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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Als das "Riesenweib" die Attraktion war
Zwischenüberschrift:
Jahrmärkte – eine Reise in die Vergangenheit mit Ansichtskarten
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Schnelle Fahrgeschäfte, Gewinnspiele und Leckereien: Gestern begann an der Halle Gartlage der Jahrmarkt. Das Fest hat in Osnabrück eine Tradition von mehr als 1200 Jahren. Wie es um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert auf dem Rummel zugegangen sein mag, vermitteln die Ansichtskarten aus der Sammlung von Helmut Riecken.
Texte von Marie-Luise Braun
Osnabrück. " Amanda, das Riesenweib, die stärkste Ringkämpferin der Welt" wartete an einer Bude auf kräftige Gegner, einige Zelte weiter konnten sich die Besucher vor den " Ungeheuern des Meeres" gruseln. So zeigt es eine Ansichtskarte, die am 27. Oktober 1887 von Osnabrück ins Oldenburgische Essen versendet wurde. Die preisgekrönte " Donna Elvira" wartete auf zahlende Gäste, und manch ein Besucher versuchte, auf einem Schwein zu reiten.
Hinweise auf Osnabrück wie Kirchtürme oder das Rathaus sind auf den Bildern nicht zu sehen. Lediglich der Aufdruck auf der Karte weist darauf hin, dass es sich um einen Gruß vom Jahrmarkt in der Hasestadt handelt. Zum Teil ist der Name der Stadt auch nur aufgestempelt. So waren die Karten damals ohne größere Kosten überall im deutschsprachigen Raum einsetzbar, wo eine Kirmes veranstaltet wurde.
Auch der " Electrisier-Automat" zählte einst zu den Attraktionen, an denen das Publikum seine Muskeln messen konnte. Andere versuchten, auf Schweinen zu reiten oder bei " Hau den Lukas" mit der Kraft zu spielen. Während diese Installation heute aus Nostalgie-Gründen auf mancher Kirmes aufgebaut wird, sind andere " Sehenswürdigkeiten" von einst glücklicherweise nicht mehr im Programm. Das gilt für die Zurschaustellung von Farbigen und Menschen mit körperlichen Abnormitäten, an deren Schicksal sich das Jahrmarktspublikum ergötzte.
Als die Ansichtskarten, die auf dieser Seite zu sehen sind, versendet wurden, wurde der Osnabrücker Jahrmarkt noch nicht an der Halle Gartlage gefeiert. Bis zum Zweiten Weltkrieg ließen die Kettenkarussells die Gäste auf der Großen Domsfreiheit und vor dem Rathaus durch die Luft fliegen, auch der Ledenhof ist unter den Veranstaltungsorten.
" Truppenbetreuung"
Während des Krieges fielen solcherlei Vergnügungen aus, und auch direkt nach seinem Ende durften keine Märkte in der Stadt abgehalten werden. Im Oktober 1946 lebte die Tradition aber wieder auf, zuerst getarnt als " Truppenbetreuung für die Besatzungsmacht". Ab 1949 ging es offiziell wieder los mit dem Budenzauber.
Bis 1954 feierten die Osnabrücker ihre Jahrmärkte in der Altstadt, dann wurden die Feste zum " Schwarzen Platz" verlegt, also dorthin, wo später das Niedersachsenbad errichtet worden war. 1961 drehten sich die Karussells schließlich wie heute an der Halle Gartlage. Das Volksfest zog immer mehr Gäste und Gaukler an, die Folge war starker Besucherverkehr, der in der Innenstadt für ordentliche Staus sorgte.
Gegen fremde Hausierer
Gern hätten es einige Osnabrücker gesehen, wenn der Jahrmarkt wieder in die Altstadt zurückgekehrt wäre, damit noch mehr Besucher den Weg zum Festplatz fanden. Diese Debatte führte dazu, dass der Jahrmarkt von fünf Tagen auf neun, später zehn verlängert wurde. Und so ist es bis heute.
Fremde Händler durften ursprünglich nur drei Tage lang ihre Waren in der Stadt anbieten. Das Reglement sollte den Handel und das Handwerk der Bürger schützen. Da um diese Regel häufig gestritten worden war, hatte Advokat Rudolf Abeken im Jahre 1769 ein " Mandat der Markreders" verfasst, das vier Markttage nannte. Zehn Jahre später erließ die Ratsversammlung im Oktober die erste gedruckte Version einer solchen Vereinbarung. Ihr Titel: " Verordnung [. . .] wegen des Handelns und Hausierens im Jahrmarkte."
Crispin und Crispinian
Die Tradition der Jahrmärkte reicht bis ins Mittelalter zurück. Eine Urkunde vom 19. Dezember 1803 hatte festgelegt, dass am Festtag der Schutzheiligen des Doms, Crispin und Crispinian, auch Markttag war. Da die Hörigen des Bistums dann ihre Zehntpachten und Sackzehnten zu entrichten hatten, kamen viele Menschen in die Stadt. Zu dem munteren Treiben trugen auch die Mägde und Knechte bei, die an diesem Tag aus ihrem Dienstentlassen wurden.
Diese Menschenmengen lockten Gaukler und Händler an, die ihre Waren und Kunststücke anboten. Gern ließen sich die Osnabrücker von Quacksalbern, Kleinkrämern und Schaustellern unterhalten. Nach Marktschluss wurde in den umliegenden Gaststätten der Altstadt weiter gefeiert.
Nicht nur diese sogenannte " Herrenmisse" wurde in Osnabrück abgehalten, sondern auch der Stadtmarkt anlässlich des Jahresend (ein geistliches Gericht) in der Fastenzeit vor Ostern Der Zusammenhang mit dem kirchlichen Jahreszyklus ist heute manchem Jahrmarktsbesuchern nicht bekannt.
Über die Stränge schlagen manche Besucher des Jahrmarkts heute wie damals gern. Manch einer gibt zu viel Geld für Karussells, Würstchen, Bier und Schießbuden aus.
Letzte Grüße
Was dabei herauskommen kann, ist auf einer Postkarte aus dem Jahre 1913 zu lesen, die mit " Letzte Grüße" überschrieben ist. Da klagt der Absender in Gedichtform, dass ihm kein Geld mehr für eine bunte Ansichtskarte geblieben ist, sodass er nur noch einen Gruß auf Pappkarton versenden konnte.

Bildtext: Manche Frau soll ihren Mann nach dem Rummel wenig freundlich empfangen haben (1897).

Ungeheuer aus dem Meer und " Riesenweiber" gab es 1897 beim Jahrmarkt zu bestaunen.

Im Jahre 1905 ging man mit Hut, Zylinder und feinem Zwirn zum Jahrmarkt. Im Zelt mit der Aufschrift " Zum kleinen Cohn" stellte ein Jude aus. Seine Darstellung mit Hakennase, Buckel und großem Kinn hat einen antisemitischen Hintergrund. Die Ansichtskarten stammen aus der Sammlung von Helmut Riecken, Osnabrück.
Autor:
Marie-Luise Braun


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