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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Das geht mir ins Ohr
Zwischenüberschrift:
Der Hahn ist tot
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Der Hahn ist tot. Ich habe ihn nie gesehen, doch oft hat mich sein durchdringendes Kikeriki genervt. Und jetzt: Der Hahn ist tot, und ich vermisse ihn.
Es ist ein Sonntagnachmittag im Hochsommer. Es ist heiß in der Wüste. Die Menschen liegen platt auf den Liegen, kein Lüftchen regt sich. Und dann der Hahn: Er kräht, was das Zeug hält, durchbricht die Stille.
Rückblende. Vor fünf Jahren bin ich aus einer zugebauten Gegend in der Innenstadt in die Wüste gezogen. Dort herrschen Osnabrücker Verhältnisse: ein großes Straßencarré, darin nur Gärten, Bäume und Vögel. Fremde mögen es nicht glauben: Die Wüste lebt und ist lärmend laut. Wenn ich im Sommer abends auf dem Balkon telefoniere, fragen mich meine Gesprächspartner oft: Wo bist du? Im Dschungel? Nein, in der Wüste.
Ringsum singen die Vögel, am lautesten die Amsel auf dem höchsten Baum nebenan. Das ist mein Revier, zwitschert sie wohl. Morgens wache ich vom " Krach" der Flattermänner auf lausche, und der schöne Gesang schläfert mich wieder ein.
Im Winter ist morgens Randale auf meinem Balkon. Eine Meise fliegt in mein Bäumchen, sieht, dass es Futter gibt, krakeelt und schon kommen alle ihre Kumpel und stürzen sich auf die Meisenknödel. Wenn ich an einem schönen Wintertag auf dem Balkon sitze und Meise, Rotkehlchen und Co. sich deshalb nicht an das Futter trauen, fliegen die Vögel in mein Bäumchen und schimpfen mich aus. Langsam werde ich zum Vogelkenner, googel rum: Welcher Vogel war zu Besuch, wer singt wie?
Und dann der Hahn. Irgendwo im Viertel lebten er und seine Hennen. Gesehen habe ich sie nie: Ein Garten, Hecken und Bäume liegen dazwischen. Am Anfang hat mich sein Krähen gestört, später habe ich schon darauf gewartet. Warum ist der Junge heute so still?, habe ich mich dann gefragt.
Vor gut vier Wochen fehlte mir plötzlich ein Geräusch. Ich wusste nicht welches. Bis eine Nachbarin erzählte: Der Hahn ist tot. Er war ein netter Zeitgenosse: hat nie den Sonnenaufgang bekräht, sondern war ein Langschläfer, seine Hennen waren selten zu hören. Doch die Hühnerschar gab mir das Gefühl, mitten in der Stadt, in der Wüste, auf dem Land zu leben.
Mit der Zeit habe ich den Hahnenschrei geliebt. Er war zwar nie so schön, wie der Gesang der Amsel, aber auch nie so nervend wie die Tauben, die auch noch alles vollsch . . . Allerdings: Die Tauben machen wenigstens auf sich aufmerksam. Im Gegensatz zu den Zwergfledermäusen, die ab und an in meine Wohnung fliegen. Die sind still, wenn sie lauer Sommerabend, Durchzug, alle Fenster geöffnet nicht um das Haus herumfliegen, sondern meine Wohnung als Abkürzung nehmen.
Wie gesagt: Die Wüste lebt und lärmt. Hoffentlich schaffen sich die mir unbekannten Hühnerhalter bald einen neuen Hahn an. Wir Nachbarn haben schon darüber gesprochen, wir könnten ja eine Sammlung machen und ihnen einen neuen Schreihals kaufen.
Damit es heißt: Der Hahn ist tot, es lebe der Hahn. Und die Wüste.
Autor:
Beate Dammermann


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