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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Am Heger Tor bewegt sich endlich was
Zwischenüberschrift:
Neue Konzepte, neues Denken – Auch Joe Enochs glaubt an die Zukunft des Viertels
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Von Frank Henrichvark, Wilfried Hinrichs und Jörn Martens Osnabrück. Das Heger Tor ist ein Symbol ruhmreicher Vergangenheit. Die einen denken dabei an die Schlacht von Waterloo 1815, andere an die langen Nächte an den Theken der Altstadtkneipen. Das Viertel hat den Anschluss verloren, schickt sich jetzt aber an, zum neuen Gastro-Zentrum zu werden. Mitten drin: VfL-Star Joe Enochs.
Von
Frank Henrichvark, Wilfried Hinrichs
und Jörn Martens
Osnabrück. Der Rekordfußballer der Lila-Weißen lehnt locker an einem Pfeiler seiner neuen Existenz: Der ehemalige " Stiefel", die einst zentrale Versorgungsstätte im Bier-Dreieck am Heger Tor, wird ab Februar zu " Joe Enochs′ Sportsbar". Der Fußballprofi arbeitet mit Profis aus dem Gastro-Gewerbe zusammen. Rainer Knopp, Betreiber der Marktschänke und Ex-Fußballer, und Udo Agarius (Pizzahaus am Markt) steigen mit ein. " Ich glaube fest daran, dass wir hier was bewegen können", sagt Enochs.
Wie es früher war
Um zu verstehen, was sich in diesem Viertel verändert hat, ist ein Blick in die Vergangenheit hilfreich. Aus der Besuchersicht betrachtet, war " die Altstadt" eher ein diffuser Begriff, wurde doch darunter jeweils der Besuch der persönlichen Lieblingskneipen verstanden. Auf dem Stadtplan könnte man dieses Quartier etwa durch die Koordinaten Heger Tor/ Hasestraße/ Domhof und Katharinenkirche abstecken. Wiederum ganz subjektiv aufgezählt, würden dahinter dann Adressen wie der Gasthof zum Deutschen Haus (später dann zur " Zwiebel" verbal abgerüstet), der Holling, das Theaterrestaurant und der Grüne Jäger als die Eckpunkte dieses magischen Viertels stehen. Die jeweilige Kneipe wäre dann als die Schnittmenge auch das ein Begriff aus jener Zeit, als die Mengenlehre den Mathematikunterricht didaktisch bereicherte diverser Teilmengen zu verstehen.
In den besten Zeiten, gutes Wetter und den richtigen Wochentag vorausgesetzt, war diese Altstadt nächtens überlaufen von Besuchern. Die Kneipen waren meist überfüllt, ein Teil der Szene spielte sich auf der Straße ab. Man stand an der Theke, hockte auf wackligen Stühlen an ehemals weiß gescheuerten und jetzt etwas fleckigen Holztischen, trank größere Mengen Bier und führte Gespräche: über Banalitäten und Weltbewegendes, über Schule und Studium, über wer mit wem, Film und Musik, über ganz Privates und die kommende Weltrevolution.
Aber die wahren Regisseure dieser Szene waren die Wirte: Eine Riege von mehr oder weniger ausgeprägten Originalen, zu denen man auch als Besucher eine persönliche Beziehung haben musste, sollte der Abend gelingen.
Einige Beispiele: Helmut Rupp, der so ruppig sein konnte, wie es der Name sagt, führte damals das " Deutsche Haus". Gegenüber regierte als ausgeprägter Individualist Ernst Albrecht: Wer lange Haare hatte, kriegte in der " Peitsche" kein Bier (Originalton: " Der Friseur ist heute nicht im Hause"), und es bedurfte eines so gewichtigen Fürsprechers wie des damaligen Verkehrsdirektors Heinrich Witte (dessen O-Ton: " Ernst, lot man sien"), damit für prominente Künstler eine Ausnahme gemacht wurde.
Tischgrill auf der Treppe
In der " Olle Use" stand Margret Schmieder hinter der Theke, von der bekannt war, dass sie an ihren generösen Tagen gern mal einen ausgab wer davon profitierte, durfte sich glücklich schätzen. Der alte Osterkamp brutzelte im " Poggenkeller" seine berühmten Curry-Würste mit einem Tischgrill auf dem Treppenabsatz. Wurde die Bestellung nicht umgehend abgeholt, machte er schon mal kurzerhand das Licht aus! Und Grete Kneemöller bediente ihre Gäste zwar in einer weißen Schürze, hatte aber unter der Theke auch einen Gummiknüppel " für alle Fälle" liegen und wusste unerwünschte Gäste schon mit dem Verdikt " Dies Milieu ist hier nicht zu Hause" vor die Tür zu komplimentieren.
Massenabfüllung
Kurz gesagt: Es ging zwar manchmal unkonventionell, aber zugleich auch manierlich zu hinter dem Heger Tor. Das begründete den Ruf eines Viertels, das dann in den Boomjahren immerhin waren 1304 Quadratmeter und 860 Sitzplätze konzessioniert zur Massenabfüllung herabgesunken war. Sangria-Partys eimerweise und Flatrat-Saufen, das vertrug sich nicht mit einem Viertel, das Kunst, Kultur und Lebensqualität gleichermaßen bieten soll.
Da soll es wieder hin. Vor genau einem Jahr berichteten wir an dieser Stelle von der " Misere im Heger-Tor-Viertel" und dem Versuch des Stadtmarketings (OMT), das Viertel in die Gegenwart zu holen und für die Zukunft fit zu machen. Das Zauberwort heißt Tagesgastronomie. OMT-Chef Oliver Mix sagte damals, das Heger Tor sei wie ein Schlüsselloch: " Wer dort hindurch in die Altstadt schaut, der muss Sonnenschirme, Stühle und Tische sehen." Es ist so weit. Diese Vorstellung wird in diesem Sommer Realität.
Nicht nur Joe Enochs wird seine Sportbar großzügig nach außen öffnen. Auch am und sogar oben auf dem Heger Tor sollen die Gäste in diesem Sommer unterm Sonnenschirm Kaffee, Cocktails, Bier, leichte Snacks oder ausgereifte Menüs genießen können. Das Quartier will weg vom bierintensiven reinen Abendangebot, das zuletzt nur noch Gäste lockte, die das zahlungs- und genussfreudige Publikum eher verschreckten.
Besondere Lokale
Özan Yilmaz (33) aus Detmold hat klare Vorstellungen, wie dieses Publikum wieder den Weg in die Altstadt findenkann. In Detmold betreibt er die " Cosmo Lounge", eine Bar für den gehobenen Anspruch. Yilmaz wird in dem Torhaus (ehemals " Dreamer" und " Pferdestall") auf drei Etagen ein " nicht ultragewagtes, aber doch besonderes" Lokal aufziehen. Unten eine Café-Bar zum Frühstücken oder für den Prosecco nach dem Altstadt-Shopping, im Obergeschoss das Restaurant und darüber der Club zum Feiern. Die Terrasse auf dem Heger Tor wird zum Biergarten. Dieser Altstadt-Balkon steht seit Jahrzehnten für die Außengastronomie zur Verfügung, ist aber nie konsequent dazu genutzt worden.
Ein Hindernis war der alte Bebauungsplan, der den Wirten strenge Regeln für die Außenbewirtung auferlegte. Eine neue, " flexiblere Auslegung", wie Oliver Mix sagt, öffnet den Gastronomen neue Chancen. Daran lässt sich ablesen, dass neues Denken eingezogen ist. Mix meint: " Der Knoten ist geplatzt."
Neue Bänke
Mix ist zusammen mit Anliegern und Fachleuten aus der Verwaltung durch das Viertel gegangen, um Schadstellen auszumerzen. Welche Grünanlagen sind neu zu gestalten, welche Mülleimer sind kaputt, wo wären Radständer und neue Bänke sinnvoll? Die Rundbänke unter den Bäumen etwa vor der neuen Sportbar werden verschwinden, die Bäume bleiben. Auch die Steinbeete und Treppen am Fuße des Heger Tores werden entfernt. Die gläsernen Leuchten bleiben vorerst, werden aber gerichtet und gesäubert. Die neuen Ruhebänke werden wie die in der Krahnstraße aussehen.
Überhaupt soll die Verbindung zu den Nachbarschaften gestärkt werden. Sebastian Kotte von der Vermögensberatung Spiekermann (die ihr Büro mitten im Viertel hat) ist im letzten halben Jahr in die Rolle eines Quartiersprechers hineingewachsen. Das Büro Spiekermann erarbeitet zurzeit in Kooperation mit der Fachhochschule Osnabrück einen Ideenwettbewerb für Studenten unter dem Titel " Reaktivierung der Altstadt" ausloben.
Enochs am Zapfhahn
Zusammen mit Dagmar Illmer (Heger Straße) und Ruth Stremmel (Marienstraße) will Kotte die Kräfte der Kaufmannschaft bündeln. " Wir sind noch im Anfangsstadium", sagt Kotte, " aber hier bewegt sich was." Bis Ende des Jahres engagierte sich besonders Annette Schneider (Boutique " Paletot"), die ihr Amt abgeben will. Sie sagt, nach jahrelangem Stillstand gehe es jetzt " in Minischritten" voran.
Für ihren neuen Nachbarn Joe Enochs ist es dagegen ein " Riesenschritt" nicht nur für ihn persönlich, sondern für die ganze Ecke. Spätestens am 20. Februar soll die Sportbar ans Netz gehen. Zum Straßenkarneval findet in der halbfertigen Bar schon mal eine " Baustellenparty " statt. Joe Enochs will selbst, sooft es geht, die Gäste bewirten. Aber: " Ich kann natürlich nicht vor einem Spiel und nicht bis 23 Uhr Bier zapfen."
Bilduntertitel

Gehobene Gastronomie im und auf dem Heger Tor (von links): Özan Yilmaz, Cihno Batmaz und Dennis Kent.

Drei Mann, ein Ziel (von links): Rainer Knopp, Udo Agarius und Joe Enochs setzen im ehemaligen " Stiefel" ein neues Konzept um.

Autor:
Frank Henrichvark, Wilfried Hinrichs und Jörn Martens


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