User Online: 1 | Timeout: 01:45Uhr ⟳ | Ihre Anmerkungen | NUSO-Archiv | Info | Auswahl | Ende | AAA  Mobil →
NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Datensätze des Ergebnis
Suche: Auswahl zeigen
Treffer:1
Sortierungen:
Anfang der Liste Ende der Liste
1. 
(Korrektur)Anmerkung zu einem Zeitungsartikel per email Dieses Objekt in Ihre Merkliste aufnehmen (Cookies erlauben!)
Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Wie ein ECE-Center eine Stadt verändert
Zwischenüberschrift:
Die Schloss-Arkaden in Braunschweig: Ein Lehrstück für Osnabrück
Artikel:
Kleinbild
 
Kleinbild
 
Kleinbild
 
Kleinbild
 
Kleinbild
Originaltext:
BRAUNSCHWEIG. Auf dem Höhepunkt der Diskussion über ein ECE-Center am Neumarkt im Januar 2004 wählte L+ T-Chef Dieter Rauschen einen drastischen Vergleich: Die Shopping-Mall hatte die Wirkung einer " Atombombenexplosion" für die übrige City. Wenn das stimmt, müsste die Braunschweiger City bald eine menschenleere ödnis sein. Braunschweig - ein Lehrstück für Osnabrück?

ECE ist mit 30000 Quadratmetern Einkaufsfläche in die Braunschweiger Innenstadt hineingeplatzt. Das bedeutete eine Verdoppelung der Verkaufsfläche in der Ci-ty-Zone. ECE - der Name steht für Einkaufs-Center-Entwicklungsgesellschaft, für ein Imperium von 90 Einkaufscentern in Europa, für klinisch saubere Konsumtempel und für heftigen Streit in den Städten, die das Hamburger Familienunternehmen ins Visier nimmt.

Wir erinnern uns: In Osnabrück wollte ECE den Justizkomplex mit Landgericht, Amtsgericht, Gefängnis und dem Kollegienwall-Parkhaus niederreißen und ein Einkaufszentrum mit mindestens 25000 Quadratmetern Verkaufsfläche schaffen. Der Plan ging bislang nicht auf, weil das Land zu viel Geld für die Justizgebäude haben will. Aber ECE lässt nicht locker: " Osnabrück ist nach wie vor hochattraktiv für uns, wir sind weiter sehr interessiert", sagt Jörg Wege, bei ECE für Osnabrück zuständig. Parallel bemüht sich die Münsteraner Projektentwicklungsgesellschaft CM um Investoren für den ehemaligen Wöhrl-Komplex, der 15000 Quadratmeter Verkaufsfläche bieten könnte.

Schlosspark ist weg

Kurzum: Die Diskussion um ein Center in Osnabrück ist leiser geworden, aber nicht verstummt. Deshalb lohnt sich ein Blick nach Braunschweig, wo ECE am 29. März mit großem Brimborium die Schloss-Arkaden eröffnet hat.

Stellen Sie sich vor, das Osnabrücker Schloss wäre im Krieg zerstört und nicht wieder aufgebaut worden. Da kommt plötzlich ein Investor daher und bietet an, die Schlossfront originalgetreu aufzubauen, darin Raum für Bibliotheken und öffentliche Einrichtungen zu schaffen - unter der Bedingung, dass sich hinter der Fassade bis tief in den Schlossgarten hinein eine Shopping-Mall erstreckt. So ist es Braunschweig ergangen.

Als ECE dort vorstellig wurde, brach die Diskussion los. Kein Thema hat die Stadt stärker polarisiert als die Frage, ob und wo ECE mit seinem Shopping-Raumschiff landen soll. Eine Bürgerinitiative rief zum Protest auf. Der Einzelhandelsverband warnte vor einem Todesstoß für die City-Geschäfte, die SPD lehnte den Standort am Rande der Fußgängerzone kategorisch ab, die Grünen beklagten den Verlust des Schlossparks und die unverträgliche Größe des Objektes. Grünes Licht kam dagegen von der Industrie- und Handelskammer. Der Stadtrat sagte schließlich Ja - mit einer Stimme Mehrheit: CDU, FDP und der CDU-Oberbürgermeister stimmten für den Bau der 200 Millionen Euro teuren Schloss-Arkaden.

Satt und gemütlich

Dem Braunschweiger Einzelhandel wird nachgesagt, im Boom nach der Wende satt und gemütlich geworden zu sein. Inzwischen saugten aufstrebende Zentren wie Magdeburg, Celle, Wolfsburg, Hildesheim, Hannover immer mehr Kaufkraft aus dem Umkreis auf. Mit dem ECE-Center will Braunschweig seine Position als Handelsstandort Nummer 1 in der Region behaupten.

Ob das gelingen wird, ist drei Monate nach der Eröffnungsfeier noch nicht abzusehen. Deutlich wird aber schon jetzt die direkte Wirkung auf die City: Die Pole sind verschoben, die Fußgängerströme bewegen sich anders. Das Schloss ist das neue Gravitätszentrum.

Eine Ringstraße umschließt die Innenstadt - wie der Wall in Osnabrück. Der vierspurige Bohlweg ist ein Abschnitt dieses Rings. Er bildete früher eine Barriere. Hier endete die City. Auf der anderen Seite begann die Grünzone des Schlossparks.

Der neue Bohlweg ist der Vorhof der Schloss-Arkaden. Den Platz teilen sich jetzt Fußgänger, Radler, Autofahrer und der Nahverkehr. Noch sind gegenüber dem Schloss Baulücken und Schmuddelecken unübersehbar. Aber es tut sich was. Die " Braunschweiger Zeitung" rechnete gerade die Summe der geplanten Nachfolgeinvestitionen zusammen und kam auf etwa 200 Millionen Euro. Kurzer Blick nach Osnabrück: Was würde wohl aus dem Neumarkt mit ECE-Anschluss werden?

Und durch die Geschäftswelt der City ging ein Ruck. " Vor allem die Großen haben aufgerüstet", sagt Kaufmann Olaf Jaeschke, Sprecher des Einzelhandelsverbandes. Der Verband habe sich zunächst gegen ECE ausgesprochen, " weil wir die Mitglieder schützen müssen". Nach der Entscheidung des Stadtrates hätten sich die Kaufleute aber sehr schnell der Situation gestellt und die Zusammenarbeit mit dem Center-Management gesucht. Chef im Center ist der 28-jährige Senkrechtstarter Jens Preißler. Er kommt aus Chemnitz. Abitur nach zwölf Jahren, Blitzkarriere bei ECE, seit August 2006 Center-Manager in Braunschweig. Die Zusammenarbeit mit der Interessenvertretung der Kaufleute funktioniere " hervorragend", sagt er. " Das klappt nicht in allen Städten so gut."

Gleich zu Anfang wurden die Öffnungszeiten vereinheitlicht. An sechs Tagen sind die Geschäfte in der City jetzt bis 20 Uhr geöffnet, bis 21 Uhr ist das Center offen. Es gibt gemeinsame Aktionen, eine Einkaufsgala, Kulturprogramme. Wir kennen das auch in Osnabrück. Die etablierten Events finden weiter in der City statt, auch wenn die Schlossfassade die perfekte Kulisse bieten würde.

Jens Preißler ist Herr in einem Haus, das die Braunschweiger Wirtschaftswelt in Bewegung gebracht hat: 150 Geschäfte, 1100 Beschäftigte in Voll- oder Teilzeit, 200 Millionen Euro Investition in das Gebäude, weitere knapp 100 Millionen der Mietpartner in die Läden. 40 Prozent der Aufträge sind nach Preißlers Angaben über eine Handwerkerbörse an regionale Firmen gegangen. 293 Arbeitskräfte sind von der Arbeitsagentur vermittelt worden. Preißler: " Der Arbeitsmarkt ist so gut wie abgegrast." ECE - ein Staubsauger auf dem Arbeitsmarkt.

Staubsaugereffekt

Kritiker halten ECE schon lange einen anderen Staubsaugereffekt vor: Die Kundschaft wird komplett aufgesogen. Sie fährt ins Parkhaus, bummelt, kauft ein und fährt wieder nach Hause. Sie friert nicht, sie wird nicht nass, und sie darf sich in sauberer Umgebung sicher fühlen. Warum dann noch in die Fußgängerzone gehen?

Die " Braunschweiger Zeitung" hat vier Wochen nach Öffnung der Arkaden eine (nicht repräsentative) Umfrage gestartet, an der 2100 Leser teilnahmen. 1218 gaben an, nach einem Besuch der Arkaden " häufig" oder " immer" Geschäfte in der Innenstadt aufzusuchen. 132 tun es " selten", 14 " nie". Klar, dass Jens Preißler angesichts solcher Aussagen weder einen Staubsaugereffekt sieht noch von einem " Raumschiff ECE" etwas wissen will. " Wir holen mehr Frequenz in die Stadt." Dass der spanische Textiler ZARA sich außerhalb des Centers angesiedelt hat, wertet Preißler als Indiz dafür, dass die Innenstadt an Zugkraft gewonnen habe. Allerdings: Das warme Wetter lockte die Menschen bisher vor die Tür. Die Raumschiff- und Staubsaugereffekte treten vor allem in der kalten Jahreszeit auf.

Gleichförmig

Und die Gleichförmigkeit der Konsumtempel? Mitnichten, meint Preißler. Okay, 60 Prozent der Mieter in den Schloss-Arkaden seien Filialisten. Aber 20 Prozent seien " regionale Filialisten" und weitere 20 Prozent regionale Einzelhändler. Ein gute Mischung, findet der Center-Chef. Verlagerung von der City ins Center habe es gegeben, ja, aber nicht im nennenswerten Umfang. Erzählt auf: Die Schuhkette Deichmann, eine Reinigung, ein Reisebüro sind umgezogen.

Anfangs war die Stadt gespalten, jetzt liegt die Zustimmungsquote bei 80 zu 20 für die Arkaden, schätzt der Braunschweiger Lokaljournalist Ralph-Herbert Meyer.

Braunschweig - ja, ein Lehrstück für Osnabrück.

Ob Fluch oder Segen: Immer mehr Städte setzen auf Shoppingcenter

Oldenburg, Hannover, Hameln, Essen - Allein ECE baut oder plant zurzeit 22 Zentren

hin OSNABRÜCK. ECE kann wahlentscheidend sein. Im Streit um das geplante Center in Oldenburg ging CDU-Kandidat und Center-Gegner Gerd Schwandner ein Bündnis mit den Grünen und Linken ein. Er gewann die Wahl knapp, um kurz danach doch einem verkleinerten Center zuzustimmen.

Nun springt Oldenburg doch auf den Zug auf, der offenbar immer mehr Fahrt aufnimmt. ECE betreibt 90 Center, 22 weitere sind in Bau oder Planung. Investitionsvolumen: drei Milliarden Euro. In Hannover entsteht neben dem Bahnhof die Ernst-August-Galerie (Eröffnung Herbst 2008), in Hameln die Stadt-Galerie (Frühjahr 2008), in Essen die Galerie am Limberger Platz (2009). In Münster initiierte die Sparkasse den Bau der " Münster-Arkaden", die von der portugiesischen Gesellschaft Sonae Sierra betrieben werden. Andere Center-Gesellschaften wie die AM Development, die die Kamp-Promenade gebaut hat und offene Konzepte bevorzugt, zieht es in mittelgroße Städte wie Minden. Das Deutsche Handelsinstitur geht davon aus, dass bis 2010 60 neue Shoppingcenter in Deutschland entstehen werden.

ECE-Chef Alexander Otto, Spross der Versandhaus-Dynastie, zählte in einem Interview des " Hamburger Abendblattes" ausdrücklich Osnabrück und Bielefeld auf, um zu belegen, dass noch viel Platz ist in den Städten für neue Center.

Fluch oder Segen? In Siegen, Wetzlar, Köln oder Stolberg stehen im Umfeld der Center ganze Straßenzüge leer. Das Deutsche Institut für Urbanistik in Hamburg hat die Auswirkungen innerstädtischer Shoppingcenter auf die gewachsenen Strukturen untersucht. In Augsburg ging der Anteil der standorttypischen und charakterprägenden Geschäfte um 70 Prozent zurück. Einige gaben auf, andere zogen ins Center. In ostdeutschen Städten wie Schwerin oder Magdeburg werde das Leben in den Innenstädten von den ECE-Centern dominiert.

Bei der Umsatzentwicklung fand sich nur eine unter den untersuchten 70 Städten, die durch ein neues Center beim Umsatz zulegte: Wolfsburg. In allen anderen Städten hätten sich im Vergleich zu Städten ohne Centern " keine signifikanten Unterschiede ergeben". Die Schlussfolgerung der Wissenschaftler: Wenn der Einzelhandel nicht beim Umsatz verliert und die Center sich gut entwickeln, muss der Handel im Umkreis verloren haben. Ein Center in Osnabrück hätte vermutlich erhebliche Folgen für die Geschäftswelt in Bramsche, GMHütte oder Melle.

Internet www.ece.de

Kenndaten Im Vergleich

Osnabrück:
Einwohner: 163020

Einzugsbereich: 800 000 bis eine Million Menschen

Kaufkraftkennziffer: 100, 4

Handelszentralität: 139.4

Braunschweig:
Einwohner: 240100

Einzugsbereich: etwa eine Million Menschen

Kaufkraftkennziffer: 112

Handelszentralität: 140

Die Handelszentralität zeigt das Verhältnis des Einzelhandelsumsatzes zur Kraufkraft am Ort an. Eine Ziffer über 100 bedeutet, dass der Umsatz über der Kaufkraft liegt. Je höher die Zahl, umso größer die Anziehungskraft einer Stadt für die Kunden aus dem Umland. Die Kaufkraftkennziffer zeigt den Wert einer Stadt im Vergleich zum Bundesdurchschnitt (100).

Bildunterschrift 1: Der Haupteingang: im Portikus versteckt.

Bildunterschrift 2: Die Schloss-Arkaden in Braunschweig: 150 Geschäfte, 30000 Quadratmeter Verkaufsfläche. Ein ECE-Center in Osnabrück wäre mit maximal 25000 Quadratmetern etwas kleiner.

Foto: hin

Bildunterschrift 3: Mit einem großen Spektakel wurde im August 2006 die Schlossfassade enthüllt.

Foto: ddp

Bildunterschrift 4: Bald in Hannover am Bahnhof: die Ernst-August-Galerie

Bildunterschrift 5: Bald in Oldenburg am Schloss: die Schloss-Galerie
Autor:
Wilfried Hinrichs


Anfang der Liste Ende der Liste