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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Überschrift:
Osnabrücks erste Stadthalle
Zwischenüberschrift:
Im "Vereinshaus" am Kollegienwall trat einst Max Reger auf
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Osnabrücks erste Stadthalle firmierte zunächst als " Vereinshaus". Das hatte damit zu tun, dass in der Gründerzeit nicht nur Firmen, sondern auch zahllose Vereine das Licht der Welt erblickten und Platzbedarf für ihre Veranstaltungen anmeldeten. Erst ab 1910 setzte sich die Bezeichnung Stadthalle durch.

Das aufblühende Vereinswesen war Ausdruck der neuen Rolle des Bürgertums, das sich nicht mehr wie im Ständestaat vorschreiben ließ, wie es sein Leben zu gestalten hatte, sondern zunehmenden Wohlstand und wachsende Freizeit suchte. Um 1890 hatte sich das Vereinswesen bereits breit gefächert ausdifferenziert. Es gab Liedertafeln und Turnvereine, Gartenbau- und Züchtervereine, Lesezirkel und Freimaurerlogen, Schützen- und Kriegervereine. Und nicht zu vergessen den " Osnabrücker Enthaltsamkeits- und Mäßigkeitsverein", dessen segensreiches Wirken man sich heute gelegentlich wieder herbeiwünscht.

Im Auftrag der " Actiengesellschaft Osnabrücker Vereinshaus" entwarf der Kölner Architekt Josef Seché das 1900 eröffnete Vereinshaus im wilhelminischen Prunkstil mit einer detailfreudigen und verspielten Fassade. Die flankierenden Ecktürme an der Front zum Kollegienwall könnten in ihrer Haubenform ein Zitat des spätgotischen Katharinenkirchturms sein, während die Saalüberwölbungen des Mitteltrakts Jugendstil-Einflüsse erkennen lassen.

Vielen Osnabrückern erschien die heftig romantisierende Märchenschloss-Architektur freilich etwas zu aufgesetzt. Die Hoffmeyer-Chronik spricht vom " architektonischen Grauen", das den Besucher erfasse. So harsch würden wir Nachkriegs-Osnabrücker wohl nicht urteilen. Schließlich sind wir von der Viehauktions- und Veranstaltungshalle in der Gartlage nicht gerade verwöhnt. Und auch die zweite Osnabrücker Stadthalle, 1979 am Schlossgarten eröffnet, reißt mit ihrer Dunkelbronze-Eloxal-Architektur heute kaum noch jemanden vom Hocker.

Wie dem auch sei, unsere Groß- und Urgroßeltern gingen trotz allem gern in ihre Stadthalle, und zwar wegen der Veranstaltungen. Der große Komponist Max Reger stand am Dirigentenpult des Konzertsaals, Tonfilmstars der Zeit machten auf Gastspielreise Station, rauschende Bälle und Fastnachtssitzungen schufen Erinnerungen, Ausstellungen bedienten das erwachende Interesse an der großen weiten Welt.

1913 lud die Deutsche Kolonialgesellschaft zu einer Kolonialausstellung. Im Mittelpunkt der Schau stand eine " leibhaftige Negerfamilie", wie es damals in der Ankündigung hieß, die vor einer Kulisse aus schilfgedeckten Hütten mit Gesängen und Tänzen den Zauber ferner Länder nach Osnabrück bringen sollte. Eine aktuelle Ausstellung im Akzisehaus blickt auf die Kolonialbegeisterung der damaligen Zeit zurück und setzt sich kritisch mit ihr auseinander. " What we see" läuft noch bis zum 12. Februar.

Das Raumprogramm der Stadthalle gestattete es, dass verschiedene Veranstaltungen gleichzeitig liefen. Es gab den weißen und den bunten Saal, einen gelben, einen blauen und einen runden Saal, den Kaisersaal, den Arbeitersaal und den Unionssaal. Es gab ein Tagesrestaurant, eine Kellerwirtschaft und eine Kegelbahn. Insgesamt fanden 1100 Personen in den Sälen Platz, und im vorgelagerten Kaffeegarten sogar bis zu 4000.

Während des Ersten Weltkriegs wurde das Veranstaltungsprogramm weitgehend ausgesetzt. In den Sälen hielt ein Reserve-Lazarett Einzug, im vorderen Flügel fand das katholische Waisenhaus eine Notunterkunft.

Während der Weimarer Republik wurde die Stadthalle dann mehr und mehr zum Schauplatz politischer Kundgebungen und Auseinandersetzungen. Am 1. September 1921 etwa entlud sich die Wut der Osnabrücker Linken über den Mord an Matthias Erzberger in einer Großdemonstration vor dem Gewerkschaftshaus schräg gegenüber. Der Zufall wollte es, dass gerade der " Flottenbund deutscher Frauen" in der Stadthalle eine Veranstaltung mit Korvettenkapitän von Mücke (Erster Offizier des Kreuzers Emden und Nationalsozialist der ersten Stunde) abhalten wollte. Die Stadthalle war mit schwarz-weiß-roten Fahnen des untergegangenen Kaiserreichs geschmückt worden was die Anhänger von MSPD und KPD als unerträgliche Provokation empfanden. Sie stürmten die Stadthalle, rissen die Fahnen herunter, verbrannten sie vor dem Gebäude und verjagten die kaisertreuen " Flottenweiber" und ihren Korvettenkapitän.

Am 13. September 1944 legten Bomben die Stadthalle in Schutt und Asche. An einen Wiederaufbau war nicht zu denken. Im ehemaligen Kaffeegarten wurden Holzbaracken als Notunterkunft für die ebenfalls ausgebombte Handwerkskammer aufgestellt. Bis 1952 standen noch die alten Ecktürme als Ruinen. Dann wurden auch sie abgeräumt. Parkplatz und Tankstelle stellten eine Zwischennutzung dar, bis 1969 das Amtsgericht, etwas später das Parkhaus Kollegienwall und der verklinkerte Bau der Bank für Gemeinwirtschaft auf dem Areal errichtet wurden.

Bildtexte:
Am Kollegienwall stand die erste Osnabrücker Stadthalle. Am rechten Bildrand kann man das damalige Gefängnis erahnen, das in dieser Perspektive das Justizgebäude am Neumarkt verdeckt.

Amtsgericht, Parkhaus und das Gebäude einer Bank belegen heute den Standort der alten Stadthalle und des vorgelagerten Kaffeegartens.

Foto:
Ansichtskarte des Verlags Julius Jonscher, 1901, Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


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