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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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In Münster haben Radler grüne Welle
Zwischenüberschrift:
Was Osnabrück von der Nachbarstadt lernen kann
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Originaltext:
Markenzeichen: Die Promenade, ein alter Befestigungsring wie in Osnabrück, aber nicht sechsspurig für den Autoverkehr, sondern ausschließlich für Radler und Fußgänger bestimmt.

In Münster haben Radler grüne Welle

Was Osnabrück von der Nachbarstadt lernen kann

Von Rainer Lahmann-Lammert

MÜNSTER. Was spricht dagegen, mit dem Fahrrad beim Juwelier vorzufahren, urn ein Collier für 35 000 Euro zu kaufen? In Münster gibt es das, und der Einzelhandel stellt sich darauf ein. Erstaunlich nur, dass manche Geschäftsleute in Osnabrücks Nachbarstadt nicht daran denken, Fahrradparkplätze zu bauen.

Münster war die erste Stadt, die sich mit ihrer Fahrradfreundlichkeit einen Namen gemacht hat. Verkehrsplaner Stephan Bohme führt das auf das hohe Bildungsniveau zurück. Selbst im Theater sei es ganz normal, wenn sich jemand vor der Garderobe aus seiner Regenkluft schält.

Obwohl die Fietse in jeder Straße selbstverstandlich ist, wirbt die Stadt Münster weiterhin für das pedalgetriebene Verkehrsmittel. ,, Wir müssen Lust aufs Fahrradfahren machen", sagt Stephan Bohme. Warum das?

Weil Münster inzwischen auch den Autofahrern einiges bietet. Neue Parkhäuser zum Beispiel. Das konnte als falsches Signal missverstanden werden, fürchtet der Verkehrsplaner. ,, Und wenn nur jeder zweite Radfahrer auf einmal Auto fährt, geht gar nichts mehr!"

Münster will die Radler also bei der Stange halten. Das Radwegenetz ist zwar dichter als in den anderen Städten, aber nicht mehr auf dem neuesten Stand. Fast flächendeckend müssen Radwege verbreitert werden. Den Verantwortlichen ist bewusst, dass Münster ohne Investitionen nicht Fahrradhauptstadt bleiben wird.

Dabei gibt es doch schon so viele Annehmlichkeiten für Pedalisten. Auswärtige Radler blicken neidvoll auf die Promenade. Ein alter Befestigungswall wie in Osnabrück, aber nicht sechsspurig fur den Autoverkehr, sondern ausschließlich für Radler und Fußgänger bestimmt.

Münster hat es lange vor anderen gewagt, das Radfahren auch in den meisten Fußgängerzonen und in Einbahnstraßen entgegen der Hauptrichtung zu erlauben.

Für Radler gibt es eine grüne Welle, viele Ampeln sind so geschaltet, dass der Fahrradverkehr Vorrang hat. Eine Münsteraner Spezialität sind auch die Fahrradschleusen: Vor der roten Ampel dürfen sich die Radler auf breiter Front aufstellen. die Autos bleiben in der zweiten Reihe. Das senkt die Unfallgefahr, weil die Velofahrer besser gesehen werden. Inzwischen gibt es eine solche Schleuse auch in Osnabrück am Anfang der Buerschen Straße.

AJs vorbildlich gilt auch die Schneeräumung auf Münsters Radwegen: 14 Reinigungsmaschinen schwärmen im Winter aus, oft sind die Radwege schon vor den Autospuren vom Schnee befreit.

Ein Beispiel, das andernorts Schule gemacht hat, ist auch die Radstation vor dem Hauptbahnhof, mit Platz für 3300 Fahrräder. 2700 Kunden haben eine Dauerkarte.

Auf breiter Front dürfen sich Radler hier vor der roten Ampel aufstellen. Eine solche Fahrradschleuse gibt es inzwischen auch in Osnabrück an der Buerschen Straße.

Aber das reicht nicht, überall wird wild geparkt. Jetzt denkt die Stadt Münster über den Bau einer zweiten Radstation nach, mit 2000 bis 3000 Plätzen.

Vorbild für andere Städte: Münsters Fahrradstation vor dem Hauptbahnhof reicht langst nicht mehr aus. Ringsum ist alles zugeparkt.

Vor den piekfeinen Münster-Arkaden stolpert man fast über geparkte Fahrräder. Da hat der Bauherr wohl nicht an Abstellplatze gedacht.

Kaum zu glauben, dass es in Münster noch Planer gibt, die nicht an das Fahrrad denken. Als vor wenigen Jahren mitten in der Stadt eine piekfeine Mall mit verschiedenen Geschäften eröffnete, waren die Eingänge bald von parkenden Drahteseln verstellt. Nach einer Woche rief der Center-Manager Hilfe suchend bei Verkehrsplaner Bohme an. Man einigte sich, das Chaos mit schweren Eisenketten zu ordnen. Dahinter dürfen Fahrräder abgestellt werden. Jetzt sind die Eingänge der Arkaden zwar nicht mehr blockiert, aber die Velos fallen mehr ins Auge als die Architektur.

Beim Blick durch die Osnabrücker Brille fällt auf, dass fast alle Radwege auf dem Hochbord verlaufen, nicht als Radstreifen auf Fahrbahnniveau wie in Osnabriück. Eine konservative Planung? Stephan Bohme runzelt die Stirn. ,, Die Münsteraner haben ein höheres Sicherheitsbedürfnis", sagt er, separate Abbiegespuren wie in Osnabrück seien nichts für sie. Ein Richtungsstreit, der seit Jahren tobt. Nach neueren Erkenntnissen ist das Fahren auf Radstreifen zwar sicherer als auf Hochbordwegen, an Kreuzungen soll es jedoch genau umgekehrt sein.

MEIN FAHRRAD & ICH

Immer eine Plastiktute fur den Sattel dabei

Von Wilfried Hinrichs

Ich liebe dieses Fahrrad. Ich liebe es wie meine Arbeitstasche aus der Studentenzeit und den Füller, mit dem ich meine Magisterarbeit geschrieben habe. Am meisten liebe ich es, mit diesem Fahrrad beim Remarque vorzufahren.

" Es steht in der Scheune, nimm' s einfach mit", sagte mein Schwiegervater vor ein paar Jahren. Ich habe das Geschenk mit einem unguten Gefühl angenommen, denn ich wusste: Heinrich ist nicht mehr fit genug fürs Radfahren.

Ich weiß nicht, wie alt das Rad ist. Es ist auch schwer zu schätzen. Die blaue Rahmen-Lackierung ist fur die 60er-Jahre etwas zu avantgardistisch, für die 70er zu bieder, fur die 80er zu unauffällig, für die 90er undenkbar. Der Gepäckträger ist eigentlich eine Nummer zu klein und fällt nach hinten hin ab. Irgendwie erinnert er mich an Hosen mit Hochwasser. Energie fur die Lampe liefert ein klassischer Dynamo, die Klingel klingt noch wie eine Klingel, beim Ziehen der Handbremse lauft man gewiss nicht Gefahr, über den Lenker zu gehen, und ein dünnes Blech schützt die Hose vor dem Kettenöl. Gangschaltung? Fehlanzeige.

Die einzige Sonderausstattung ist der Sattel. Leder! Echtes, hartes Leder, unterfüttert von einer satten Federung. Das ist etwa so, als würde man einen VW-Käfer mit Sitzen aus einem 50er-Jahre-Amischlitten ausstatten. Herrlich. Ich habe immer eine Plastiktüte auf dem zu kleinen Gepäcktrager dabei, die ich am Fahrradstand über den Sattel stülpe. Erstens, um Diebe zu täuschen - die würden das Rad bestimmt nicht klauen, aber den Sattel - und zweitens, damit der Sitz trocken bleibt. Das Leder saugt sich bei Regen voll wie ein Schwamm. Ich habe mal den Fehler gemacht, im feinen Anzug auf dem noch feuchten Sattel Platz zu nehmen. Den Hintern nass und auf der Hose ein großer schwarzer Fleck. Peinlich.

Heinrichs Fahrrad ist mein Dienstfahrrad. Termine in der Innenstadt erreiche ich damit bequem, schnell, guten Gewissens und ohne Parkplatzsuche. Bei einem Termin an der Uni falle ich damit nicht weiter auf. Aber wenn ich mit Heinrichs Rad etwa zum Besuch eines Wirtschaftsdinners am Remarque vorfahre und es in der Nähe der Edellimousinen abstelle - dann fällt das schon auf, glaube ich. Und ich fühle mich wie ein aufmupfiger Halbwüchsiger. Herrlich.
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert


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