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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Erdbewegungen für den Stichkanal
Zwischenüberschrift:
Februar 1912: Die Straßenbahn sollte in die westlichen Stadtteile verlängert werden
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Es war kalt und stürmisch, als im Februar 1912 die Vorbereitungen für den Bau des Stichkanals und der Hafenanlagen begannen. Auf dem Gelände zwischen der Bramscher Straße und der Natruper Straße kam es zu großen Erdbewegungen.

Nicht nur der Kanal mit den Abwässern verlief durch das Gebiet, auch die Hase musste im Bereich der Papiermühle begradigt und teilweise umgelegt werden. Es zeichnete sich ab, dass die Umgestaltung ebenso gravierend sein würde wie zuvor schon im Fledder.

Die städtischen Kollegien diskutierten vor 100 Jahren über die Verlängerung der Straßenbahntrasse nach Westen. In dem Quartier befanden sich die höhere Töchterschule, die königliche Regierung und die Kromschröder-Fabrik.

Das bevölkerungsreiche Gebiet der westlichen Vorstadt sollte baldmöglichst in das Straßenbahnnetz einbezogen werden. Fast alle Vertreter der verschiedenen Stadtteile votierten in diesem Sinne. Die Stadt wuchs und musste sich den Bedürfnissen der Neuzeit angleichen. Wie das Geld dafür zu verteilen sei, darüber berieten sich die gewählten Bürger monatlich.

Noch immer fand der Wochenmarkt auf dem Neumarkt statt. Wegen des Verkehrs auf dieser zentralen Kreuzung wurde ein erneuter Anlauf gemacht, das Marktgeschehen zur Alten Münze zu verlegen. Auch ein dritter Markt, neben Dom und Neumarkt, kam wieder ins Gespräch. Über seinen Standort erhitzten sich allerdings die Gemüter.

Öffentlich bekannt gemacht wurde in allen Reichszeitungen, dass alle Gebäude, auch alle Kirchen und Rathäuser, sowie deren Inventare dem Denkmalschutz unterlagen, soweit sie vor 1870 entstanden waren. Nichts durfte verkauft, abgebrochen, verändert oder instand gesetzt werden ohne das Wissen der Denkmalschutzbehörde.

Anfang Februar fiel das Thermometer auf eisige minus 18 Grad. Zum Rosenmontagszug in Münster fuhren zahlreiche Sonderzüge, einer davon war von Osnabrücker Vereinen gemietet worden.

In den Zeitungen der Stadt warben die Stoffhändler auch in diesem Monat mit großen Anzeigen. Sowohl bunte Karnevalsstoffe mit dem dazugehörigen Beiwerk wurden angepriesen als auch Kleidung für Konfirmanden. Unter dem Festkleid trugen die Konfirmandinnen Hemden, Beinkleider, Untertaillen und Anstandsröcke, mit Schnickschnack und in solider Qualität, entsprechend dem Geldbeutel der Eltern.

Noch immer fanden die Handwerkerinnen 1912 keine Anerkennung in der Gilde der Handwerker. Das Thema erörterten die Damen vom Verein für selbstständige Damenschneiderinnen in einer Versammlung. Solange die Handwerkskammer ihnen die Zugehörigkeit versagte, waren ihre weiblichen Lehrlinge nicht gleichgestellt, obwohl deren praktische Ausbildungen denen der Schneider nicht nachstand.

Bislang haperte es aber an der theoretischen Ausbildung der jungen Damen, denn es gab noch keine Fortbildungsschulen oder Fachklassen für Mädchen. " Die Entscheidung wird aber alsbald kommen", waren sich die Schneiderinnen sicher, zumal es den ministerialen Stellen klar sein musste, dass von dieser Frage auch die große Gruppe der Friseurinnen und Putzmacherinnen betroffen war.

Der Zeitgeist bewegte auch die Herren Bürgervorstände, die sich zu ihrer Generalversammlung trafen. Ein Tagesordnungspunkt war die Studienanstalt für Mädchen, die einen höheren Schulabschluss anstrebten. Für die Herren ein Thema, das unter dem Namen " Frauenfrage" rangierte. Es sei Mode geworden, sagte ein Redner, in Frauenfragen weitgehende Konzessionen zu machen.

Er hielt das für sehr unklug, denn der erste Beruf des Mädchens sei der der Hausfrau und Mutter. Nun gebe es aber auch Mädchen, die nicht heirateten, wurde eingewandt. Nicht zu vergessen sei, dass sich die Frauen den Weg zur Heirat selbst verbauten, wenn sie beruflich in Konkurrenz zum Manne stünden und ihm das Brot streitig machten. Auch im Rückgang der Geburtsziffern sah der Redner eine Folge der Frauenbewegung.

In diesem Sinne redeten die verschiedensten Herren an jenem Abend. Sie waren sich einig, dass das Frauenabitur nur für einen " bestimmten Stand" ins Auge gefasst würde, der Mittelstand und die armen Leute hätten davon nur Kosten.

In Osnabrück gab es damals Wanderarbeiter, die traditionell der Armenfürsorge " zur Last" fielen, denn sie hatten keine Quartiere und mussten im Winter untergebracht werden. Der niedersächsische Herbergsverband, der 1912 sein 25-jähriges Bestehen beging, nahm sich dieser Menschen an.

In Osnabrück war es dem unermüdlichen Einsatz des Vereinsvorsitzenden zu verdanken, dass es seit 1911 eine Anzahl Wanderarbeitsstätten gab, die für diese Bedürftigen zur Verfügung stand.

Armut zu lindern und tätig zu sein war das Bestreben vieler Frauen und Mädchen im mittleren und höheren Bürgertum. Der hoch angesehene Pastor Goudefroy kam diesem Bedürfnis entgegen und lud Ende Februar den lutherischen Missionsnähverein in das evangelische Vereinshaus zum Tee ein. Hier fand intensiver Austausch statt, Missionare berichteten, und als Höhepunkt wurden einige Arien und Lieder vorgetragen.

Noch vor 100 Jahren feierten die Osnabrücker ihr ganz spezielles " Osnabrücker Reformationsfest". Am 2. Februar 1543 waren St. Marien und St. Katharinen mit Zustimmung des damaligen Bischofs " zum gottesdienstlichen Gebrauche" dem evangelischen Teil der Bürgerschaft eingeräumt worden.

Das Fest fand bei der evangelischen Bevölkerung großen Anklang, aber nicht alle Einwohner waren mit der Regelung einverstanden, dass die katholischen Kinder in die Schule mussten und die evangelischen frei hatten. Ein merkwürdiges Bild bot sich auf den Straßen, schrieb ein Leser dem Osnabrücker Tageblatt, denn ein Teil der Menschen strebte im Sonntagsstaat mit Gesangbuch den Kirchen zu, der andere verrichtete in Arbeitskluft seinen Dienst.

Bildtext.

Die Hase an der Wachsbleiche 1910. So sah es im Norden der Stadt aus, bevor der Stichkanal und die Hafenanlagen gebaut wurden.

Foto:

Archiv
Autor:
Christiana Keller


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