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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Kühe machen keine Winterpause
Zwischenüberschrift:
Milchbauer Wilhelm Rüters hat beim Melken jeden Tag alle Hände voll zu tun
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Belm. Alle reden über Dioxin, doch wie sieht eigentlich der Alltag hiesiger Landwirte aus? Im Kuhstall herrschen in diesen Tagen durchschnittlich sechs Grad Celsius - Wohlfühltemperatur für die 50 Schwarzbunten von Landwirt Wilhelm Rüters aus Belm. Zweimal täglich muss er raus und melken.
Von Sandra Dorn - Um 18 Uhr ist es draußen dunkel und im Kuhstall still. Nur gelegentlich erklingt ein leises Schnaufen, manchmal auch ein sonores Muhen. Und ab und an ein Plätschern - später am Abend wird die Güllepumpe den frischen Mist wieder in den großen Hochbehälter hinter dem Stall befördern.
Die Euter sind zu dieser Stunde prall gefüllt - Zeit zum Melken. Wilhelm Rüters tritt aus dem Wohnhaus, atmet die frische Abendluft ein und marschiert einmal quer über den Hof. Der 60-Jährige trägt eine grüne Schürze, grüne Thermo-Gummistiefel und blaue Handschuhe bis zum Ellenbogen. Er warnt: " Passen Sie im Melkstand lieber auf. Manchmal lässt eine Kuh auch dort etwas fallen - Spritzgefahr."
Gelassen blicken die Kühe Wilhelm Rüters entgegen, als er den Stall betritt. Sein Enkel Theo-Wilm, der heute aushilft, treibt bereits die ersten acht Schwarzbunten in den Melkstand. " Komm, geh mal weiter", ruft der 16-Jährige seiner Lieblingskuh Heaven zu, die er bei den jüngsten Schwarzbunt-Tagen in Osnabrück präsentiert hat.
Gemächlich setzen sich auch die übrigen Tiere in Bewegung. Im Gänsemarsch geht es aus dem geräumigen Boxenlaufstall über einen schmalen Gang in den Melkstand, wo es zur Belohnung eine kleine Portion Kraftfutter gibt. Wilhelm Rüters blickt auf vier Euter und 16 Beine auf der einen Seite, hinter ihm bietet sich exakt das gleiche Bild. " 213, 44, 99, 113", zählt der Bauer auf. Seine Kühe kennt er zwar nicht alle beim Namen, jedoch bei der Stallnummer, die jedes einzelne Tier als leuchtend gelbe Marke in den Ohren trägt. Namen haben sie natürlich trotzdem: Die älteren heißen Lysistrata, Nofretete oder Aphrodite, bei den jüngeren wie Heaven zeigt sich bereits Theo-Wilms Einfluss: Der Enkel bevorzugt englische Namen.
Mit wenigen Handgriffen hat Wilhelm Rüters die Zitzen gereinigt und eine schwarz-silberne Saugvorrichtung angeschlossen. Kurz darauf hört man nur noch das rhythmische Klacken der Geräte, und frische Milch strömt in den silbernen Tank im Nebenraum. Etwa 600 Liter werden an diesem Abend hineingepumpt, eine einzelne Kuh gibt täglich 32 Liter. Die Energie, die beim Herunterkühlen der Milch von 35 auf vier Grad Celsius entsteht, nutzt Wilhelm Rüters zum Heizen. " Pro Liter Milch bekomme ich einen halben Liter warmes Wasser fürs Haus", erklärt er.
Während die Vakuumpumpen die Arbeit erledigen, erzählt er von seinem Leben als Milchbauer. Von seinen Kühen kann er durchaus leben - zwar nicht luxuriös, aber es reicht. " Wir sind zurzeit in der Situation, dass keine Investitionen erforderlich sind", so Rüters. Seit 1942 bewirtschaftet seine Familie einen Teil des ehemaligen Guts Astrup. Neben der Milchzucht baut Rüters auch Getreide an - überwiegend Weizen und Wintergerste sowie Mais als Grundfutter. " Früher war die gesamte Landwirtschaft vielseitiger. Meine Großeltern hielten noch Enten, Hühner und Schweine."
Dioxin war damals noch kein Thema. " Ich bin da aber ganz gelassen", kommentiert er den Lebensmittelskandel. " Wir verfüttern zwar Kraftfutter, aber bislang war bei der Firma, die uns beliefert, alles in Ordnung. Ich hoffe, dass das auch so bleibt", betont Rüters nachdenklich und verweist auf den wirtschaftlichen Druck. " Die Marktgesetze zwingen uns zu rationellen Produktionsweisen", sagt er. " Ich würde es mir anders wünschen, aber die Menschen wollen nun einmal möglichst wenig Geld für Nahrungsmittel ausgeben." Zumindest um seine Nachfolge auf dem Hof braucht er sich keine Sorgen zu machen: Enkel Theo-Wilm möchte den Betrieb einmal übernehmen.
Nach zehn Minuten sind die ersten acht Euter leer. Rüters und sein Enkel nehmen die Saugvorrichtungen ab, dann geben sie noch Desinfektionsmittel und Hautpflege auf die Zitzen, und Theo-Wilm treibt die Tiere hinaus, zurück in ihren Boxenlaufstall. Während der Enkel das Melken der nächsten acht Kühe übernimmt, kümmert sich Wilhelm Rüters um die Fütterung und schiebt eine Mischung aus Stroh, Kraftfutter, Mais- und Grassilage sowie Mineralstoffen in Haufen ans Gitter.
Und so sieht jeder Tag aus, das ganze Jahr über: Aufstehen um Viertel vor sechs, Kühe melken, Frühstückspause, Futter mischen und verteilen, Ausmisten, Pflegearbeiten: Klauen müssen gereinigt, Euter geschoren werden. Der Nachmittag wiederum geht meist mit Wartungsarbeiten an den Maschinen vorüber.
" Die Arbeit macht mir Spaß", sagt der Milchbauer, " auch wenn ich mir in meiner Jugend etwas anderes hätte vorstellen können als Landwirtschaft." Morgens ausschlafen und das Melken seiner Tochter überlassen, die mit ihrer Familie auf dem Hof lebt und gelegentlich aushilft, wäre für ihn undenkbar. Nur wenn er mit seiner Frau verreist, kann der Milchbauer aufatmen.
Wilhelm Rüters zuckt mit den Schultern, geht zurück in den Stall, ruft nach seinen Kühen und führt die nächste Gruppe zur Melkmaschine.
Autor:
Sandra Dorn


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