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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
"Wie eine Sauna ohne Ofen"
Zwischenüberschrift:
Pistorius über Chancen und Grenzen der Stadtentwicklung
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Stellen Sie sich vor, Sie haben ein marodes Haus geerbt und nur 100 000 Euro für die Sanierung zur Verfügung. Reparieren Sie zuerst das löchrige Dach, oder schaffen Sie sich eine schöne Sauna an? So beschreibt Oberbürgermeister Boris Pistorius die Lage der Stadt in unserem Sommerinterview. Er bereitet die Bürger auf Einschnitte im Service vor, räumt Fehler beim Projektmanagement in der Kultur ein und erklärt die strategischen Ziele der Stadt.
Von Wilfried Hinrichs - Sagen Sie mal, Herr Pistorius, Wulff oder Gauck - wen würden Sie wählen?
(lächelnd) Ich bedaure sehr, dass ich nicht Mitglied der Bundesversammlung bin . . .
Schade, dass Sie nicht mehr dazu sagen wollen. Dann reden wir über Dinge, die Sie beeinflussen können. Sie müssen 2, 5 Millionen Euro in den nächsten beiden Jahren an Personalkosten sparen. Diese Woche haben Sie im Verwaltungsvorstand einen ganzen Tagüber Aufgabenkritik und Personalkosten beraten. Was kommt da auf uns zu?
Wir sind noch nicht am Ende der Beratungen. Vieles wird geprüft. Die Ergebnisse möchte ich aber erst vorstellen, wenn wir das Paket geschnürt haben. Ich wäre schlecht beraten, wenn ich schon jetzt über etwas reden würde, was noch nicht spruchreif ist.
Wie gehen Sie bei der Aufgabenkritik vor?
An den Gesprächen nehmen der Verwaltungsvorstand und die Fachbereichsleiter teil. Wir sind so etwa 20 Personen. Es geht nicht darum, Giftlisten aufzustellen oder ein Streichkonzert zu veranstalten. Wir fragen im ersten Schritt: Welche Arbeitsbereiche sind unerlässlich, um unsere strategischen Ziele zu erreichen? Wir fragen aber auch, auf welche Aufgaben die Stadt verzichten kann, ohne ihre Zukunftsfähigkeit zu gefährden. Da bleibt dann nur ein schmaler Grat: Wir wollen die Stadt einerseits nicht kaputtsparen, wir wollen sie aber andererseits auch nicht wegen Überschuldung völlig handlungsunfähig machen.
Es sind die Ziele, die Sie im Frühjahr vorgestellt haben.
Ja genau: die sieben Ziele der Stadtverwaltung. Der Bildungsbereich gehört dazu, die Milderung der Kinderarmut, die Entwicklung des Wissenschaftsparks, um nur einige zu nennen. Dazu kommen die ständigen Aufgaben, die eine Stadtverwaltung ohnehin zu bewältigen hat . . .
Zum Beispiel?
Der Umweltschutz zum Beispiel. Im zweiten Schritt sehen wir uns die einzelnen Produkte an und stellen uns die Frage: Brauchen wir das Produkt so in dieser Form? Oder geht es anders? Ist es entbehrlich? Welche Wirkungen hätten Veränderungen auf die Personal- und Sachkosten?
Was ist ein Produkt - das Ausstellen eines Führerscheins?
Ja, so ungefähr muss man sich das vorstellen: Wir nennen die städtischen Dienstleistungen Produkte. Aber bleiben wir bei dem Beispiel: Wenn das Ausstellen eines Führerscheins jetzt zwei Wochen dauert - ich weiß nicht, ob das stimmt, das ist nur ein Beispiel - dann könnte man fragen, ob eine Verlängerung der Bearbeitungszeit für die Bürger zumutbar ist, wenn die Stadt dadurch zugleich Personalkosten spart.
Das wird heiße Debatten im Rat geben.
Das wird die Kernaufgabe bei der Aufstellung des Doppelhaushaltes für 2011 und 2012 sein. Wir werden zu jedem einzelnen Punkt dem Rat einen Beschlussvorschlag vorlegen. Der Rat muss dann Farbe bekennen. Diese pauschale Kürzung von 2, 5 Millionen Euro Personalkosten ist ja schnell entschieden. Aber die konkreten Entscheidungen haben Folgen, spürbare Folgen auch für die Bürger. Und der Rat muss entscheiden, welche Leistung für die Bürger verringert oder abgeschafft wird.
Wann wissen wir, welche Dinge künftig länger dauern und ob Öffnungszeiten gekappt werden?
Am 18. August ist die nächste Runde. Danach gehen wir im Verwaltungsvorstand noch mal durch die Listen. Das wird dann die Grundlage für den Haushaltsentwurf. Und dann bin ich gespannt auf die Beratungen und Entscheidungen des Rates.
Ein anderes Thema: 2012 findet das Landesturnfest in Osnabrück statt. Es gab zuletzt Diskussionen ums Geld. Ist die Finanzierung gesichert?
Ja, die Finanzierung steht. Die Stadt gibt einen Zuschuss von 135 000 Euro. Hinzu kommen Sachleistungen wie Ausstattung einer Geschäftsstelle und Reinigung, die die Stadt für das Fest übernimmt.
Und Sie sind sicher, dass es nicht teurer wird für die Stadt?
Ja. Das ist ganz klar gedeckelt. Wir sind nicht Veranstalter.
Wer trägt die Verantwortung für das 270 000-Euro-Defizit bei der Ausstellung " Die verborgene Spur"?
Die Idee entstand schon 2005, da lagen auch erste Schätzungen über Besucherzahlen vor. Die Zahl 50 000 wurde genannt. Danach gab es keinerlei Meldungen über irgendwelche finanziellen Lücken. Erst am 8. Juli 2008 hat der Rat einstimmig zusätzlich 80 000 Euro bewilligen müssen - acht Tage nach dem Dienstende des damals zuständigen Verwaltungsvorstandes (Anmerkung: Reinhard Sliwka). Zum Zeitpunkt des Ratsbeschlusses am 8. Juli waren die Vorbereitungen so gut wie abgeschlossen. Das Defizit entstand unter anderem durch höhere Transportkosten, verursacht durch Sonderwünsche der Verleiher. Und es gab Absprachen mit anderen Museen, aus die wir nicht einfach aussteigen konnten. Außerdem haben wir leider die erwartete Besucherzahl nicht erreicht.
Wo lag der Fehler?
Es hat keinen Projektmanager gegeben und kein Projektcontrolling. Deshalb fällt die Verantwortung auf die Leitung des Hauses und auf die des Fachbereichs zurück. Wir haben im vergangenen Jahr schon Konsequenzen gezogen und ein Verfahren für Veranstaltungen entwickelt. Bei Großereignissen findet das Controlling in Zukunft durch die Finanz abteilung statt. Ein Projekt muss wasserdicht sein, bevor es überhaupt in die Fach ausschüsse zur Beratung geht. Ich schließe aus, dass so etwas noch einmal passiert.
Was stehen Sie zur Drei-Religionen-Schule in der Johannisschule?
Die erste Idee war, eine ökumenische Schule einzurichten. Daraus ist dann leider nichts geworden. Das Miteinander der Religionen ist ja nicht neu. Das praktizieren alle öffentlichen Schulen jeden Tag. Für die Johannisschule liegen bisher zwei Modelle vor, die diskutiert werden müssen und nach der Sommerpause im Schulausschuss öffentlich vorgestellt werden sollen.
Sie wollen nicht bei der Bildung sparen und geben die Stadtteilbibliotheken auf. Wie passt das zusammen?
Das passt schon. Es wird immer Bibliothek mit Bildung gleichgesetzt, aber so einfach ist es doch nicht. Es geht darum, Zugang für alle zu Büchern und Medien zu schaffen. Niemand schließt gern Bibliotheken, das ist klar, aber beim Sparen behalten wir das Ziel im Blick. Das heißt: Können wir auf anderem Weg das Ziel gleich gut oder besser und mit weniger Kosten erreichen? Und das erreichen wir mit dem neuen Modell, in dem wir die Schulen, Kitas und Jugendzentren einbinden und erstmals eine flächendeckende Versorgung mit Büchern und Medien in allen Stadtteilen schaffen. Die starren Kostenstrukturen sind aufgebrochen.
Werden Sie in dieser Wahlperiode einen neuen Anlauf für die Westumgehung, pardon - die Entlastungsstraße West unternehmen?
Nein, das hat keinen Zweck. SPD und CDU haben sich dazu bekannt, und ich gehe davon aus, dass sie sich in ihren Wahlprogrammen auch entsprechend klar dazu äußern. Die Straße ist notwendig und erträglich, davon bin ich überzeugt und deswegen wird sie in der nächsten Wahlperiode kommen.
Damit wären wir beim Thema Konversion. Was tut sich in den Kasernen?
Das Innovationszentrum, das wir Montag in der Scharnhorstkaserne eröffnen, ist über 50 Prozent vermietet. Das zeigt, dass der Wissenschaftspark schon vor der Eröffnung eine gute Adresse ist. Die Winkelhausen-Kaserne am Hafen ist überwiegend vermarktet, wie Sie wissen. Ich habe die Entwürfe von Kaffee-Partner gesehen, das sieht wirklich sehr gut aus.
Was ist am Limberg?
Wir sind im Gespräch mit einem Unternehmen, das Interesse hat. Der Name ist aber noch tabu.
Ist es ein Unternehmen von außerhalb?
Auch diese Frage beantworte ich nicht.
Wissen Sie, wie viel Geld die Stadt jährlich für die Neuanschaffung von Sportgeräten in den etwa 20 städtischen Turnhallen ausgibt?
Ja, so ungefähr 3000 Euro. Das ist nicht viel. Wir verfügen inzwischen über einige moderne Hallen und lassen die Kinder mit Geräten aus den 60er-Jahren Sport treiben. Das ist ein Punkt, über den wir nachdenken müssen.
Tut die Stadt genug für den Sport?
Wir haben den Sport vor weiteren Kürzungen verschont, und das sollte nach meiner Überzeugung auch so bleiben. Allerdings wird kein Bereich sagen, dass die Stadt genug für ihn tut. Aber so darf man auch nicht an die Sache herangehen. Wir haben einen neuen Prozess angestoßen, indem wir die strategischen Ziele definiert haben. Daran richten wir unsere Arbeit aus, dadurch können wir klare Prioritäten setzen. Ich vergleiche die Situation der Stadt gern mit der Lage eines Menschen, der ein baufälliges Haus geerbt hat. 100 000 Euro stellt ihm die Bank für die Sanierung zur Verfügung. Der Hausbesitzer macht eine Liste, was alles zu tun wäre: Der Keller ist feucht, das Dach undicht, Schimmelpilz wuchert, eine Sauna, wäre gut, ein Pool, eine Hundehütte mit Auslauf im Garten. Wenn ich das Wichtigste anpacke, um die Zukunft des Hauses zu sichern - also das Dach abdichten und den Keller sanieren - sind schon 80 000 Euro weg. Die restlichen 20 000 Euro? Die kann ich auf alle anderen Projekte gleichmäßig verteilen. So bekomme ich aber nichts richtig fertig: Die Sauna hat keinen Ofen, der Pool ist nur ein Loch im Rasen. Also muss ich auch hier noch Prioritäten setzen und mich entscheiden.
Das ist richtig, aber das weiß doch jeder, dass es so nicht geht.
Aber so denkt die Öffentlichkeit nicht, wenn es um öffentliche Gelder geht. Bei den oft dreistelligen Millionensummen überschaut das auch keiner mehr. Das sind Summen, mit denen keiner sonst im Alltag umgeht. Und wenn dann jeder zuerst seine Lieblingsprojekte sieht - siehe Sauna oder Pool - heißt es schnell: Man kann doch da oder dort ein bisschen wegnehmen und auf dieses Projekt übertragen, das ja so wichtig und schön für die Stadt ist. Aber so bleibt das Haus eine Ruine. Ich weiß, dass dieser Vergleich nicht vollständig auf eine Stadt zu übertragen ist. Aber er verdeutlicht doch immerhin, dass wir nicht mehr alles zugleich machen können. Wir müssen entscheiden, was uns heute so wichtig ist, dass wir dafür bereit sind, Kredite aufzunehmen, die unsere Kinder dann irgendwann zurückzahlen müssen.
Nächster Interviewpartner: Frank Henning (SPD)

Sagen Sie mal . . .
Die Politik macht Sommerpause. Gut ein Jahr vor der nächsten Kommunalwahl nutzen wir die ruhige Zeit zu ausführlichen Gesprächen mit dem Oberbürgermeister und den Fraktionsvorsitzenden im Rat.


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