User Online: 2 | Timeout: 00:26Uhr ⟳ | Ihre Anmerkungen | NUSO-Archiv | Info | Auswahl | Ende | AAA  Mobil →
NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Datensätze des Ergebnis
Suche: Auswahl zeigen
Treffer:1
Sortierungen:
Anfang der Liste Ende der Liste
1. 
(Korrektur)Anmerkung zu einem Zeitungsartikel per email Dieses Objekt in Ihre Merkliste aufnehmen (Cookies erlauben!)
Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Vom Adelshof zum Stuhllager
Zwischenüberschrift:
Die Süsterstraße um 1930 mit dem Haus von Moltke zu Wulften
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Mit der Süsterstraße verbindet der heutige Osnabrücker, je nach Lebenssituation, vielleicht das " Sausalitos" oder das Finanzamt oder das Mädchenzentrum des Hauses Neuer Kamp. Auf junge Damen geht auch der Straßenname zurück. " Süster" ist niederdeutsch für " Schwester". Auf der früheren Parzelle Nr. 12 befand sich einst ein zu St. Johann gehörendes Schwesternhaus.

Davon war vor 80 Jahren, zum Zeitpunkt der historischen Aufnahme, nichts mehr erhalten. Das Bild wird beherrscht vom Torhaus des Adelshofs von Moltke. Der Fürstbischöfliche Geheime Rat Gustav Bernhard von Moltke zu Wulften erwarb 1697 das Anwesen und baute es zu seinem Wintersitz aus. Etwa vier Monate des Jahres lebte die Familie hier. Ihr Sommersitz, das Gut Wulften in Sutthausen, hatte den entscheidenden Nachteil, dass es in einer Mulde lag. Die bekam in den damaligen strengen Wintern so viel Schnee ab, dass das Gut wochenlang von der Außenwelt abgeschnitten war Grund genug für die Moltkes, sich einen standesgemäßen Zweitsitz in der Neustadt zuzulegen.

Adelshöfe waren seit dem 15. Jahrhundert in Osnabrück stark verbreitet, vor dem Bau des Fürstbischöflichen Schlosses vornehmlich an Kommenderie-, Gold- und Süsterstraße, später in Schlossnähe an Haken-, Klub- oder Seminarstraße. Noch um 1800 nahmen sie ein Sechstel des gesamten Stadtgebiets ein. Moltkes Anwesen lag mit dem hier gezeigten, eher schlichten Torhaus direkt an der Süsterstraße, während das herrschaftliche Wohnhaus sich an dem Binnenhof weiter links erstreckte.

Nach einigen Besitzerwechseln kaufte der gelernte Lohgerber und Lederfabrikant Carl Wiemann in den 1840er-Jahren den Adelshof. Aus der Familie gingen bedeutende Juristen und Schriftsteller sowie der Theater- und Film-Schauspieler Mathias Wiemann (1902– 1969) hervor, der von seiner Vaterstadt 1958 die Möser-Medaille verliehen bekam. Wiemann spielte viele große klassische Rollen, war aber auch gelegentlich im Werbegeschäft tätig. Mit seiner markanten sonoren Stimme machte er den Nachkriegs-TV-Spot " Wenn einem also Gutes widerfährt, das ist schon einen Asbach Uralt wert" zu einem Dauer-Erfolg.

Wer eine Lupe zu Hilfe nimmt, kann auf der Original-Postkarte das Hinweisschild " Stuhl-Lager" vor der Toreinfahrt erkennen. Es erlaubt die zeitliche Einordnung der Aufnahme zwischen 1927 und 1945. Denn in diesem Zeitraum hatte die Firma Stuhl-Grissel hier ihren Sitz. Die Form der Gaslaterne und das Automobil legen eine Entstehungszeit um 1930 nahe.

Der heute 74-jährige Klaus Grissel, Sohn des Firmengründers Paul Grissel, verbrachte seine frühe Kindheit in dem Anwesen, das seine Eltern von den Wiemanns gepachtet hatten. " Das Haus war so groß, da hatten wir noch etliche Räume untervermietet", erinnert sich Klaus Grissel: " Oben wohnte Rechtsanwalt Schweigmann, und neben uns der Zauberkünstler Franz Klei. Natürlich haben wir Kinder den immer umschwärmt." In einem Nebengebäude unter der großen Hofkastanie hatte Firma Grissel ihr Kontor. Im Torhaus, einem zuvor landwirtschaftlich genutzten Gebäude mit unverputzten Wänden, lagerten viele Hundert Stühle, die der Großhandelsbetrieb an Möbelhäuser weiterverkaufte. Am Palmsonntag 1945 radierten Bombenvolltreffer den ganzen Komplex aus. " Das Torhaus hatte meterdicke Wände aus Bruchsteinen", so Grissel, " der davon übrig gebliebene Trümmerhaufen war bestimmt fünf Meter hoch." Für Firma Grissel gab es 1945 einen Neuanfang an der Auguststraße. 1948 bezog sie den heutigen Firmensitz an der Wiesenbachstraße.

Heute steht die Johannisschule auf dem ehemaligen Wiemann′schen Besitz. Anstelle der jetzigen katholischen Bekenntnisschule soll ab dem Schuljahr 2012/ 2013 eine sogenannte abrahamische Grundschule vorzugsweise für Schüler katholischen, jüdischen und muslimischen Glaubens etabliert werden.

Bildtexte:

1930 war die Süsterstraße nur eine schmale Gasse. Der Adelssitz von Moltke zu Wulften beherrschte die nördliche Straßenseite. Im Hintergrund die Johanniskirche. Ansichtskarte des Verlags Wiedemann, Hildesheim, aus der Sammlung Helmut Riecken.

Die Turnhalle der Johannisschule steht heute an gleicher Stelle.

Foto:

Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


Anfang der Liste Ende der Liste