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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Männermangel im Kindergarten
Zwischenüberschrift:
Warum Stephan der Star in der Kinderkrippe ist
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
OSNABRÜCK. Windeln wechseln, Lätzchen waschen, spielen, toben und rumalbern. Ist das etwa Männersache?
Offenbar nicht. Für die meisten Männer gehört der Alltag mit Kleinkindern in die Aufgabenschublade der Frau. Nicht nur zu Hause, sondern auch im Beruf: Ganz gleich, ob man sich in Kindergärten, Kinderkrippen, Horten oder Tagesstätten umsieht das Personal, das sich mit den Kleinsten unserer Gesellschaft beschäftigt, ist weiblich.
In Niedersachsen liegt der Anteil der männlichen Erzieher gerade mal bei 2, 5 Prozent. Exoten sind Männer auch im Berufszweig der Kinderpflege. Hier liegt der Anteil nur bei 1, 3 Prozent.
Stephan Placke ist einer dieser 59 Kinderpfleger neben 4564 weiblichen Kolleginnen in Niedersachsen. Der 26-Jährige arbeitet halbtags in der Evangelischen Kinderkrippe an der Marienkirche. Wenn er mittags kommt, ist es mucksmäuschenstill. Zwischen Mittagessen und Nachtisch halten die Ein- bis Dreijährigen Mittagsschlaf.
Stephan Placke hilft seinen Kolleginnen noch beim Aufräumen in der Küche, dann bereitet er den Nachtisch vor und deckt den Tisch. In der Mitte steht eine große Schüssel Kirschjoghurt daneben liegen zehn frisch gewaschene Lätzchen. Placke schaut auf die Uhr: Kurz vor halb zwei. " Ich weck` dann mal die Ersten", ruft er rüber zu seinen Kolleginnen, die schon die Hosen und Shirts für die Knirpse zurechtlegen.
Im " Schlummerzimmer" ist man noch auf Wolke sieben. Das Knarren der Tür stört niemanden. Doch Stephan Placke kennt seine Rasselbande und weiß, wie er sie wach kriegt: " Das hier klappt immer!" Er zieht den Kleinen nacheinander die Decke von den Füßen und kitzelt sie ein bisschen. Es dauert keine zehn Sekunden, da schauen ihn 20 verschlafene Gesichter an und reiben sich den Schlaf aus den Augen. Dass es jetzt Nachtisch gibt, wissen alle. Einige tapsen in ihren Windeln schon allein ins Speisezimmer. Die anderen wissen auch, was zu tun ist: Sie strecken Stephan die Arme entgegen und lassen sich tragen.
" Ich kann mir keinen schöneren Job vorstellen", sagt er. Diese Fröhlichkeit und das viele Lachen würde ihm kein anderer Beruf bieten können. Ebenso das Mitwachsen: Es sei faszinierend zuzusehen, wie sich die Kinder entwickeln, laufen lernen und auch Dinge und Ratschläge von ihm annehmen und dann anwenden.
" Viele Leute stellen sich meine Arbeit monoton vor", sagt Placke. Ein Klischee, ein falsches noch dazu. Er weiß, dass es anders ist. Der Arbeitsalltag habe viel mehr als Spielen, Toben und Windelnwechseln zu bieten. Besonders in den ersten Lebensjahren entwickeln die Kinder wichtige Grundfertigkeiten: Kleine Konflikte untereinander lösen, Strategien beim Puzzeln und Spielen erfinden, den Erwachsenen verklickern, was man gerade tun will, und sich auch mal mit ihnen anlegen, wenn was nicht passt. " Da muss man sich auf jedes Kind neu einstellen", sagt Placke. Genau das sei so spannend.
Spannend ist für Krippenleiterin Sabine Busmann und ihre Kolleginnen, wie unterschiedlich die Kinder bei diesen Prozessen auf Stephan, den Mann, und auf sie als weibliche Erzieherinnen reagierten. " Es ist ein großer Unterschied, ob Kinder mit Männern oder mit Frauen ein Spiel spielen oder einen Konflikt lösen", sagt Sabine Busmann. Sie ist froh, mit Stephan Placke einen Mann an der Seite zu haben. " Die Kinder fahren richtig auf ihn ab." Nicht nur die Jungen, auch die Mädchen würden oft zu ihm gehen, nur mit ihm spielen wollen oder sich bei ihm ankuscheln.
" Viele unserer Kinder leben bei allein erziehenden Müttern", erklärt Busmann. Da sei es keine Seltenheit, dass Stephan für diese Kinder die erste männliche Bezugsperson ist. Schon allein deshalb sei es ein Glücksgriff, ihn im Team zu haben. " Jungen und Mädchen sind benachteiligt, wenn sie nur von einem Geschlecht erzogen werden." Während Jungs jegliche Konfrontation mit dem männlichen Rollenbild und einem männlichen Vorbild fehlt, hätten es die Mädchen ohne Männer schwer, ein gesundes Selbstbewusstsein aufzubauen. Experten sind sich über diese und weitere Folgen einig: Fehlt der Mann in der frühkindlichen Erziehung, fehlt auch den Kindern etwas für ihre Entwicklung.
" Männer sind nicht so zimperlich wie Frauen", sagt die Krippenleiterin. Sie wundert sich deshalb gar nicht, warum Stephan der unantastbare Star für die Kinder ist, wenn es um Ausflüge zum Spielplatz geht. " Mit ihm dürfen sie ihre Grenzen viel weiter stecken und mehr ausprobieren." Es wird mehr getobt und herumgealbert klar, dass sich das Kind beim nächsten Spielplatzausflug wieder für die Abenteuergestaltung entscheidet.
Durch Männer und Frauen in ihrer Umgebung bekämen Kinder auch einen Blick für das Vielseitige. " Wenn wir Frauen mit den Kindern Ball spielen, dann werfen wir meistens", erzählt Busmann. Bei Stephan kommt das Leder gar nicht erst in die Hand. Fußball ist angesagt.
Das Herz für Kinder habe er schon immer gehabt, sagt Stephan. Gern würde er zu Hause eines Tages eigene Kinder aus dem Mittagsschlaf kitzeln und mit ihnen Fußball spielen. Doch momentan sei nicht daran zu denken. " Vor allem nicht bei einer halben Stelle", sagt er. Von 720 Euro könne er wohl sich selbst, aber keine Familie ernähren. Wenn er beides will, bliebe ihm selbst bei Vollzeit nur eine Möglichkeit: ein Zweitjob.

Bildtext: Er liebt seinen Job, und die Kinder lieben ihn: Stephan Placke arbeitet halbtags in der Kinderkrippe an der Marienkirche. Er ist eine echte Ausnahme: Der Anteil der Männer in der Kinderpflege liegt in Niedersachsen bei nur 2, 5 Prozent. Foto: Jörn Martens
Autor:
Stefanie Hiekmann


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