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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Vom Efeu bis zum Schachtelhalm
Zwischenüberschrift:
Botanische Gärten als Schaufenster der Forschung
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Botanische Gärten sind ein beliebtes Ausflugsziel. Gern lassen sich die Besucher von Farben und Düften der Pflanzen betören. Auf den Gedanken, dass in dem sinnlichen Blütenmeer auch nüchterne Wissenschaft betrieben wird, kommen die wenigsten. Das soll sich in der diesjährigen Woche der Botanischen Gärten ändern: Die Veranstalter wollen den Blick auf die Gärten als Ort der Hightech-Wissenschaft lenken.
" Was die Technik von Pflanzen lernen kann - Bionik in Botanischen Gärten" lautet das Motto der Veranstaltung vom 11. bis zum 19. Juni. In vielen Anlagen bundesweit können Besucher dann nicht nur die pflanzlichen Vorbilder für bioinspirierte Produkte betrachten, sondern auch die wissenschaftlichen Verfahren nachvollziehen. Veranstalter ist der Verband Botanischer Gärten e. V., der zu der Ausstellung eine 84-seitige Broschüre veröffentlicht.
" Wie wird Bionik gemacht, wie können Pflanzen innovative Entwicklungen in der Technik inspirieren, was ist bereits auf dem Markt, was gibt es als Ideenvorlage und was ist auch historisch schon passiert, auf all diese Fragen wollen wir den Besuchern Antwort geben", beschreibt Prof. Dr. Thomas Speck, Direktor des Botanischen Gartens in Freiburg, die Zielsetzung. Aber natürlich könnten sich einzelne Gärten auch auf Teilaspekte des umfangreichen Programmes beschränken und andere Termine für die Veranstaltung wählen. Speck ist einer der Initiatoren der Ausstellung. Er lehrt an der Universität Freiburg Botanik und Bionik und ist zudem Vorstandsvorsitzender des bundesweiten Bionik-Kompetenznetzwerkes BIOKON. Als solcher weiß er, dass bio-inspirierte Produkte auch im Alltag viel weiter verbreitet sind, als es den meisten Konsumenten bewusst ist.
Die Erfindung des Stacheldrahtzaunes, der das Vieh auf der Weide hält, gehe zum Beispiel weit in das 19. Jahrhundert zurück, berichtet Speck. 1867 ließ sich der Amerikaner Lucien B. Smith, auf der Suche nach einem Zaun für sein Vieh, von den dornigen Zweigen des Osagedorns inspirieren.
Die erste bionische Erfindung, die in Deutschland patentiert wurde, war ein Streuer mit seitlichen Öffnungen. Ihn hatte der Botaniker Raoul France 1920 entwickelt, als er Kleinstlebewesen gleichmäßig auf dem Boden verteilen wollte. Dafür nahm er sich die Samenkapsel des Mohns zum Vorbild. Ist der Mohn verblüht, so reifen in der Kapsel die Samen. Diese müssen gut verstreut werden, damit die Samen nicht direkt bei der Mutterpflanze zu Boden fallen und sich so gegenseitig im Wachstum behindern. Deshalb besitzt die Mohnkapsel rundum kleine Löcher, durch die der Samen gleichmäßig verteilt wird, wenn die Mohnstängel mit ihren Kapseln im Wind schwingen - ideal für einen Salzstreuer.
In Deutschland hat sich die Bionik inzwischen längst zu einem gewichtigen Schwerpunkt der Forschung in Biologie und Technik entwickelt. Überall werden gezielt Lösungen für technische Probleme in der Biologie gesucht. Die Bionik ist heute eine boomende Wissenschaft. Immer häufiger gelingt es, die Erkenntnisse erfolgreich in technische Anwendungen umzusetzen.
So auch bei dem sogenannten gewichtsoptimierten bionischen Faserverbundmaterial, das Thomas Speck und seine Frau Olga, die ebenfalls Biologin ist, gemeinsam mit Markus Milwich vom Institut für Textil- und Verfahrenstechnik Denkendorf entwickelten. Als biologische Ideengeber dienten Pfahlrohr und Schachtelhalm. Die Forschungen mündeten schließlich in einem patentierten Produkt: dem Technischen Pflanzenhalm. " Er ist leicht und stabil und damit hervorragend geeignet für den Einsatz in Luft- und Raumfahrt, in der Architektur oder im Fahrzeugbau", lobt Speck.
Auch die Patentierung einer Methode zur Optimierung verzweigter Faserverbünde steht laut Speck kurz bevor. Ein bis zwei Jahre wird es nach seinen Angaben noch bis zur Produktreife eines verzweigten Faserverbundes dauern, für den die Strukturen von Kakteen und Drachenbäumen Pate standen. " Verzweigte Strukturen werden überall gebraucht", sagt Speck. Technische Anwendungen könnten zum Beispiel hoch belastete Knotenpunkte in der Technik wie beispielsweise Achsträger im Automobilbau sein.
Für ein anderes Projekt " kommen erst jetzt langsam die Industriepartner an Bord", berichtet der Professor. Vorbilder sind diesmal Efeu und Wilder Wein. " Efeu hat eine hoch effiziente Haftmethode. Es bildet Wurzeln aus, die wiederum Wurzelhaare machen, die sich auch noch in den kleinsten Vertiefungen von Rinde oder Hausputz verankern", erläutert Speck. Doch das sei noch nicht alles: " Wenn die Efeuwurzelhaare abtrocknen, dann bilden sie vorne noch einen Haken aus, verkürzen sich und ziehen den Efeu noch fester an die Oberfläche heran. Jetzt, wo wir wissen, wie es funktioniert, glauben wir, dass sich daraus eine neuartige bionische Haftstruktur entwickeln lässt", ist er sich sicher.
Fast schon ein Klassiker ist der Lotus-Effekt. Diesen Trick entdeckten der Botaniker Professor Wilhelm Barthlott und sein Team an der Universität Bonn. Er leitet sich von der Lotusblume ab, die über eine erstaunliche Fähigkeit verfügt: Fällt Wasser auf ihre Blätter, bildet es auf der Oberfläche kugelförmige Tropfen, und die perlen ab, ohne das Blatt zu benetzen. Die Tropfen entfernen sogar noch auf dem Blatt liegende Schmutzpartikel. Inzwischen wird der Lotus-Effekt bei der Herstellung von Fassadenfarben, speziellen Lacken und Folien angewandt. Auch das natürliche Vorbild für dieses Hightech-Produkt kann in vielen botanischen Gärten bewundert werden.

Bildtext:

Verschiedene Stadien der Selbstreparatur bei der Pfeifenwinde. Während des Wachstums werden auftretende Risse durch Selbstheilung geschlossen. Nach diesem Vorbild entwickelten die Freiburger Wissenschaftler bionische selbstreparierende Schaumbeschichtungen für pneumatische Strukturen wie zum Beispiel Schlauchboote, die Löcher in der Membran schnell und effektiv verschließen.

Fotos.

Plant Biomechanics Group Freiburg & prospetive Concepts ag
Autor:
Waltraud Messmann


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