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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Im Wald ernten, was Urgroßväter gesät haben
 
Lebens-, Erholungs- und Wirtschaftsraum
Zwischenüberschrift:
Förster planen 100 Jahre im Voraus – Ein Streifzug durchs Heger Holz
 
Der Wald hat viele Facetten – 2011 ist „Internationales Jahr der Wälder″
Artikel:
Kleinbild
 
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Originaltext:
Osnabrück. Frank Berstermann ist schnell. Wenn der Bezirksförster durchs Heger Holz marschiert, ist es nicht leicht, mit ihm und Hündin Branka Schritt zu halten. Und das ausgerechnet in einer Branche, in der Zeit eigentlich keine Rolle spielt, denn Bäume wachsen langsam. Pflanzt der Förster heute eine Fichte, wird er nie den Tag erleben, an dem sie gefällt und verkauft wird. Doch das macht Frank Berstermann nichts aus. Er hat stets den ganzen Wald im Blick den von heute und den des nächsten Jahrhunderts.

Es ist 9 Uhr morgens, als Frank Berstermann mit seinem Auto vor dem Schütterhaus haltmacht. In der Nacht hat es geregnet, die Luft ist erfüllt vom würzigen Waldduft. Die Sonne bricht durchs Blätterdach, Buchfinken und Meisen zwitschern Idylle pur zwischen stattlichen Buchen und Eichen. Vereinzelt trifft man Jogger, Gassi-Geher und Radfahrer. Aber dafür ist der Wald schließlich da: als Ort der Naherholung. Zum Schauen und Durchatmen. Zum Träumen. Die ältesten Eichen im Heger Holz sind rund 180 Jahre alt. Als sie keimten, waren die Brüder Grimm noch am Leben, hatten gerade erst mit " Rotkäppchen" und " Hänsel und Gretel" das Bild des Walds als magisch-geheimnisvollen Ortes geprägt.

Doch so ursprünglich der Wald auch wirkt er ist ein Wirtschaftsraum und von vorne bis hinten durchgeplant. Beispiel: Am Wegesrand steht eine alte Buche. Der Stamm ist ein wenig verdreht und wunderschön. Wer weiß, was sich unter ihrer mächtigen Krone schon alles abgespielt hat? " Diese Buche steht nur aus optischen Gründen noch hier", sagt Frank Berstermann trocken. " Mitten im Wald wäre sie längst gefällt worden." Aber so sei das eben mit dem Wert eines Baumes: " Wirtschaftlich ist diese Buche nichts wert aber ökologisch und für die Erholung der Spaziergänger ist sie sehr wertvoll."

Auf dem Holzmarkt bringen die Bäume hohen Ertrag, die gerade gewachsen und möglichst " astrein" sind, also keine Äste am Stamm haben. " Für jeden Sägewerker ist ein Ast ein Fehler", sagt Frank Berstermann. Deshalb werden etwa Douglasien oder Kiefern häufig " geastet", das heißt, die Äste im Stammbereich werden entfernt.

Als Hüggel-Bezirksförster steht Frank Berstermann seit 25 Jahren im Dienst der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Forstamt Weser-Ems. Er ist zuständig für 2500 Hektar Wald und berät rund 250 Waldbesitzer in Hagen, Hasbergen und den westlichen Teilen Osnabrücks. Da bleibt beim Streifzug durch einen Wald wie das 75 Hektar große Heger Holz kaum Zeit zum Genießen. " Das kann ich nach Feierabend", sagt Berstermann und marschiert zielstrebig voran. " Ich arbeite sehr gerne im Wald, aber immer wenn ich hier unterwegs bin, habe ich eine konkrete Aufgabe." Kein Wunder, dass er immer so schnell unterwegs ist.

Vom Schütterhaus geht es in Richtung Rubbenbruchsee. Schon nach wenigen Schritten macht Berstermann kurz halt und zeigt nach links: " Ein sehr schönes Waldbild", sagt er. Was für den Laien wie ein paar große Bäume und Buschwerk aussieht, stimmt den Förster zufrieden: " Naturverjüngung aus Buche." Heißt: Zwischen Springkraut und ein paar Farnen stehen junge Buchen, sie reichen dem Experten gerade einmal bis zum Knie. Niemand hat sie gepflanzt irgendwann, vor vielleicht einem Jahr, haben ein paar Bucheckern hier ganz einfach gekeimt. Und nun achtet der Förster darauf, dass sich die jungen Buchen gut entwickeln können. Im Zweifelsfall wird er die Entscheidung treffen, krumme Lichtkonkurrenten zu fällen zugunsten einer gesunden jungen Buche mit geradem Stamm.

Frank Berstermann trägt feste Wanderschuhe, ein kakifarbenes Hemd und eine blaue Hose mit praktischen Seitentaschen keinen Hut und auch keinen romantisch-verklärten Gesichtsausdruck wie die Förster aus der beliebten Fernsehserie " Forsthaus Falkenau". Aber dafür kennt Frank Berstermann sich aus. Er weiß, wo er die Natur zunächst einmal sich selbst überlassen kann. Eine bunte Karte, auf der die Baumbestände nebst Alter markiert sind, hat er zwar stets dabei, doch darauf schauen muss er fast nie.

Der Bezirksförster verlässt den festen Weg und marschiert mit schlafwandlerischer Sicherheit durchs Unterholz. Der Waldboden ist weich und voller Hindernisse: Baumstämme, Zweige, Erdlöcher. Das Tempo drosselt Berstermann dennoch nicht, bis er am Ziel ist: eine Gruppe aus Fichten und Douglasien. Die Setz- und Brutzeit vom 1. April bis zum 15. Juli, in der die Tiere in Ruhe ihre Jungen bekommen können, ist vorbei. In der kommenden Woche soll eine Maschine, Harvester genannt, einige Fichten ernten. Ja, nicht " fällen", sondern " ernten". Die meisten Waldbesitzer, für die Berstermann unterwegs ist, sind Landwirte, da liegt der Begriff nahe. Außerdem werden die Bäume ja weiterverarbeitet. " Die Nachfrage nach Nadelholz können wir gar nicht befriedigen. Jeder Dachstuhl wird daraus gebaut", erläutert Berstermann. Auch die Hilfe bei der Vermarktung des Holzes gehört zu seinem Job.

Der Förster holt eine gelbe Farbdose aus einer Seitentasche seiner Hose, schüttelt sie und sprüht einen gelben Ring um einen Fichtenstamm. Die Tage der markierten Fichte sind somit gezählt. Aber warum muss gerade diese Fichte dran glauben und nicht die daneben? " Schauen Sie mal nach oben", sagt der Bezirksförster: " Der Baum links hat eine große Krone, der rechts hat eine große Krone der in der Mitte muss raus." Ältere Förster würden oft über einen steifen Nacken klagen, " vom permanenten Nach-oben-Schauen", scherzt Berstermann.

Der Bezirksförster achtet darauf, dass das richtige Holz zur rechten Zeit geschlagen wird, dass immer nur so viele Bäume gefällt werden, wie nachwachsen genau das ist das Prinzip der Nachhaltigkeit. Seit 300 Jahren wird das Heger Holz von der Heger Laischaft gehegt und gepflegt. Als zuständiger Bezirksförster kann Frank Berstermann sie nur beraten die Entscheidungen fällt die Heger Laischaft selbst, denn ihr gehört der Wald. " Wir haben hier jährlich einen Zuwachs von fünf Festmetern pro Hektar und können 375 Festmeter ernten", erklärt er. Anfang des 18. Jahrhunderts tauchte der Begriff " Nachhaltigkeit" zum ersten Mal auf, Grundgedanke der Forstwirtschaft ist er noch viel länger.

" Ganz wichtig ist aber, dass wir den Wald der Natur überlassen", betont Berstermann und deutet auf eine Stelle, wo vor einer Weile Bäume gefällt wurden. Überall liegen noch Baumstümpfe und Äste. " Die bleiben da auch. Das ist in zehn Jahren allerbester Humus." Oder die knorrige Eiche mitten im Wald, die wohl kaum ein Spaziergänger wahrnimmt: Irgendwann hat ein Specht eine Bruthöhle hineingezimmert, die längst anderen Tieren als Unterschlupf dient: Mardern, Meisen, Tauben. Als Habitatbaum darf diese Eiche stehen bleiben. Eines Tages wird sie von ganz allein zusammenbrechen.

Dass Frank Berstermann die Früchte seiner Arbeit niemals ernten wird, macht ihm nichts aus. Forstleute denken nun mal in anderen Dimensionen: " Sie können es immer nur gut meinen. Was letztendlich mit den Bäumen geschieht, die sie pflanzen, ist nicht vorherzusehen." Im Januar 2007 fegte Kyrill durch Berstermanns Wälder. Von einem Tag auf den anderen war ein kompletter Hang im Hüggel völlig kahl. " Ich hatte mir dort 20 Jahre lang Gedanken gemacht und Pläne gezeichnet das geht nicht ganz spurlos an einem vorbei", gibt der Förster zu.

Auch im Heger Holz hat der Sturm Spuren hinterlassen. Ein ganzes Waldstück voller kräftiger Fichten einfach umgeworfen. Inzwischen stehen hier wieder junge Ahorne, Fichten, Lärchen und Buchen, teilweise angepflanzt, teilweise aus Naturverjüngung. " Das Wichtigste ist die standortgerechte Baumartenwahl", erläutert Frank Berstermann. So stellt die Fichte beispielsweise nur geringe Ansprüche an die Bodenbeschaffenheit, während der Ahorn auf trockenen, sandigen Böden verkümmern würde.

Die Bäume nach Kyrill sind mittlerweile drei Jahre alt und reichen Frank Berstermann bis zur Brust. Damit ist die Gefahr gebannt, dass Rehe die obersten Triebe abknabbern, Zäune sind nicht nötig. Irgendwann, in ein paar Jahrzehnten, wird hier wieder ein dichter Mischwald stehen den Grundstein dafür hat Frank Berstermann heute schon gelegt.

Bildtexte:

Tief durchatmen und genießen: Das können die Osnabrücker im Heger Holz. Seit vielen Generationen kümmern sich Forstleute hier darum, dass immer mehr Bäume nachwachsen, als gefällt werden.

Bezirksförster Frank Berstermann markiert eine Fichte, etwa 80 Jahre alt. Ihre Tage sind gezählt.

Fotos:

Michael Hehmann

OSNABRÜCK. Ohne Bäume würde es weder diese Zeitung geben noch ausreichend Sauerstoff zum Atmen. Mehr als ein Drittel der deutschen Landesfläche ist mit Wald bedeckt, in Niedersachsen sind es knapp 22 Prozent. Dabei ist der Wald zugleich Lebens-, Erholungs- und Wirtschaftsraum und bindet CO2. Im Landkreis Osnabrück ist übrigens die Fichte die dominierende Baumart, gefolgt von Buche, Kiefer/ Lärche und Eiche.
Die Zuständigkeiten: Man muss unterscheiden zwischen Privat- und Staatswald. Das Heger Holz etwa ist ein Privatwald und gehörtder Heger Laischaft. Bezirksförster wie Frank Berstermann angestellt beim hierzuständigen Forstamt We-ser-Ems der Landwirtschaftskammer Niedersachsen beraten die privaten Waldbesitzer und achten darauf, dass sie nachhaltig wirtschaften. Dabei deckt das Forstamt Weser-Ems einenriesigen Bereich ab von Glandorf bis nach Norderney umfasst es 41 Förstereien und 131 000 Hektar Wald. Verantwortlich für den Staatswald wiederum sind die staatlichen Forstämter. In Stadt und Landkreis Osnabrück ist es das niedersächsische Forstamt Ankum, das eine Fläche vom Osnabrücker Land bis weit hinein ins Emsland abdeckt.
Das Waldsterben: Welches Waldsterben? Dass heute kaum noch darüber gesprochen wird, heißt nicht, dass der Wald kerngesund ist. Wir haben eine klare Bodenversauerung durch Emissionen″, sagt Frank Berstermann. Darüber könne auchdie Tatsache nicht hinwegtäuschen, dass der jährliche Holzzuwachs im Forstamt Ankum etwa 100 000 Festmeter beträgt und etwa 64 000 Festmeter eingeschlagen werden. Heißt: Der Waldwächst stetig.
Das Jahr der Wälder: Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2011 zum Internationalen Jahr der Wälder″ erklärt, Deutschland beteiligt sich unter dem Motto Entdecken Sie unser Waldkulturerbe″. Bundesregierung und Verbände veranstalten dazu seit dem 21. März eifrig diverse Ausstellungen und Aktionen.
Das Thema der Woche: Dabei lohnt es sich auch ohne UNO-Schirmherrschaft, sich mit dem Wald und seinen vielen Facetten zu beschäftigen. In der heute startenden Serie werden möglichst viele von ihnen abgedeckt vom Arbeitsalltag eines Försters über die Jagd bis hin zum Friedwald als letzter Ruhestätte.
Im Netz: Auf unserer Themenseite im Internet gibt es sämtliche Teile der Serie zum Nachlesen sowie Bildergalerien und Mitmachmöglichkeiten.
Autor:
Sandra Dorn


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