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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Jetzt weiß die Stadt, was sie wert ist
Zwischenüberschrift:
Die Eröffnungsbilanz: Osnabrück ist durchaus vermögend
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Von Wilfried Hinrichs Osnabrück. Denken wir das Undenkbare. Der Multimilliardär Roman Abramowicz hat sich in den Kopf gesetzt, eine schöne, alte deutsche Stadt zu kaufen. Osnabrück zum Beispiel. Mit allen Straßen, Bäumen, Schulen und dem Rathaus natürlich. Wie viel Geld müsste er dafür in die Hand nehmen?
Von Wilfried Hinrichs
Osnabrück. 1 019 173 351 Euro. In Worten: gut eine Milliarde. Für den superreichen Russen gewiss keine unerschwingliche Summe. Zum ersten Mal in ihrer langen Geschichte kann die Stadt Osnabrück ziemlich genau sagen, was sie wert ist. Wir dürfen mit innerer Ruhe zur Kenntnis nehmen, dass die Stadt trotz chronisch roter Zahlen keineswegs verarmt oder überschuldet ist. Abzüglich der Schulden bleibt ein " Basis-Reinvermögen", bei einem Unternehmen wäre es das Eigenkapital, von 490 Millionen Euro. Würde das an alle Einwohner der Stadt gleichmäßig verteilt, erhielte jeder 3004 Euro und 32 Cent.

Die neue Buchführung: Was soll der ganze Aufwand?
Das neue Denken im Rathaus macht solche Rechenspiele möglich. Es ist von oben verordnet. Die Kommunen müssen auf die " Doppelte Buchführung in Konten", kurz: Doppik, umsteigen. Damit übernimmt die öffentliche Hand die Prinzipien der kaufmännischen Buchführung, sie wird wie ein Unternehmen eine Jahresbilanz aufstellen und eine Gewinn-und-Verlust-Rechnung (" Ergebnisrechnung") ausweisen.
Bislang führten die Kommunen die Bücher nach der Kameralistik (aus dem Lateinischen: camera, wörtlich Zimmer, gemeint ist die fürstliche Schatztruhe). Die Kameralistik ist in einem privaten Haushalt gang und gäbe. Wir rechnen doch fast alle so: Was kommt im Monat rein, wie viel können wir ausgeben? Wer hält schon exakt nach, wie viel für die Abnutzung des Autos, des Heizungskessels, des Staubsaugers oder der Teppiche jeden Monat zurückgelegt werden müsste?
Darin steckt der Gewinn des neuen Rechnens. Erstmals werden die Abschreibungen, also die Abnutzung von öffentlichen Gebäuden und Geräten, sichtbar. Die Bilanz offenbart den Werteverzehr und zeigt an, ob und in welchem Umfang die Stadt von ihrer Substanz lebt. Jetzt kann die Stadt nicht mehr sparen, indem sie einfach die Unterhaltung von Straßen oder Gebäuden vernachlässigt.

Alle Bäume und Blumen sind 24, 6 Millionen wert: Wer hat das ausgerechnet?
In den vergangenen zwei Jahren hat das Doppik-Team der Verwaltung jeden Stein in der Stadt umgedreht und seinen Wert ermittelt, um eine Eröffnungsbilanz erstellen zu können. Sie liegt seit dieser Woche vor. Ein " historischer Meilenstein für die Finanzwirtschaft der Stadt Osnabrück " – so hat Finanzchef Horst Baier die Bilanz überschrieben.
Jetzt liegen alle Werte auf dem Tisch der des Eisenmeteoriten im Magazin des Naturkundemuseums ebenso wie der der " Waschfrau" von Hans-Gerd Ruwe am Vitihof. Wir wissen jetzt, dass das historische Rathaus 3, 7 Millionen Euro wert ist. Das hat ein Wertgutachten ergeben, erstellt nach gängigen Kriterien der Immobilienbranche. Und wir wissen, dass alle Bäume, Blumen und Sträucher auf öffentlichem Boden in der Stadt zusammen 24, 6 Millionen Euro wert sind, obwohl niemand weiß, wie viele Bäume es in der Stadt gibt. Wie funktioniert das?
Bei der Bewertung konnte das Doppik-Team in der Regel auf Vorgaben der niedersächsischen Landesregierung zurückgreifen. Beispiel Grünanlagen: Ihr Wert setzt sich zusammen aus dem Grundstückswert und dem Wert des Aufwuchses. Der Grundstückswert richtet sich nach dem Bodenrichtwert. Aber, jetzt kommt′s: Grünflächen sind wie die Straßen und der Marktplatz im Prinzip unverkäuflich. Es ist " kommunalnutzungsorientiertes Vermögen". Deshalb dürfen in der Bilanz nur 25 Prozent des Bodenrichtwertes berücksichtigt werden. Ein Quadratmeter Marktplatz ist laut Bodenrichtwert 525 Euro wert. In der Bilanz (25 Prozent) stehen deshalb 131 Euro pro Quadratmeter.
Die Fachleute haben in Osnabrück 4, 1 Millionen Quadratmeter Grünanlagen, Wälder, Spiel- und Sportflächen ermittelt (wer es genau wissen will: 4 133 950m2 ). Der Wert des Bodens: 72, 2 Millionen Euro. Der Eigenbetrieb Grün hat nun nachgeschaut, auf welchen Flächen " ein zu bewertender Aufwuchs" vorhanden ist. Wege und andere befestigte Flächen wurden abgezogen, es blieben 3, 8 Millionen Quadratmeter übrig. Pro Quadratmeter setzen sie, entsprechend der Vorgabe des Landes, einen Richtwert von 6, 50 Euro ein. Macht zusammen 24 564 787 Euro für alles, was auf öffentlichen Flächen grünt und blüht.

Die " ewige Nutzung" der Kunst: Das macht sich gut in der Bilanz.
Bei Kunstgegenständen setzten die Bilanzierer den Ankaufspreis ein oder, wenn der Preis nicht mehr zu ermitteln war, einen geschätzten Zeitwert. Der Türgriff des Rathauses mit der Friedenstaube von Fritz Szalinski kostete 1963 rund 5000 Euro und hat einen Zeitwert von 10 000 Euro. Alle Kunstwerke, Brunnen und Denkmäler im öffentlichen Raum summieren sich auf einen Wert von 900 000 Euro. Die Arbeitsgruppe Doppik blickte sogar in die Asservatenkammer der Museen. Das Naturkundemuseum etwa verfügtüber einen Eisenmeteoriten, der bei Toluca in Mexiko gefunden wurde, satte 32, 5 Kilo wiegt und 1985 für 14 100 Mark (7218, 55 Euro) in den Besitz der Stadt überging. Das Gute an der Kunst: Der Wert bleibt, es gibt keine Abschreibung, weil das Bilanzrecht von einer " ewigen Nutzung" ausgeht.

Gute und schlechte Straßen: Jetzt ist alles erfasst.
In Osnabrück gibt es 760 Kilometer Straße mit über 8, 5 Millionen Quadratmeter Fläche. Das entspricht 787 Fußballfeldern. Experten haben sich jede Straße angeschaut, deren Zustand in einer achtteiligen Skala bewertet und die Restnutzungsdauer errechnet. Das Investitionsvolumen der letzten 25 Jahre wurde unter Beachtung des jeweiligen Zustandes auf die Straßen umgelegt. So ergibt sich zum Beispiel: Die Dielingerstraße ist 89 668, 29 Euro wert.

Die Eröffnungsbilanz: Was lässt sich daraus ablesen?
Das Sachvermögen macht gut die Hälfte des Gesamtvermögens von 1, 09 Milliarden Euro aus. Zum Sachvermögen gehören die unbebauten Grundstücke, Kunstgegenstände, Maschinen und vor allem das Infrastrukturvermögen von 363 Millionen Euro (Straßen und Brücken). 398 Millionen umfasst das Finanzvermögen. Darin verbergen sich die Anteile an den städtischen Tochtergesellschaften. Der Eigenbetrieb Immobilien ist mit 202 Millionen verbucht (darin sind alle öffentlichen Gebäude enthalten). An zweiter Stelle stehen die Stadtwerke mit 49 Millionen, es folgen die OPG (Parkgesellschaft) mit 16 Millionen, das Klinikum mit elf und der Abfallwirtschaftsbetrieb mit 8, 5 Millionen. Die Schulden der Gesellschaften sind jeweils abgezogen.
Die Schulden der Stadt belaufen sich auf 201 Millionen Euro. Sie beinhalten die langfristigen Verbindlichkeiten für Investitionen (71 Mio.) und den Überziehungskredit (89 Mio.)
Neu ist für die Stadt, dass sie mit den Rückstellungen für Pensionen zum ersten Mal darlegen kann, wie viel Geld an die Ruheständler geht. Das ist für die langfristige Personal- und Finanzplanung wichtig. Denn weil es weder Rückstellungen noch Pensionsfonds gibt, müssen die Gelder Monat für Monat aus dem laufenden Geschäft bezahlt werden. Das heißt: aus Krediten.
Vermögen minus Schulden ergibt das Reinvermögen von 568 Millionen Euro. Davon muss das Haushaltsdefizit abgezogen werden, das sich in den letzten Jahren angesammelt hat. Daraus ergibt sich das Basis-Reinvermögen , der wichtigste Wert der Bilanz für die politische Steuerung: 490 532 927 Euro. Wenn am Ende des Jahres dieser Wert gesunken ist, hat die Stadt Vermögen verbraucht und von ihrer Substanz gelebt. Das kann sie sich nicht lange erlauben. Die Politik muss umsteuern.

Kaufmännische Buchführung: Will die Stadt jetzt auch Gewinne machen?
Eine gute Rendite zu erzielen ist nicht Aufgabe einer Kommune. Sie soll die Leistung öffentlicher Aufgaben unter wirtschaftlichem Einsatz ihres Vermögens sicherstellen. Dennoch: Wenn die Einnahmen die laufenden Kosten übersteigen, bleibt am Ende des Jahres etwas übrig, das sie investieren kann, um das Vermögen zum Wohle der Bürger zu mehren.
Ein Roman Abramowicz wird sich vor dem Kauf einer Firma die letzten Jahresabschlüsse und vor allem die Aussichten für die nächsten Jahre ansehen. Osnabrück hat von den letzten 14 Jahren zehn mit einem Minus abgeschlossen. Am schlimmsten war es 2004 mit 41 Millionen Euro im roten Bereich. Nächstes Jahr sollen es 50 Millionen Miese werden.
An diesen Aussichten ändert auch die Doppik nichts.


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