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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
"In der Linda ist die Soße gleich mit drin"
 
Kindheitserinnerungen
Zwischenüberschrift:
Das Geschäft mit der Kartoffel geht zurück
Artikel:
Kleinbild
 
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. " Es gibt Leute, die kellern noch ein." Ludger Münzebrock sagt es mit einer Mischung aus Verwunderung und Respekt. Verwunderung, weil die Keller ja mittlerweile viel zu warm sind, um darin Kartoffeln zu lagern. Respekt, weil diese Leute ja seine besten Kunden sind. Ludger Münzebrock verkauft seit 32 Jahren Kartoffeln auf dem Osnabrücker Wochenmarkt. Am besten geht Linda.
Das Geschäft mit Kartoffeln ist zurückgegangen. Galt die Knolle bei den Deutschen noch vor wenigen Jahrzehnten als beliebteste Beilage, muss sie sich heute gegen Nudeln und Reis behaupten. " Viele essen lieber die anderen Sachen", klagt der Kartoffelhändler Ludger Münzebrock und fügt mit einem Seufzer " leider" hinzu. Dabei stehe die Kartoffel doch für gesunde Ernährung und mache auch nicht dick.
Mit 2, 5 Kilo begnügen sich viele Kunden schon. Die älteren Kundinnen können nicht mehr schleppen. Und die jüngeren wollen gar nicht mehr mit nach Hause nehmen. Ab und zu lässt sich jemand zehn Kilo auf den Fahrradanhänger wuchten. Und an besonders guten Tagen wird Ludger Münzebrock schon mal gebeten, einen ganzen Zentner in die Tiefgarage zu bringen, um sie in einen Kofferraum zu laden. " Der Oktober ist die günstigste Zeit", gibt der Kartoffelhändler zu bedenken, " ab November ziehen die Preise wieder an."
Früher ließen sich die Kunden fünf, sechs oder mehr Zentner zum Einkellern nach Hause bringen. Dabei wurde großzügig gerechnet, 50 Kilo pro Person. Nach heutigen Maßstäben begnügen sich zwei Leute mit diesem Standardmaß, wie der Kartoffelhändler vermerkt. Auf jeden Fall sollen die Kartoffeln wenig bewegt werden. Sonst bekommen sie Schlagstellen, das sind schwarze Flecken unter der Schale.
Kartoffeln sollen gut aussehen. Darauf achten natürlich auch die Marktkunden. Ludger Münzebrock zeigt auf seine Heide-Linda und lässt sich das Wort wie eine Delikatesse auf der Zunge zergehen. Die wächst auf den sandigen Böden der Lüneburger Heide. Etwas Besonderes, sagt er. Nicht wegen ihres Geschmacks, sondern wegen ihrer helleren Färbung. Die schimmert sogar durch die Schale.
Seine Heide-Linda bezieht Ludger Münzebrock von anderen Erzeugern. Die Erdäpfel fürs Kerngeschäft baut er selbst an. In Neuenkirchen bei Vörden bewirtschaftet der 50-Jährige seinen Hof. Das zweite Standbein ist Gemüse. " Unsere drei Kinder arbeiten mit im Betrieb", erzählt er stolz. Bei den Kartoffeln setzt er weiterhin auf Linda, denn die wollen seine Kunden haben. Festkochend, aromatisch, von innen gelb. " In der Linda ist die Soße gleich mit drin", schwärmt Ludger Münzebrock, auch wenn das ein bisschen übertrieben ist. Für ihn ist Linda die beste Kartoffel. Sein Lieblingsessen: " Zigeunerschnitzel, Rotkohl dabei und Linda mit einer schönen, kräftigen Soße!"
Immer wieder fragen die Kunden, wie lange es diese über 30 Jahre alte Kartoffelsorte noch geben wird. Ludger Münzebrock weiß es auch nicht, denn beim Bundessortenamt wird heftig um Linda gerungen. Alles nur, weil das Kartoffelzuchtunternehmen mit dem Saatgut keine Geschäfte mehr machen kann und das Produkt deshalb vom Markt nehmen will.
" Wir setzen das Saatgut nach, solange es geht", kündigt Ludger Münzebrock an. Doch nach und nach würden die Erträge sicherlich nachlassen ohne neues Saatgut. Wenn er nicht mehr 40 Tonnen pro Hektar ernten kann, sondern nur noch zwanzig oder zehn, wird auch er die Finger von seiner Lieblingssorte lassen.
Drei Jahre werde er Linda aber bestimmt noch anbieten, sagt der Kartoffelbauer mit der grünen Weste über dem Kittel, vielleicht sogar fünf Jahre. Inzwischen gibt es Alternativen bei den Erdäpfeln. Die Belana wurde auf den Markt gebracht, um Linda abzulösen. Sie ist immerhin " schön fest", wie Ludger Münzebrock einräumt, auch das Stärkeverhältnis sei recht günstig.
Aber den Kunden sind die Knollen zu groß, und am Geschmack wird auch herumkritisiert. Der Kartoffelhändler kann das verstehen: " Mein Ding ist die Belana auch nicht."

Bildtext: " Der Oktober ist die günstigste Zeit, um Kartoffeln zu kaufen", rät Ludger Münzebrock. Seit 32 Jahren bietet er seine Erdäpfel auf dem Wochenmarkt an. Foto: Gert Westdörp

Von Stefan Prinz
Es gibt kein Lebensmittel, mit dem ich so viele Erinnerungen verbinde wie mit der Kartoffel. Noch immer habe ich den Geruch des Kartoffelfeuers in der Nase, in das wir als Kinder ein paar selbst ausgegrabene Knollen steckten und diese nach ein paar Minuten am knisternden Feuer mit Butter bestrichen. Ein paar Meter weiter füllten unsere Eltern die Kartoffelernte des kleinen Bauernhofs in grobe Säcke. Ein Kartoffelfeuer war für mich der Inbegriff von Zuhause.
Sobald ich heute irgendwo ein Kartoffelfeuer rieche, kommen die Kindheitserinnerungen wieder. Im Laufe der Jahre hat sich mein Verhältnis zur tollen Knolle allerdings gewandelt. Ich liebe Kartoffeln noch immer sie dürfen eben nur nicht nach Kartoffeln aussehen. Sobald sie zu Pommes frites, Bratkartoffeln oder Kartoffelbrei verarbeitet wurden, finde ich sie lecker in Form von Salzkartoffeln jedoch fast ungenießbar. Ich weiß nicht warum. An den verbrannten Knollen aus dem Kartoffelfeuer liegt es jedenfalls nicht.
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert / Stefan Prinz


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