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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Was zwei Religionen verbindet und unterscheidet
Zwischenüberschrift:
Bistum bietet Führungen für Kinder im Dom und in einer Moschee an - Christentum und Islam gehören zu Osnabrück
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Führung im Dom: Dua Zeitun und Jessica Löscher erklären den Kindern der Elisabeth-Siegel-Grundschule die Bedeutung des Altars. Fotos: Jörn Martens
Osnabrück. Achtzehn lebhafte Grundschulkinder versuchen, auf den Steinstufen im Altarraum des Doms still zu sitzen. Einige stehen auf, schubsen, drängeln nach vorne - zum Altar und zu den beiden Frauen, die sie an diesem Morgen durch den Dom führen. Eine der Frauen hat mit einem schwarzen Tuch ihr Haar verhüllt. Sie ist Muslima.
" Was geschieht bei uns jeden Morgen im Osten?"
Jessica Löscher, Pädagogin

" Eine Moschee ist ein Gotteshaus"
Abdul-Jalil Zeitun, Gemeindevorsteher

" Man ist mit einem Lächeln, man ist seelisch dabei"
Dua Zeitun, Seelsorgerin

Von Gunhild Seyfert - Den Kindern bietet sich an diesem Morgen ein ungewohntes, seltsam faszinierendes Bild: Selbstsicher und offen stehen beide Frauen zusammen vor den Kindern und dem goldenen Altar - so als wäre es einfach und selbstverständlich, dass Muslime und eine Christin gemeinsam in der Kirche sind und durchs Gotteshaus führen.
" Weiß jemand, in welcher Himmelsrichtung der Altar steht?" fragt Jessica Löscher in die muntere Runde. Die Zweitklässler aus der Elisabeth-Siegel-Grundschule raten drauflos. " Norden", " Nein, nach Westen!" tönt es mit Nachhall in der Kirche. Aber damit ist die Museumspädagogin nicht einverstanden. Zur Klärung ihrer offenen Frage zieht sie flugs einen Kompass aus der Tasche. " So einen hab ich zu Hause auch!", ruft ein Junge und greift nach ihm. Die Kinder stecken ihre Köpfe zusammen und freuen sich über ihre Entdeckung: " Nach Osten!"
Schon während ihres Studiums der Kunstgeschichte und Pädagogik hatte Jessica Löscher Schulklassen durch den Dom geführt. Schnell merkte sie, dass Kinder aus muslimischen Familien oft Hemmungen, manche sogar starke Angst hatten, den Dom zu betreten. Sie überlegte, wie man Ängste abbauen und das gegenseitige Verstehen fördern könnte. Die Abschlussarbeit ihres Studiums widmete sie dem Thema, wie man Grundschulklassen, in denen heutzutage immer auch muslimische Kinder sind, durch den Dom führen könnte.
" Was geschieht bei uns jeden Morgen im Osten?", will Jessica Löscher wissen. " Da geht die Sonne auf. Licht - das ist auch ein Zeichen für Gott. Deshalb steht dort der Altar", erklärt sie. Dann spricht Dua Zeitun, ganz in Schwarz gekleidet, ruhig und in akzentfreiem Deutsch: " Wie ist das in einer Moschee? Da ist die Gebetsnische, in der der Imam steht, auch Richtung Osten. Alle Betenden richten sich nach Osten, Richtung Mekka." Dua Zeitun kommt von der Ibrahim-Al-Khalil-Moschee in der Nähe des Hauptbahnhofs. Die 31-jährige Mutter von drei Kindern ist dort Seelsorgerin, Sozialarbeiterin und engagiert sich besonders für Mädchen und Frauen.
Vor dem Dom nimmt ihre Anwesenheit den muslimischen Grundschulkindern ganz einfach die Angst vor dem christlichen Gotteshaus. " Du bist Muslimin?", fragen manche nach. Dua Zeitun bejaht. " Ich auch", sagt dann das Kind und geht wie selbstverständlich mit ihr zusammen hinein.
Die Gemeinsamkeiten betonen und darauf aufmerksam machen, was ähnlich ist in einer christlichen Kirche und einer Moschee - das ist das grundlegende Prinzip der christlich-muslimischen Domführungen. Die Kinder erkennen, was sie verbindet. Zum Beispiel das Wasser: In der Nische des Doms mit dem großen Taufbecken stehen die 18 Kinder dicht gedrängt. Vier von ihnen sind muslimisch, die anderen 14 sind evangelisch oder katholisch. Ohne Unterschied berühren ihre kleinen Hände das mächtige bronzene Becken und betatschen die drei Löwenfüße, auf denen es steht. Wasser, so erläutert Jessica Löscher, gebe es hier bei der Taufe und am Eingang als Weihwasser. " Wasser gibt es auch in einer Moschee", erklärt nun Dua Zeitun, es werde ähnlich verwendet wie Weihwasser in der Kirche. " Weiß jemand, wo man sich damit berührt?", fragt sie die Kinder. Da schnellt der kleine Zeigefinger von Azra Adanir hoch: " Hände, Mund, Nase, Gesicht, Arme bis Ellbogen, über die Haare streichen, zuletzt die Füße." Die Siebenjährige ist stolz, als Dua Zeitun sie bestätigt und erklärt: " Ja, das ist keine wirklich körperliche, sondern eine rituelle Waschung mit der man sich seelisch aufs Gebet vorbereitet."
Ortswechsel. Zu Fuß kommen die Zweitklässler, ihre Lehrerin und die beiden Führerinnen zur Moschee am Goethering. Hier erwartet sie Abdul-Jalil Zeitun, Vorsteher der Gemeinde, Imam der Moschee und Vater von Dua Zeitun. Er begrüßt die Kinder sehr herzlich, alle ziehen brav ihre Schuhe aus, und ab geht' s - in den angenehm beheizten, mit Teppich ausgelegten Gebetsraum. Leger setzt man sich auf den Boden vor der Gebetsnische, einige Kinder legen sich nach dem Fußmarsch bäuchlings auf den Teppich.
" Was ist eine Moschee?", fragen Vater und Tochter Zeitun. " Eine Kirche!", tönt es von den Kindern zurück. Nein, da schütteln die beiden bedauernd den Kopf, damit sind sie nicht einverstanden. " Ein Gotteshaus!", schlägt ein Kind vor. " Ja, ein Gotteshaus!" Dua Zeitun lächelt, und ihr Vater betont: " Eine Kirche ist ein Gotteshaus, eine Moschee ist ein Gotteshaus, eine Synagoge ist ein Gotteshaus."
Aber die Kinder sollen auch die Unterschiede in den religiösen Riten und Gewohnheiten wahrnehmen und verstehen. " In den Dom seid ihr mit Schuhen reingegangen. Hier müsst ihr sie ausziehen. Warum?", fragt Dua Zeitun. " Weil hier ein Teppich ist!", das ist klar für Marie Dreyer, die sonst mit ihren Eltern in die Katharinenkirche geht. " Ja, weil man beim Gebet den Kopf zum Boden neigt", ergänzt Dua Zeitun. " Wenn der Teppich dreckig wäre, das wäre ja ekelhaft!", angewidert schüttelt sich die kleine Marie bei diesem Gedanken.
Die Begegnung in der Moschee ist offen, unkompliziert und macht neugierig. Die Kinder dürfen sich zusammen in die Gebetsnische drücken, einige wagen sogar, ins Mikrofon zu tönen. Daneben steht wohlwollend der Imam und lacht. Als deutlich wird, dass die Kinder für " die fünf Säulen des Islam" an diesem ungewöhnlichen Schulmorgen nicht mehr aufnahmefähig sind, wird das Programm einfach abgekürzt. Alle stürmen eine Treppe höher: Da stehen auf einem großen Tisch für sie Schokowaffeln, Kekse und Saft.
Den Kindern gefällt es sehr gut in der Moschee. " Weil wir hier zu essen und zu trinken bekommen", sind sie sich einig. Auch ihre Lehrerin ist sichtlich zufrieden mit diesem Unterricht, und die beiden Frauen, die durch den Dom und die Moschee führten, sind erschöpft, aber glücklich. Drei- bis viermal pro Monat leiten sie mittlerweile diese vom Bistum finanzierten Führungen, und jedes Mal erleben sie, dass belastende Ängste abgebaut werden und stattdessen bei den Kindern Freude und Wissbegierde aufkommen. " Man ist mit einem Lächeln, man ist seelisch dabei", sagt Dua Zeitun. Das spüren die Kinder der zweiten Grundschulkasse und erleben ein achtsames, von gegenseitigem Respekt geprägtes religiöses Miteinander.
Sie haben es gesehen und gehört, berührt und geschmeckt - der Dom und die Moschee sind in ihrer Stadt, das Christentum und der Islam gehören zu Osnabrück.
Autor:
Gunhild Seyfert


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