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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Der Idylle etwas nachgeholfen
Zwischenüberschrift:
Ausflugsgaststätte "Tivoli" an der Iburger Straße im Wandel der Zeit
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Ansichtskarten sollen die Lieben in der Ferne beeindrucken, die die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort nicht so genau kennen. Das ist heute nicht anders als anno 1913. Nur dass damals bisweilen kräftig geschummelt wurde, um den gewünschten Eindruck von Weltläufigkeit oder großbürgerlicher Pracht zu verstärken.
Die Ansicht von 1913 gibt die in ganz Osnabrück bekannte und beliebte Ausflugsgaststätte " Tivoli" korrekt wieder. Nur die barocke Gartenanlage diesseits der Iburger Straße ist ein reines Fantasieprodukt, das zu keiner Zeit auch nur geplant war. " Vor dem ersten Krieg war hier Kartoffelacker", sagt Christel vor dem Esche und kramt zum Beweis ein echtes Foto aus ihrem Schuhkarton voller Bilder und Dokumente zur Geschichte des Hauses hervor, das in seinen ältesten Teilen auf das Jahr 1845 zurückgeht. Nach einer ganzen Anzahl von Voreigentümern erwarb August vor dem Esche 1935 das bestens eingeführte " Gesellschaftshaus" und führte die Säle, die Kegelbahn und den " gepflegten Konzertgarten für ca. 1000 Personen" noch einmal zu letzter Blüte vor dem Krieg.
Christel und Gerhard vor dem Esche bewohnen heute das Obergeschoss des zweistöckigen Gebäudeteils, den früheren " Hochzeitssaal". Gerhard, Jahrgang 1939, verlebte hier seine früheste Kindheit. Jedenfalls so lange, bis die Nazis seinen Vater August enteigneten. Der hatte sich mit dem Gauleiter überworfen und bekam prompt die Quittung. Nicht nur, dass Wehrmachts-Dienststellen und später Polizei das Gebäude requirierten. August wurde zum Militärdienst eingezogen, obwohl er eigentlich unabkömmlich gestellt war, und fiel 1942 in Russland.
Im hinteren Bereich des Grundstücks legte die Polizei ihren zentralen Befehlsbunker an. Die Engländer versuchten, ihn zu bombardieren, trafen aber nur Nachbarhäuser. Bis in die 1970er-Jahre stand der Bunker mit seinen abgeschrägten Betonflächen auf dem heutigen Garagenhof. " Unsere Kinder haben sich da noch ihre Hosen drauf kaputtgerutscht", erinnert sich Christel.
Nicht nur der Bunker hatte den Krieg überlebt, auch die komplette Tivoli-Front zur Iburger Straße war unversehrt. Die Engländer richteten ein Tanzkasino ein. Dann kam wieder die (deutsche) Polizei, denn das 2. Revier am Rosenplatz war noch nicht wiederaufgebaut. 1948 wurde der alte Konzertsaal in ein Lichtspieltheater umgewandelt. Der alte Name " Tivoli" stand bis 1968 für das oft liebevoll als " Puschenkino" bezeichnete Nachbarschafts-Filmtheater, in dem die Kassenschlager jener Zeit vier Wochen später als in den großen Kinos im Zentrum zur Aufführung gelangten.
Gerhard vor dem Esche und seine Schwester Erika Kühl teilten den ererbten Besitz auf. Erika bekam den rechten, eingeschossigen Teil mit der lang gestreckten " Veranda". 1967 ließ sie die nicht mehr in Ort und Zeit passende Kaffeehaus-Architektur abreißen. Der viergeschossige Neubau beherbergte lange Jahre die Stadtsparkasse und im ersten Obergeschoss bis vor Kurzem die Stadtteilbibliothek.
Die Fassade des linken, zweigeschossigen Gebäudeteils retteten die vor dem Esches durch die Zeiten, wenn auch die unterschiedlichen Nutzungen dahinter nicht immer perfekt mit der verspielten Schnörkelfassade von 1905 harmoniert haben mögen. Im Erdgeschoss gaben sich Haushaltswaren-Willmers und Heißmangel, SPAR-Lebensmittel und Spielhalle, Pizzerien und Bistros die Klinke in die Hand.

Bildtext:
Weit vor den Toren der dicht bebauten Stadt lag 1913 die " Schenkwirtschaft" und das Kaffeehaus Tivoli. Die Ansichtskarte hat uns Iris Ehlers zur Verfügung gestellt.
Autor:
Joachim Dierks


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