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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Als Leffers zum Lazarett wurde
Zwischenüberschrift:
Die nördliche Johannisstraße heute und vor 100 Jahren
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Die Johannisstraße um 1910 in Blickrichtung Neumarkt: rechts ein " Ahlewagen" vor der Mauer des Waisenhauses St. Johann, links Samenhandlung Dieckmann, Restaurant Stüer und Schneiderei Hunger. Foto: Rudolf Lichtenberg
Osnabrück. Die Johannisstraße zwischen Johanniskirche und Neumarkt zeigt sich um 1910 ähnlich wie heute als eine geschäftige Innenstadtstraße mit vielfältigen Nutzungen. Der Standpunkt des Fotografen ist vor der Kreuzkapelle von St. Johann, der Blick geht in Richtung Neumarkt.
Von Joachim Dierks - Vor 1000 Jahren wurde der Grundstein zur ersten Johanniskirche gelegt, und mindestens genauso alt ist die Wegeverbindung zwischen dem Dom-Nebenstift St. Johann und dem Dom etwa im Verlauf der Johannisstraße. Nur das letzte Zehntel dieser Zeitspanne liegt zwischen den hier gezeigten Fotos, und doch kann man bis auf den gekrümmten Straßenverlauf und die Mauer von St. Johann rechts im Bild nichts wiedererkennen. Hinter der Mauer lag damals das Waisenhaus St. Johann, das von den Thuiner Franziskanerinnen geführt wurde. Im ältesten Kinderheim Osnabrücks betreut heute die St.-Johann-Behindertenhilfe ein Wohnheim für behinderte Kinder. Neben dem Haupteingang von der Johannisstraße befindet sich die " Babyklappe" des Sozialdienstes katholischer Frauen.
Die Wohn- und Geschäftshäuser im Anschluss an die Kirchenmauer, etwa das des Schlachtamtsmeisters Heinrich Stapel (Nr. 44) oder des " Colonialwaaren"- Händlers August Lampe (Nr. 43) hatten 1910 nur noch eine kurze Gnadenfrist vor sich. Denn 1914 wurde hier das Kaufhaus Leffers errichtet. Das fertiggestellte und bereits mit Waren bestückte Textilhaus konnte wegen des Kriegsausbruchs 1914 nicht eröffnet werden. Die männlichen Beschäftigten mussten an die Front und das Gebäude als Lazarett herhalten. Erst 1921, mit sieben Jahren Verspätung, wurde es als Modehaus eröffnet. Die Osnabrücker schienen nach den langen Entbehrungen einen großen Nachholbedarf in Sachen Kleidung zu haben. Sie stürmten das Haus regelrecht. Die Verkäuferinnen kriegten Panik. Der Käuferstrom drückte sie mitsamt den schweren eichenen Tresen vor die Regale. Die Polizei musste eingreifen.
Am Palmsonntag 1945 wurde der Jugendstilbau von Fliegerbomben zerstört. Der Nachkriegsneubau fiel vergleichsweise schmucklos aus, erhielt 1995 aber ein weiteres Stockwerk und eine aufgepeppte Fassade. 2001 verkaufte die Eigentümer-Familie Nülle an die Sinn-Leffers AG. 2008 rutschte die Karstadt-Tochter in die Insolvenz, das Osnabrücker Haus entging jedoch der Schließung. Seitdem scheint das nach eigenen Angaben zweitgrößte Bekleidungshaus Osnabrücks wieder zu florieren.
Der abgebildete Abschnitt der Johannisstraße ist seit 1979 eine " halbherzige Fußgängerzone". Alle paar Minuten scheuchen die vorbeifahrenden Busse die bummelnden Einkäufer wieder auf die alten Gehwege. Diese Verkehrsgestaltung wurde mehrfach kritisiert und als mitverantwortlich dafür angesehen, dass die Johannisstraße gegenüber der 1a-Lage Große Straße deutlich an Boden verloren hat. Zudem hat die unendliche Pflastergeschichte - die täglich verkehrenden 850 Busse haben immer wieder das Fußgängerzonen-Kleinpflaster zum Absacken gebracht - die Stimmung der Einzelhändler nicht gerade aufgehellt.
Auf dem historischen Bild steht vorn im Schatten ein " Ahlewagen". Mit solchen Handkarren transportierten Tagelöhner Fäkalien aus Abortgruben hinaus vor die Tore, wo Bauern damit die Felder düngten. An Biertheken wird gern behauptet, dass die englische Biersorte " Ale" sich vom Inhalt der " Ahletönnken" herleite. Das ließ sich bislang jedoch nicht nachweisen.

Autor:
Joachim Dierks


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