User Online: 2 | Timeout: 06:25Uhr ⟳ | Ihre Anmerkungen | NUSO-Archiv | Info | Auswahl | Ende | AAA  Mobil →
NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Datensätze des Ergebnis
Suche: Auswahl zeigen
Treffer:1
Sortierungen:
Anfang der Liste Ende der Liste
1. 
(Korrektur)Anmerkung zu einem Zeitungsartikel per email Dieses Objekt in Ihre Merkliste aufnehmen (Cookies erlauben!)
Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Ein Radler in der Höhle des Löwen
Zwischenüberschrift:
Wenn die Radwege zugeparkt sind: Missionstour durch die ausländischen Clubs
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Wenn der Radweg ständig zugeparkt ist, hilft das OS-Team. Aber nicht im entscheidenden Augenblick. Und wenn die Autos Männern mit Migrationshintergrund gehören? Männern, in deren Ländern das Fahrrad allenfalls als Fortbewegungsmittel für Weicheier gilt? Wolfgang Seyfert hat tapfer Überzeugungsarbeit geleistet. Ohne dass ihm dabei Prügel angeboten wurden.
Der 58-jährige Radler ist kürzlich böse gestürzt. Auf dem Radweg an der Iburger Straße stand ein Seat, da musste der Professor für Betriebswirtschaft auf die Fahrbahn ausweichen. Als er wieder auf den Radweg wollte, rutschte das Vorderrad ab. Mit Schwung ging der Pechvogel über den Lenker, zog sich Prellungen zu, eine Schürfwunde und etliche blaue Flecken. Ja, es tut immer noch weh, sagt er.
Wolfgang Seyfert ärgert sich darüber, dass schon wieder jeden Tag Autos auf dem Radweg stehen. Autos, von deren Fahrern er wenig Verständnis erwartet. Weil er auch schon mal mitbekommen hat, dass Radfahrer auf dem Balkan oder in der Türkei als potenzielle Selbstmörder angesehen werden. Aber deshalb resignieren?
Als Kämpfer für die gute Sache hat der FH-Professor ein Flugblatt getippt. " Bitte parkt besser!" steht darauf, in Deutsch oder Türkisch. Darunter ist das Foto vom blockierten Radweg zu sehen. Jetzt wagt er sich in die Höhle des Löwen, eine türkische Teestube, in der eine Frau mit Kopftuch zuckersüße Backwaren serviert. Für das Flugblatt muss der Chef gerufen werden, zum Gespräch unter Männern. Wolfgang Seyfert holt weit aus, erzählt von seinem Unfall, hält ein Plädoyer.
Das ist gar nicht nötig, der Inhaber zeigt sich verständnisvoll und will nur wissen, ob er das Blatt von innen oder außen an die Tür heften soll. Die deutsche oder türkische Variante? Ganz klar die deutsche: " Die Älteren, die nur Türkisch sprechen, fahren nicht Auto!"
Im Club nebenan sollen sich die Hardcore-Autofahrer treffen. " Neustädter Krug" steht dran, die Kosovo-Albaner sind drin. Ob die etwas für Radfahrer übrig haben? Todesmutig geht Wolfgang Seyfert hinein, sofort ist er von fünf interessierten Männern umringt. Etwas schneller als beim ersten Versuch kommt der Professor auf den Punkt, das Distanz einflößende " Sie" schenkt er sich gleich.
Aufmerksam hören ihm die Clubgäste zu, noch aufmerksamer schauen sie sich das Foto mit dem falsch geparkten Seat an. Wer das wohl ist? Kennen wir den? Darum geht es Wolfgang Seyfert gar nicht. Er kommt aufs Fahrradfahren zu sprechen, auf seinen Unfall, und dass Autos nicht auf den Radweg gehören. " Kein Problem!", tönt es ihm fünffach entgegen. Einer der Kosovo-Albaner entschuldigt sich sogar, obwohl es gar nicht sein Auto war, das Seyfert zum Verhängnis geworden ist. Soviel Einfühlsamkeit hat er gar nicht erwartet. Und das Flugblatt wird natürlich aufgehängt.
Ähnliche Szenen spielen sich bei Seyferts Missionstour im Club Europa ab, in dem " Jugoslawen und andere" versammelt sind, wie es der Inhaber ausdrückt: " Wir sind international!"
Wolfgang Seyfert hat inzwischen den Bogen raus, wie er die Multikulti-Jungs anspricht. " Das ist scheißgefährlich!", agitiert er. Und erntet allgemeine Zustimmung bei den Männern. So läuft er überall offene Türen ein, jedenfalls da, wo nicht ganz so perfekt Deutsch gesprochen wird.
Nebenan im Handy-Shop fällt die Reaktion etwas differenzierter aus verständnisvoll und skeptisch zugleich. " Das können wir gerne aufhängen", sagt der junge Inhaber in akzentfreiem Deutsch, " aber das bringt nichts!" Warum nicht? Weil es an der Iburger Straße zu wenig Parkplätze gebe, und weil die Leute lange Wege scheuten. Auch die Radfahrer bekommen ihr Fett weg. Manche verhielten sich ausgesprochen aggressiv, sagt ein jugendlicher Kunde, viele schimpften auf die Ausländer.
Da flammt er auf, der Konflikt, den Wolfgang Seyfert politisch korrekt umschiffen wollte. Draußen parkt ein dicker Audi mitten auf dem Radweg. Eigentlich ein gefundenes Fressen für den aufrechten Fahrrad-Protagonisten. Die Antwort kommt prompt: Er zahle 500 Euro Kfz-Steuer im Jahr, verteidigt sich der türkischstämmige Falschparker. Mit dem Geld solle die Stadt doch erst einmal Parkplätze bauen.

Bildtext: Offene Türen eingerannt: Wolfgang Seyfert (im pinkfarbenen Pullover) wirbt im Club Europa dafür, dass die Autofahrer nicht auf dem Radweg an der Iburger Straße parken. Überall stieß er auf unerwartetes Verständnis. Foto: Lahmann-Lammert
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert


Anfang der Liste Ende der Liste