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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Wenn der Kirchturm zum Sicherheitsrisiko wird
Zwischenüberschrift:
Restauratoren bewältigen an St. Katharinen eine Mammutaufgabe
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Es gibt viel zu tun, und die Zeit drängt. Osnabrücks höchster Kirchturm muss dringend saniert werden. Bereits seit Ende Mai sind die Süd- und Ostflanke des mittelalterlichen Turms bis zur Dachrinne eingerüstet. Im nächsten Jahr folgt die andere Seite. Die Restauration des Gotteshauses ist keine Schönheitsreparatur, sondern die Reaktion auf ein handfestes Sicherheitsproblem.
Denn immer häufiger haben sich in letzter Zeit Steinbrocken vom Turm gelöst und sind in die Tiefe gefallen. Der größte von ihnen hatte die Ausmaße eines Mobiltelefons. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn er einen arglosen Passanten am Kopf getroffen hätte.
Schuld an der Misere ist das Baumaterial. Der Kirchturm besteht wie viele andere historische Gebäude in Osnabrück aus Meller Schilfsandstein. Von Experten wird er auch als " Blätterteigstein" bezeichnet. Denn obwohl diese Gesteinsart über eine ausgesprochen harte Oberfläche verfügt, ist sie sehr anfällig für Frost und andere Witterungseinflüsse. " Der Stein arbeitet sich in Schichten zurück", sagt Detlef Abel vom Amt für Bau- und Kunstpflege der evangelischen Landeskirche. Ein weiteres Problem beschreibt sein Kollege Ralf Finkemeyer, der das Sanierungsprojekt als Bauleiter begleitet: " Meller Schilfsandstein lässt sich durch chemische Methoden nicht erfolgreich konservieren."
Die Konsequenz: Ähnlich wie ein Zahnarzt, der ein vernachlässigtes Gebiss mit Füllungen, Kronen und Implantaten Stück für Stück saniert, müssen die Experten der Restaurationsfirma Paetzke aus dem westfälischen Hörstel viele Einzelfallentscheidungen treffen: Einige Steine müssen komplett ersetzt werden. Andere erhalten eine mineralische Verschleißschicht.
Zurückgreifen kann das Restauratorenteam um die Diplom-Architektin Petra Hasselmann auf Erfahrungen mit anderen Sandsteingebäuden. Das nun auch an der Katharinenkirche angewendete Verfahren, die Oberfläche der schadhaften Steine mit mineralischen Schlämmen zu schützen, wurde bei der Sanierung der St.-Matthäus-Kirche in Melle ausführlich erprobt. Es hat sich als bislang beste Methode erwiesen, den " Blätterteigstein" zu stabilisieren.
Probleme bereiten den Fachleuten auch die Folgen einer weniger gelungenen Sanierungsaktion in den Siebzigerjahren. Seinerzeit wurden schadhafte Stellen mit regional verfügbaren Ibbenbürener Sandsteinen ausgebessert. Dieses Material passte aber weder von der Farbe noch von der Gefügestruktur zum vorhandenen mittelalterlichen Bestand. Teilweise wurde wohl auch aus Kostengründen zu dünnes Material eingesetzt. So entstanden Hohlräume in der Fassade, in die nach einiger Zeit durch defekte Fugen Regenwasser einsickerte. Vor allem bei frostigen Temperaturen wurde der Zersetzungsprozess der umliegenden Sandsteine dadurch noch verschärft.
Steine aus dem Baustoffhandel und Mörtel aus einem x-beliebigen Zentnersack solche Materialien kommen Hasselmann und Finkemeyer nicht auf die Baustelle. Als Ersatzmaterial werden Sandsteine aus Franken verwendet, die den Meller Steinen relativähnlich sind. Auch der Mörtel wird individuell angerührt. Bei Restaurationsarbeiten sei es sinnvoll und erforderlich, auf althergebrachte Methoden zurückzugreifen, sagt Finkemeyer. " Die Chemie hat große Versprechungen gemacht, die sie in vielen Fällen nicht halten konnte."
Alleine für den ersten Bauabschnitt hat die evangelische Landeskirche 350 000 Euro bereitgestellt. Weitere 50 000 Euro kommen vom Osnabrücker Kirchenkreis. Noch ist unklar, ob diese Beträge ausreichen oder ob noch einmal draufgesattelt werden muss. Für die 2010 anstehende Sanierung der Nord- und Westseite des Turmes müssen mindestens weitere 400 000 Euro veranschlagt werden. " Das ganze Projekt nähert sich stark der Millionengrenze", sagt Detlef Abel bedauernd. Aber angesichts der drohenden Gefahr durch absplitternde Steine haben die Verantwortlichen trotz chronisch leerer Kassen keine Wahl. " Ansonsten müssten wir den Turm abnetzen und Teile des Kirchplatzes sperren lassen", sagt Heiko Tilebein vom Kirchenvorstand St. Katharinen. Diese Verunstaltung einer der schönsten Kirchen der Stadt wünscht sich niemand.
Aber auch wenn die Sanierung 2010 wie geplant abgeschlossen werden kann, gilt die Entwarnung bestenfalls für die nächsten 20 Jahre. Denn der Schilfsandstein wird sich auch weiterhin Schicht für Schicht auflösen und auch die nächsten Generationen beschäftigen.
Denkmalpfleger Abel lässt keinen Raum für Illusionen: " Man wird den Turm auch in Zukunft im Auge behalten müssen."

Bildtext: Die rostigen Eisenanker, die die Ballustrade des Turmumgangs halten, werden von Petra Hasselmanns Team ausgetauscht.

Als Lückenfüller muss sich Ralf Finkemeyer betätigen. Teilweise werden völlig neue Steine eingesetzt, teilweise werden die alten mit mineralischen Schlämmen stabilisiert.

Auch der historischen Uhr am Kopf des Kirchturms sind die Spuren deutlich anzusehen, die der Zahn der Zeit hinterlassen hat.

Als Großbaustelle wird sich die Katharinenkirche noch lange Z eit präsentieren. Derzeit werden die Süd- und die Ostseite des Turmes restauriert.

Mit solchen Steinen wurde der Turm in den Siebzigerjahren provisorisch geflickt (linkes Foto). In diesen Hebellöchern war einst das Baugerüst verankert (rechtes Foto).

Fotos: Michael Hehmann

Autor:
Arne Köhler


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