User Online: 2 | Timeout: 23:59Uhr ⟳ | Ihre Anmerkungen | NUSO-Archiv | Info | Auswahl | Ende | AAA  Mobil →
NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Datensätze des Ergebnis
Suche: Auswahl zeigen
Treffer:1
Sortierungen:
Anfang der Liste Ende der Liste
1. 
(Korrektur)Anmerkung zu einem Zeitungsartikel per email Dieses Objekt in Ihre Merkliste aufnehmen (Cookies erlauben!)
Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Biogasanlage stinkt den Nachbarn
Zwischenüberschrift:
Bürgerinitiative fordert Stilllegung des Betriebs
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Es stinkt zum Himmel. In weiten Teilen Hellerns und Sutthausens ist der Gestank wahrnehmbar. Übelriechend, ätzend, Brechreiz auslösend so beschreiben Anwohner die intervallartig meist spätabends auftretenden Gerüche. Sie machen eine Biogasanlage am Hörner Weg dafür verantwortlich, was der Betreiber weit von sich weist. Eine Bürgerinitiative hat sich formiert; sie fordert die Stilllegung der Anlage.

Besonders betroffen sind Bewohner der Dütekolk-Siedlung, der OKD-Siedlung, des Neubaugebiets Lobelienweg/ Erlengrund und des Großen Muskamps samt Nebenstraßen. " Das geht seit drei Jahren so", sagt Hartmut Schröder vom Großen Muskamp, " man kann im Sommer nicht mehr unbeschwert im Garten oder auf dem Balkon sitzen, geschweige denn bei offenem Fenster schlafen." In bestimmten Zeitfenstern, meistens abends, hänge ein penetranter Geruch von Gülle, Schweinestall und faulenden Zwiebeln über dem Stadtteil. Empfindlichere Naturen klagten über Kopfschmerzen und Übelkeit. Zum Trocknen aufgehängte Wäsche könne man gleich noch einmal waschen.

Schröder, Klaus-Peter Mönnekemeyer und Manfred Degen hatten zunächst das Gespräch mit dem Landwirt und Betreiber der Anlage gesucht ohne Ergebnis: " Ein gütliches Miteinander mit diesem Betreiber war nicht zu erreichen", so Schröder. Sie wandten sich an den Fachbereich Umwelt der Stadt. Messungen, Gutachten der Landwirtschaftskammer und technische Nachbesserungen führten zu keiner Änderung der Situation. Deshalb fordern sie jetzt die Stilllegung der Anlage.

Was sagt der Betreiber? Der Landwirt sagt, er habe alle behördlichen Auflagen erfüllt, die Anlage arbeite fehlerfrei. Der Geruch müsse eine andere Ursache haben. " Der Große Muskamp ist 800 Meter entfernt. Wenn es da noch deutlich riecht und wirklich von uns stammt, müssten wir auf dem Hof alle bewusstlos umfallen oder nur mit Gasmasken herumlaufen. Aber wir riechen hier nichts", sagt der Betreiber.

Er habe jetzt eine Windmessanlage mit automatischer Protokollierung installieren lassen. Damit wolle er seine Unschuld beweisen, wenn es wieder am Muskamp Probleme gebe, der Wind aber in die andere Richtung wehe. Für die Herkunft des Geruchs hat er eine Theorie: " Es könnte aus der Kanalisation kommen. Es wird zu viel Wasser gespart und zu wenig nachgespült. Dann bleiben Essensreste im Abwasserkanal hängen. Die gären genauso wie die Biomasse bei mir in der Anlage."

Was antworten die Anwohner? Die Anwohner halten die Theorie für abwegig. Sie können die Quelle des Geruchs klar außerhalb der Kanalisation lokalisieren. Schröder: " Soll er doch einfach zwei Wochen abschalten. Wenn wir dann nichts mehr riechen, ist erwiesen, woher es vorher kam."

Was sagt und tut die Verwaltung? " Wir nehmen die Beschwerden der Bürger ernst. Umfangreiche Kontrollmaßnahmen verschiedener Fachbereiche der Stadt und des Landkreises und staatlicher Stellen sind im Gange. Wir betrachten den Gesamtkomplex als ein schwebendes Verwaltungsverfahren, zu dem wir keine näheren Auskünfte erteilen können", sagt Stadt-Pressesprecher Sven Jürgensen.

Beim Bürgerforum vor einem Jahr war die Stadt gesprächiger. Damals hatte Detlef Gerdts, Leiter Fachbereich Umwelt, erklärt, dass eine unangemeldete Betriebsprüfung stattgefunden habe. Der Betreiber habe Zwiebeln ohne Genehmigung gelagert und " verfüttert". Einige weitere Abweichungen von der Baugenehmigung seien festgestellt worden, die jedoch als nicht ursächlich für Geruchsbelästigungen eingestuft wurden. Dem Betreiber seien diverse Auflagen gemacht worden. Nach neueren Erkenntnissen sind neben der Stadt auch untere Naturschutzbehörde, Gesundheitsamt, Gewerbeaufsichtsamt und Landwirtschaftskammer eingeschaltet. Mit einer neuartigen amerikanischen Spezialkamera, die Gaslecks kenntlich machen kann, soll der Prozess überwacht werden.

Was sagt die Politik? Jens Martin, Helleraner SPD-Kandidat für die Kommunalwahl, hat mit SPD-Ratsherr Ulrich Hus ein Memorandum verfasst, in dem er von der Verwaltung eine härtere Gangart fordert: " Es darf nicht sein, dass ein einzelner Landwirt durch Handeln am Rande der Illegalität die Wohnqualität in den umliegenden Siedlungen dauerhaft und in erheblichem Ausmaß vermindert." Die Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses, Anette Meyer zu Strohen (CDU), hält das Thema allerdings nicht für wahlkampftauglich. " Alle Parteien wollen, dass endlich die Ursache gefunden und der Gestank abgestellt wird, das ist doch klar", sagt die Ratsfrau, die selbst in Hellern wohnt, Landwirtin und diplomierte Agrar-Ingenieurin ist, die Gerüche mit eigener Nase wahrgenommen und als nicht hinnehmbar eingestuft hat. " Nur, und das wissen meine SPD-Kollegen genau, die Stadt muss dem Betreiber nachweisen, dass er etwas falsch macht, bevor sie eine Stilllegung verfügt ein schwieriger, langer Weg."

Aus Biogas werden mittlerweile gut fünf Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms gewonnen. In ganz Deutschland arbeiten zurzeit etwa 6000 Biogasanlagen, in Niedersachsen 700, im Landkreis Osnabrück 70, im Stadtgebiet Osnabrück eine. Und diese eine sorgt für Aufruhr. " Wir haben lange eine möglichst geräuschlose Lösung dieses Problems favorisiert", sagt BI-Sprecher Hartmut Schröder, " aber erst als wir 218 Unterschriften aus betroffenen Familien aufbieten konnten, dahinter dürften etwa 500 Personen stehen, haben die Behörden das Problem ernst genommen und gemerkt, dass wir keine über reagierenden hysterischen Wutbürger sind. Es ist nicht unser Interesse, den Betrieb an sich infrage zu stellen. Und natürlich wissen wir, dass kein Weg an erneuerbaren Energien vorbeigeht."

Auch könnten sie sehr gut mit normalen ländlichen Gerüchen umgehen, die an der Grenze zu landwirtschaftlichen Nutzflächen natürlicherweise aufträten. " Das wissen und schätzen wir seit Jahrzehnten. Aber dies hier hat eine andere Qualität. Wir wollen, dass der Betrieb so geführt wird, dass der bestialische Gestank endlich aufhört und wir wieder zur alten Wohnqualität zurückkehren." Die Bürger hoffen nun auf neue Erkenntnisse, die vielleicht beim Bürgerforum am 29. September in der Alten Kasse zu gewinnen sind.

Bildtext:

Aus Naturprodukten wie Maissilage oder Glülle kann Biogas gewonnen werden. Das entstandene Biogas wird durch Rohre geleitet.

Foto:

Archiv/ Engelken
Autor:
Joachim Dierks


Anfang der Liste Ende der Liste