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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
"Atomkraft ist eine ziemlich dumme Idee"
Zwischenüberschrift:
Stefan Wilker ist einer von Zigtausenden, die morgen im Wendland gegen den Castor demonstrieren
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Vom warmen Café in die nebeligen Niederungen des Wendlandes: Sozialarbeiter Stefan Wilker fährt mit zur Großkundgebung. Foto: Anne Diekhoff
Osnabrück. Morgen geht' s ins Wendland. Mindestens 30 000 Menschen werden dort erwartet, die zumindest eins gemeinsam haben - sie sind gegen den Castor-Transport nach Gorleben. Er wird einer von ihnen sein: Stefan Wilker, 55 Jahre alt, Sozialarbeiter, Osnabrücker.

Von Anne Diekhoff - Die dunklen Haare trägt er recht lang und mit ein paar grauen dazwischen. Er trinkt Latte macchiato und erzählt, warum er - zusammen mit 140 anderen - nach Dannenberg fährt. Zur vermutlich größten Anti-Atomkraft-Demo, die das Wendland je gesehen hat. Vielleicht treffen sich dort sogar 50 000, die Schätzungen schwanken. Auch die Polizei geht davon aus, dass diese Kundgebung gegen den Castor - und gegen Atomkraft überhaupt - wirklich groß wird.
Stefan Wilker wundert' s nicht. Er hat die Osnabrücker Sammelbusse nach Dannenberg mit organisiert und weiß, dass jetzt auch Menschen ins Wendland fahren, die vor 20 Jahren zum letzten Mal auf einer Anti-Atomkraft-Demo waren. " Viele von denen fühlen sich veräppelt", sagt er. " Sie waren vielleicht nicht ganz zufrieden mit dem Tempo des rot-grünen Atomausstiegs. Aber sie dachten doch, dass das Thema vom Tisch wäre." Jetzt kommt der Ausstieg aus dem Ausstieg - das sei für viele ein Auslöser, wieder auf die Straße zu gehen.
Aber auch Schüler sitzen mit in den drei Bussen - als Gorleben zum Inbegriff für die Anti-Atomkraft-Proteste wurde, waren sie noch gar nicht auf der Welt. Alte Demo-Hasen und Protest-Neulinge machen sich gemeinsam auf den Weg. Wilker freut sich über die jungen Teilnehmer. So viele wie für den Gorleben-Protest sieht er sonst selten bei politischen Aktionen. " Vielleicht treibt sie ein Bauchgefühl an: Dass die Älteren ihnen etwas hinterlassen, was ein echtes Problem für sie sein wird", überlegt er. Und: Ja, es sei wahrscheinlich, dass manche auch einen speziellen Reiz darin sehen, nach Gorleben zu fahren. Dass sie es aufregend finden.
Wilker ist selbst ein erfahrener Demonstrant. Zuletzt war er in Berlin, am 18. September, ebenfalls mit ein paar Bussen voller Osnabrücker, ebenfalls von ihm mitorganisiert. Und da hat er den Blick auf die vielen Gleichgesinnten genossen - bis zu 100 000 sollen es gewesen sein, die Anti-Atomkraft-Fahnen schwenkten. " Das war vom Gefühl her schon schön", sagt er. Aber deshalb geht er nicht demonstrieren: " Es ist mir selbst ein Anliegen. Ich bin überzeugt, dass die Atomkraft eine ziemlich dumme Idee ist." Er lächelt, um die Untertreibung zu verdeutlichen.
Es sind gute Zeiten für Menschen wie ihn. Menschen, die sich ihr Leben lang engagiert haben für das, was ihnen wichtig ist. Weil es dafür im Moment einen " breiten Resonanzboden" gibt, wie Wilker es nennt. Beim Thema Atom sieht er sogar konkrete Erfolgsaussichten: Der " Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg" sei möglich, weil so viele gegen Atomkraft seien. Wenn SPD und Grüne nach der nächsten Wahl wieder die Macht hätten, könnte es etwas werden. " Es geht darum, die Stimmung so zu halten, dass die sich dann nicht rausreden können."
Diese Erfolgsaussicht ist eine Motivation für ihn. Aber nicht die wichtigste. Es geht Wilker nicht mehr um zählbare Ergebnisse - auch ohne sie macht er weiter. " Ich will einfach nicht das Gefühl haben: Du lässt unheimlich viel passieren und tust nichts dagegen."
Wilker engagiert sich bei Attac, von da aus in der Osnabrücker Klimaallianz - und von da aus wiederum in dem Aktionsbündnis, das jetzt die Fahrt ins Wendland geplant hat. Grüne, Linke und Piratenpartei gehören dazu. Nicht selbstverständlich, diese Zusammenarbeit. Aber der Protest gegen Atomkraft eint: " Wir sind da ganz vorbehaltlos, wer mitmacht, macht mit."
Andere Menschen haben Hobbys, Wilker tut, was er tun muss. Sitzblockaden gehören übrigens nicht dazu. " Ich finde Blockadeaktionen aber angemessen und legitim", sagt er. Wenn die Grenze zur Gewalt nicht überschritten werde, zumindest. Unter den 140 Busreisenden aus Osnabrück sind einige, die nicht am Abend nach der Demo zurückfahren werden. Sie wollen da bleiben, Blockaden und andere Aktionen mitmachen. Sie wollen es dem Castor schwer machen, jeder auf seine Weise. Wenn Polizei und Blockadesitzer aufeinandertreffen, wird Stefan Wilker schon wieder auf dem Weg nach Hause sein. Er wird getan haben, was er tun musste, wie immer.
Autor:
Anne Diekhoff


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