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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Der Club der toten Vögel
Zwischenüberschrift:
Warum das Naturkundemuseum 1500 ausgestopfte Tiere aufbewahrt
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Der Marabu hat seine besten Jahre hinter sich. So etwa vor 150 Jahren. Damals lebte er noch. Jetzt ist er Teil einer ungewöhnlichen Sammlung des Naturkundemuseums: 1500 ausgestopfte Vögel. Manche halten sie für Staubfänger, Wissenschaftler für echte Schätzchen.
Ein Lagerhaus in einem Hinterhof an der Iburger Straße. Hier lädt die Kulturabteilung der Stadt alles ab, was alt und selten, aber für die öffentliche Darbietung nicht geeignet und zum Entsorgen zu schade ist. Möbelstücke türmen sich wie in einem schlecht sortierten Gebrauchtmöbelhandel. Rechts führt eine Tür in einen Nebenraum, der den Vögeln der Vergangenheit gewidmet ist.
Berthold Reichensberger empfängt hier selten Besuch. Er ist der biologische Präparator des Museums für Naturkunde am Schölerberg und kümmert sich um den Club der toten Vögel. Für uns öffnet er die Schränke .
Die meisten der 1500 Vögel, die in oder auf den Stahlschränken ruhen, haben in der Mitte des 19. Jahrhunderts gelebt. Sie waren die Lieblinge von Pfarrer Bolsmann aus Gimbte bei Münster, der sich Zeit seines Lebens wohl mehr um die gefiederten Freunde als um die ihm anvertrauten Schäfchen gekümmert haben muss. Bolsmann präparierte und katalogisierte mit Eifer und Sorgfalt. Nach seinem Tod sollte die Sammlung an den Westfälischen Provinzialverein gehen. Aber dann kam der Osnabrücker Kaufmann Uhlenkamp, der die Sammlung für 7000 Reichsmark kaufte und für 5000 Reichsmark dem Naturwissenschaftlichen Verein überließ. Der 1870 gegründete Verein brachte die Vögel zunächst in der Bischöflichen Kanzlei am Domhof unter. Das war der Ausgangspunkt einer jahrzehntelangen Wanderschaft: Kulturgeschichtliches Museum am Heger-Tor-Wall, ab 1961 Villa Schlikker, dann ein unbeheizter Dachboden eines Hauses an der Krahnstraße, der Dachboden der Schule in Hellern und schließlich das Lagerhaus an der Iburger Straße. Wärme, Kälte, Feuchtigkeit und die Larven des Museumskäfers hinterließen ihre Spuren in den Gefiedern. Und kritische Geister fragten immer wieder, ob denn diese Kuriositätensammlung überhaupt noch erhalten bleiben sollte.
Museumsdirektor Dr. Dietmar Grote und der Milbenforscher Prof. Dr. Rainer Ehrnsberger lassen keinen Zweifel aufkommen, dass die Sammlung von hohem wissenschaftlichen Wert ist. Die beiden haben erst vor wenigen Wochen zusammen mit dem polnischen Milbenexperten Dr. Jacek Dabert der Weltöffentlichkeit eine neue Tierart eine Milbe präsentiert, die im Gefieder einer ausgestopften Schleiereule die Zeit überdauert hatte. Milben verlassen ihr Wirtstier nie, auch wenn es gestorben ist und sie damit selbst dem Tod geweiht sind. Jeder Vogel hat seine persönliche Milbe. Und über die Milbe können Verwandtschaften zwischen Vogelarten nachgewiesen werden.
Besonders gehütet werden die Präparate ausgestorbener Vogelarten. Den Eskimobrachvogel gibt es zum Beispiel nur noch in 18 ausgestopften Exemplaren auf der Welt. Das Osnabrücker Museum hütet das einzige Eskimobrachvogel-Pärchen. Die nordamerikanische Wandertaube ist auch so ein Vogel: Sie war jahrhundertelang so zahlreich wie bei uns heute der Star, aber die Jagdleidenschaft der Menschen hat sie Ende des 19. Jahrhunderts von der Erde getilgt.
Nicht nur deshalb ist die Vogel-Sammlung so wichtig, sagt Ehrnsberger. Den Forschern erlauben die toten Vögel Rückschlüsse über Veränderungen in der Umwelt. Oft haften den Krallen Spuren organischen Materials an, dessen DNA analysiert werden kann. Bei jüngeren Präparaten können Umweltgifte nachgewiesen werden. Ehrnsbeger: " Man kann daran sogar ablesen, wann das bleifreie Benzin eingeführt wurde."
Und am Gefieder des Birkenspanners ist die Industrialisierung erkennbar. Weil Ruß und Kohlestaub die Welt dunkler machten, hatten die Birkenspanner mit dunklererem Gefieder bessere Überlebenschancen.

Bildtexte:

1) Der größte und kleinste Vogel in der Sammlung des Naturkundemuseums: links der vor 150 Jahren ausgestopfte Marabu, rechts der Mitteleuropäische Zwergschnäpper. Das Naturkunde-Museum verwahrt in einem Magazin an der Iburger Straße einen kleinen wissenschaftlichen Schatz.

2) Strukturfarben wie hier beim Blauscheitel verblassen nie.

3) Der Eskimobrachvogel, den Berthold Reichensberger hier zeigt, ist längst ausgestorben.
1500 ausgestopfte Vögel lagert das Naturkundemuseum in Schachteln und Schränken.

Fotos: Gert Westdörp
Autor:
Wilfried Hinrichs
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