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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
"Ein unkalkulierbares Risiko"
Zwischenüberschrift:
Herlinde Fohs: Einkaufscenter am Neumarkt bedroht nicht nur die Krahnstraße
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
In Sorge um die Innenstadt: Herlinde Fohs ist Sprecherin der Werbegemeinschaft Krahnstraße. Foto: Jörn Martens

Osnabrück. Die schärfste Kritik gegen das geplante Einkaufszentrum am Neumarkt kommt aus der Altstadt. Herlinde Fohs, Weinhändlerin und Vorsitzende der Werbegemeinschaft Krahnstraße, über Kundenströme, Leerstände und die Zukunft der Innenstadt.
Die Geschäftsleute der Krahnstraße wenden sich eindringlich gegen ein neues Einkaufszentrum am Neumarkt. Finden Sie nicht, dass am Neumarkt etwas geschehen müsste?
Selbstverständlich muss der Neumarkt modernisiert werden. Das ist ein wichtiges Projekt, das ja auch schon Gestalt annimmt mit dem Neubau an der Hase, der an der Stelle des Cafés Coppenrath entsteht. Mit dem geplanten Bauwerk vor H& M wächst die Große Straße der Johannisstraße entgegen. Und das Landgericht kommt besser zur Geltung, weil die Bushaltestellen verlegt werden. Den Platz kann man sehr schön gestalten. Somit ist viel erreicht. Sicherlich sind in den letzten Jahrzehnten Fehler gemacht worden. Das grün gekachelte Haus ist ja kein schöner Anblick. Aber diese Problemzone gehört jetzt einem Investor. Warum soll die Innenstadt so massiv verändert werden, nur weil Investoren ihre Liegenschaften vermarkten wollen?
Was spricht denn gegen das geplante Einkaufscenter am Neumarkt?
Das Problem ist die Größenordnung. In der Innenstadt haben wir zurzeit einen Bestand von etwa 100 000 qm. Mit dem Center sollen 22 000 qm Verkaufsfläche dazukommen. Alles, was für Dienstleistung und Unterhaltung vorgesehen ist, muss noch hinzugerechnet werden. Somit kommt das Projekt also eher auf 30 000 qm. Auf die Innenstadt bezogen erhöht sich die Verkaufsfläche schlagartig um ein Drittel. Wir im Krahnstraßenviertel sehen darin ein unkalkulierbares Risiko.
Bundesweit gibt es kein Beispiel, bei dem die positiven Auswirkungen überwogen hätten. Die schlimmen Folgen sind erst zwei Jahre nach Eröffnung zu erkennen. Die Ketten wandern ins Center ab, Ladenlokale stehen leer, Mieten sinken. Mit der Folge, dass auch die hart kalkulierenden Billigketten in die Innenstädte gehen. Zum Beispiel KiK, ein Unternehmen, das mit knappsten Nebenkosten arbeitet.
Viele glauben ja an das Märchen, dass die wilden jungen Einzelhändler mit kreativen Ideen die Leer stände auffüllen werden.
Das wird nicht geschehen, denn sie haben gegenüber den Ketten überhaupt keine Chance.
Wenn ein neues Einkaufscenter mehr Kundschaft in die Stadt bringt, könnten die Geschäfte in der Krahn-straße doch auch davon profitieren.
Bei einem kleineren Zentrum, das nach außen offen ist, könnte das funktionieren, zumindest, wenn es mit dem bestehenden Handel verbunden ist. Am Neumarkt geht es aber um ein ziemlich großes Projekt. Und je größer das Zentrum, desto autarker wird es. Für die Geschäfte in der Umgebung fällt immer weniger ab. Für das Krahn straßen viertel gilt, dass wir unseren eigenen Publikumslauf haben. Und den müssen wir erhalten. Es ist ein Kommen und Gehen. Wir werden es schwer haben, die jüngeren Centerbesucher in unser Viertel zu locken. Es gibt Untersuchungen, die nachweisen, dass sich ein Besucher der Stadt nicht mehr als 800 Meter von seinem Zielpunkt entfernt. Wer vom Neumarkt zu uns kommen will, hat es weiter. Und die Große Straße, die dann zu veröden droht, bietet sich nicht gerade als Flaniermeile an.

Die Stadt ist doch froh, wenn Investoren auf der Matte stehen und Geld in die Hand nehmen wollen . . .
Da darf man sich aber nicht täuschen lassen. Der Investor spricht von 220 Millionen Euro Investitionssumme. Bei einer Größe von 22 000 qm kommen wir auf 10 000 Euro pro qm. Üblich sind 4000 bis 5000 Euro. Da frage ich mich, ob da ein neues Prunkschloss entstehen soll. Davon ist mit Sicherheit nicht auszugehen. Hier wird mit großen Zahlen operiert, um Eindruck zu schinden.
Jahrelang galten die großen Märkte auf der grünen Wiese als Totengräber der Innenstadt. Jetzt geschieht etwas im Zentrum, und schon wieder gibt es Kontra.
Der Einzelhandel in Deutschland wächst nicht mehr, er schrumpft mit der Bevölkerungszahl. Es findet ein gigantischer Verdrängungswettbewerb statt. Die Märkte auf der grünen Wiese haben die Innenstädte empfindlich getroffen. Überall im Speckgürtel rund um die Stadt sind eigene Zentren entstanden, die ja weiter Umsatz machen wollen. Und dann haben wir noch die Konkurrenzsituation zu den anderen Städten, die bereits mit großen Zentren werben.
Diese Entwicklung setzt die Stadt unter Zugzwang, gerade auch, weil sie brachliegende Flächen und den hässlichen Neumarkt hat. Jetzt wäre es an der Zeit, Nein zu sagen und nicht mit Brachialgewalt die Rettung des Neumarkts mit einem Megazentrum anzugehen. Osnabrück hat alles als Einkaufsstadt und ist bei den Besuchern doch sehr beliebt. Wir brauchen kein Zentrum, wir entwickeln den Charme des eigenen Standorts weiter. Ein gutes Beispiel gab es, als die Krahnstraße neue Arkaden bekam, weil Stadt und Hauseigentümer gemeinsame Sache machten.
Die Krahnstraße hat doch ganz andere Geschäfte, kleiner und persönlicher. Warum glauben Sie denn, dass Ihnen ein Einkaufszentrum am Neumarkt die Butter vom Brot nimmt?
Der Investor will 60 Prozent seines angestrebten Umsatzes von ca. 100 Millionen Euro pro Jahr aus dem vorhandenen Einzelhandel generieren. 30 Prozent des Umsatzes sollen durch Neukunden erzielt werden. Natürlich hat das gewaltige Auswirkungen. Das sind 60 Millionen Euro, die dem Handel entzogen werden. So viel kann mit Neukunden nicht wettgemacht werden. Vor allem, weil das Center kein Interesse hat, dass seine Kunden auch in der Umgebung einkaufen. Das ist drastisch nicht nur für unser Viertel. Wir sind nicht wetterfest, wir sind zu weit entfernt, wir haben kein Center-Management und keine gemeinsame Werbemaschinerie.
Es fällt auf, dass sich nur die Krahnstraße klar und deutlich gegen ein Einkaufscenter am Neumarkt ausspricht.
Vielleicht ist ja ein bisschen Angst vor der Obrigkeit dabei. Signale vom organisierten Einzelhandel hat es aber gegeben. Das Gutachten der Stadt ist ja auch gerade erst der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden.
Haben Sie denn Ärger mit dem Oberbürgermeister bekommen?
Wieso Ärger? Herr Oberbürgermeister Pistorius lud uns ein, und wir haben uns in einem persönlichen Gespräch ausgetauscht. Unser Viertel sei ganz anders aufgestellt, uns würde es nicht betreffen. Es werde nicht größer als 18 000 qm, wurde uns versprochen, wobei wir uns fragen, ob brutto oder netto gemeint ist. Außerdem solle es nicht mehr als 400 Stellplätze haben. Des Weiteren soll es ein offenes Einkaufszentrum sein mit einem verträglichen Branchenmix. Hoffentlich sind das nicht alles Sprechblasen.


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