öfen und Möbel wurden gemäß verbindlichen Modellzeichnungen hergestellt.
Während im Hauptteil des Gebäudes die Fahrkartenausgabe und das mechanische Stellwerk untergebracht waren, befand sich im schmucken Anbau eine Bahnhofsgaststätte, die bis 1970 vom Ehepaar Stuck bewirtschaftet wurde.
Solange sie über keinen eigenen Gleisanschluss verfügen konnte, tätigte die Firma Schoeller in Gretesch den Umschlag von Rohstoffen und Fertigwaren über die Güterabfertigung Lüstringen, und zwar mit Pferd und Wagen. 1922 endlich erhielt die Papierfabrik einen eigenen Gleisanschluss mit zwei Übergabegleisen, den sie bis heute mit der werkseigenen Dampfspeicherlok einer technischen Besonderheit bedient. Diese Lok produziert ihren Dampf nicht selbst aus Wasser und Feuer, sie bezieht ihn als willkommenes Nebenprodukt aus der Papierherstellung. Sie ist übrigens die letzte im regulären Dienst befindliche Dampflok im Osnabrücker Raum.
Weitere Gleisanschlüsse führten zum Gewerbegebiet Lüstringen, das sich hinter dem Bahnhof erstreckt; heute ist davon nur noch der Gleisanschluss für die RWE in Gebrauch. Insbesondere in den 50er- und 60er-Jahren war viel Betrieb am Bahnhof Lüstringen, erinnern sich Dietmar Koch und Helmut Hörmeyer, die in den ersten Jahren ihrer Eisenbahner-Karriere auch in Lüstringen, dem Ausbildungsbahnhof der Region, Dienst taten: Arbeitnehmer nahmen selbstredend den Zug, Rohstoffe und Produkte wurden massenhaft per Bahn transportiert.
Neben anderen nutzten die Firmen Borges (Tapeten), Meyer (Gardinen, Polster), Röscher (Metallwaren), Schoeller (Feinpapiere) und Sudania (Unterwäsche) diese Möglichkeit. " Hunderte Pakete mit Tapetenrollen, mit schneidend scharfem Draht umwickelt, Kabeltrommeln, Milchkannen, Zugschlusslaternen und sogar Schäferhunde, die aus ganz Deutschland zu einem Züchter hier in der Nähe geschickt wurden, waren zu versenden", erzählt Hörmeyer. Feinpapiere von Schoeller seien bis nach Teheran verfrachtet worden. " Und zu Weihnachten bekamen die Bahnbeamten von Sudania jeweils eine Garnitur Unterwäsche." Im Güterschuppen des Bahnhofs, der noch 1962 um einen Anbau erweitert wurde, waren ein Lademeister und drei Mitarbeiter für die Annahme und Abgabe der Waren zuständig, weitere zwei Mitarbeiter erledigten die dazugehörigen Schreibarbeiten. Ein anderer Beamter führte die Aufsicht über den gesamten Bahnhof, und auch ihm ging ein weiterer Mitarbeiter zur Hand. Dass die Amtspersonen ein besonderes Auge auf jene Kinder hatten, die sich in Gefahr brachten, wenn sie zu ergattern suchten, was sich herrlich zum Gießen von Zinnfiguren eignete: abgängige Bleiplomben von Frachtgut nämlich, wird in der Ortschronik berichtet.
Technische Änderungen und Rationalisierungen führten schon 1966 dazu, dass die Güterabfertigung in Lüstringen aufgelöst und der Dienststelle Osnabrück unterstellt wurde. Zwar konnte bis 1975 noch Expressgut abgefertigt werden, doch der Niedergang zeichnete sich ab. Die Bahnhofsgaststätte schloss 1970, drei Jahre später wurde der Anbau abgerissen. 1980 kam das Aus für den Personenverkehr, und wie zum äußeren Zeichen der Endgültigkeit wurden beide Bahnsteige abgetragen.
Alle weiteren Teile unsere Serie finden Sie im Internet unter www.noz.de/ Bahnhof

Bildtexte:

Der Bahnhof Lüstringen, wie er sich im Jahr 1908 den Reisenden präsentierte.

In ihren Erinnerungen sehen die pensionierten Eisenbahner Dietmar Koch (rechts) und Helmut Hörmeyer mehr als Reste des einstigen Bahnhofs.

Bis etwa 1955 fuhren diese Waggons durch Lüstringen. Die Abteile waren nicht verbunden, der Schaffner turnte auf dem Trittbrett auch während der Fahrt.

Fotos:

Petra Pieper/ Helmut Hörmeyer
Autor:
Petra Pieper


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