User Online: 1 | Timeout: 13:36Uhr ⟳ | Ihre Anmerkungen | NUSO-Archiv | Info | Auswahl | Ende | AAA  Mobil →
NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Datensätze des Ergebnis
Suche: Auswahl zeigen
Treffer:1
Sortierungen:
Anfang der Liste Ende der Liste
1. 
(Korrektur)Anmerkung zu einem Zeitungsartikel per email Dieses Objekt in Ihre Merkliste aufnehmen (Cookies erlauben!)
Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Tapferer Rentner rettet Soldaten
Zwischenüberschrift:
Britische Garnison in Osnabrück wird 1989 und 1996 Ziel von IRA-Anschlägen
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Wenn Stabsfeldwebel Steve Shirley heute Vormittag die Kasernenschlüssel an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben übergibt, endet die militärische Geschichte derQuebec Barracks an der Landwehrstraße. Zwei pechschwarze Kapitel dieser Historie werden Soldaten wie Anwohnern zeitlebens im Gedächtnis bleiben.
Von Arne Köhler
Osnabrück. 19. Juni 1989: Es ist eine angenehm warme Frühsommernacht. Vor wenigen Stunden ist das vorläufige Endergebnis der Europawahlen über die Bildschirme geflimmert: Massive Verluste für die CDU, Gewinne für die Republikaner. Auf dem Gelände der Quebec-Kaserne liegen fünf britische Sergeants in einer Schlafbaracke in ihren Betten. Geht es nach dem IRA-Kommando, das sich mit 150 Kilo des Plastiksprengstoffs Semtex auf das Gelände geschlichen hat, werden sie den nächsten Morgen nicht mehr erleben.
Gegen ein Uhr macht sich Günter Kittelmann auf seinen Rundgang. Der 62-jährige Frührentner aus Hilter bewacht die Baustelle einer Osnabrücker Tiefbaufirma. Das Unternehmen soll auf dem Kasernengelände ein Regenrückhaltebecken anlegen. Damit der erhöhte Grundwasserspiegel den benachbarten Bahndamm nicht absacken lässt, wird rund um die Uhr Wasser abgepumpt. Der Nachtwächter muss regelmäßig nachsehen, ob die Pumpen noch laufen.
Plötzlich sieht Kittelmann im Schein seiner Taschenlampe eine Gestalt in einem schwarzen Kampfschwimmeranzug. Sofort reißt der Unbekannte eine Kalaschnikow hoch und feuert. Der Schuss verfehlt sein Ziel. Kittelmann greift geistesgegenwärtig nach der Waffe und drückt den Lauf zur Seite. Doch der Maskierte ist stärker. Er reißt sich los und schlägt dem Rentner brutal mit dem Gewehrkolben ins Gesicht. Kittelmann verliert das Bewusstsein.
Als er sich wenig später mit blutendem Gesicht aufrappelt, sucht er in einer der beiden Baubuden Schutz, die sich in unmittelbarer Nähe des Quartiers der fünf Soldaten befinden. Diese Entscheidung rettet ihm das Leben. Um 1.28 Uhr erschüttert eine ohrenbetäubende Explosion den Stadtteil Eversburg. Durch die enorme Druckwelle zerbersten noch in einigen Hundert Meter Entfernung die Fensterscheiben.
Die andere Baubude ist nur noch ein großer Haufen Schrott. Doch Kittelmanns Unterschlupf hat der Explosion schwer beschädigt standgehalten.
Während Hunderte Eversburger aus den umliegenden Häusern in Notunterkünfte evakuiert werden, entdecken deutsche und britische Polizisten rings um die Schlafstätte der unverletzt gebliebenen Sergeants vier weitere Sprengsätze. Die Attentäter haben sich nach dem Zusammentreffen mit Kittelmann nicht mehr die Zeit genommen, auch diese mit Zeitzündern scharf zu machen. Die Polizisten und Retter, die unmittelbar nach der Explosion an den Ort des Geschehens geeilt sind, verdanken es dem Nachtwächter, dass die ihnen zugedachte Sprengfalle nicht zugeschnappt ist.
Der tapfere Rentner erhält im Januar 1990 die niedersächsische Erinnerungsmedaille für Rettung aus Gefahr. Eineinhalb Jahre später soll ihm im Namen von Königin Elizabeth II. außerdem die britische Tapferkeitsmedaille verliehen werden. Doch auf dem Weg zur britischen Botschaft in Bonn erleidet der inzwischen 64-jährige Hilteraner eine Herzattacke. Zwei Monate später stirbt er.
Die juristische Aufarbeitung des Anschlags zieht sich bis ins Jahr 2006: Das Oberlandesgericht (OLG) Celle verurteilt ein ehemaliges IRA-Mitglied, das sich nach jahrelanger Flucht freiwillig gestellt hat, zu acht Jahren Gefängnis. Im Juni 1995 haben bereits vier Mittäter Freiheitsstrafen zwischen neun und zehn Jahren erhalten.

28. Juni 1996: Auf einer Panzerzufahrtstraße vor einem unbewachten Tor der Quebec-Kaserne fährt ein weißer Lieferwagen mit gefälschten britischen Kennzeichen vor. Terroristen ziehen eine blaue Abdeckplane zur Seite. Darunter ist eine selbst gebaute Abschussvorrichtung für Mörsergranaten verborgen. Die Täter zielen auf die Kasernen-Tankstelle und aktivieren eine Zeitschaltuhr. Dann machen sie sich in einem weiteren Lieferwagen aus dem Staub.
Um 18.51 Uhr ertönt eine gewaltige Explosion. Eines der Geschosse detoniert in der Nähe der Tankstelle glücklicherweise ist das Kraftstofflager gerade nicht in Betrieb. Zwei weitere Granaten Marke " Eigenbau" werden abgefeuert, zünden aber nicht. Trotzdem entsteht großer Sachschaden: Die Druckwelle reißt im gesamten Umkreis Türen aus der Verankerung, deckt Dächer ab und lässt Fensterscheiben zu Bruch gehen. Die Eversburger sind geschockt und verängstigt.
Auf dem Kasernengelände hat die von den katholischen IRA-Terroristen ausgelöste Explosion ausgerechnet die römisch-katholische St.-Edmunds-Kapelle beschädigt. Außerdemsind mehrere Fahzeuge zerstört worden, darunter der nagelneue Dienstwagen von Brigadekommandeur Richard Dannatt. Der kommentiert den Verlust knochentrocken: " Ich mochte ihn sowieso nicht." Doch auch Dannatts britischer Humor kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der erneute Angriff auf die größte Garnison Ihrer Majestät in Deutschland für Briten wie Deutsche ein außerordentlich beunruhigendes Ereignis ist. Der Anschlag von Osnabrück verdrängt auf den Titelseiten der britischen Gazetten die Fußball-EM im eigenen Land. In den nächsten Tagen werden in den britischen Wohngebieten der Stadt Briefkästen abmontiert. Ängstlich beäugen die Osnabrücker Autos mit britischen Nummernschildern. Es dauert lange, bis das Klima der Angst wieder abebbt
2003 verurteilt das OLG Celle einen 39-jährigen IRA-Aktivisten zu sechseinhalb Jahren Gefängnis. Zu weiteren Urteilen kommt es in Deutschland nicht. Zwei weitere mutmaßliche Täter profitieren davon, dass der Friedensprozess in Nordirland nicht gestört werden soll: Großbritannien verweigert ihre Auslieferung an die deutsche Justiz.

Bildtext: 1996 Ziel von IRA-Anschlägen
Nur noch ein Haufen Schrott ist diese Baubude auf dem Gelände der Quebec-Kaserne nach dem Bombenanschlag vom 19. Juni 1989. Foto: Michael Hehmann
Spezialisten der Bundeswehr untersuchen den Krater im Asphalt, der durch den Granateneinschlag entstanden ist. Foto: dpa
Der Terrorangriff vom 28. Juni 1996 hat auch die katholische Kasernenkapelle beschädigt. Kommandeur Richard Dannatt (links) tritt mit versteinertem Gesicht vor die Presse. Foto: dpa
Autor:
Arne Köhler


Anfang der Liste Ende der Liste