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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Schutz-Würden bricht ein Zacken aus der Krone
Artikel:
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Originaltext:
Wie ein Osnabrücker Architekt am Westerberg mit wertvollem Baumbestand umgeht, war schon des öfteren in der Neuen OZ nachzulesen. Das Grünflächenamt der Stadt, von der Bauverwaltung zum Kompromß gezwungen, versuchte zu retten, was noch zu retten ist und erließ eine Schutzverordnung. So gut die auch gemeint ist sie läßt makabre Züge erkennen. " Der letzte tiefe Atemzug, der vom Naturschutz gemacht wird", urteilt Prof. Hartmut Peucker, der Kreisbeauftragte für den Naturschutz in Osnabrück.

Bäume sind lästig: Sie werfen Schatten und Laub, sie sind gefährlich (neulich ist schon wieder ein Auto vor einen Baum gerast) und vor allem: Sie stehen im Weg. Vielen Leuten ist der Parkplatz vor der Haustür eben wichtiger als das überflüssige Grün.

Nun gilt im Allgemeinen der Grundsatz, daß, wo ein Ding ist, kein anderes sein kann. Wo ein Baum steht, kann da noch etwas anderes sein? Ein Osnabrücker Architekt meint, daß so etwas geht. Und die Stadt glaubt das auch. Bäume, die da stehen, wo eigentlich Häuser sind, nennt sie neuerdings " Naturdenkmale". Vielleicht sollte man besser " Naturwunder" sagen.

Diese Wunder werden immer mehr. Einige stehen an der Gutenbergstraße. Da ist zum Beispiel eine Hainbuche, die den verzweifelten Versuch unternimmt, nicht an dem neuen Wohnblock zu kratzen obwohl jeder Windstoß sie wieder in die Verlegenheit bringt. So dicht steht sie an der Hauswand. Sie soll sich demnächst " Denkmal" nennen dürfen.

Daß ihr die Baumeister mit ihren Baggern einen Teil des Wurzelwerks amputiert haben, qualifiziert sie, in den Katalog der Schutz-Würdigkeiten aufgenommen zu werden. Da waren die Säge-Attacken, denen einige Äste zum Opfer gefallen sind, noch die reinste Gnade. Nach all den Strapazen hat es dieser Baum verdient, geehrt zu werden; Und weil bei Ehrungen meist ein etwas pathetischer Ton angesagt ist, hat auch die Stadt ihre Laudatio etwas dick aufgetragen. Im Entwurf der neuen Verordnung zum Schutz der Baudenkmale hat das Grünflächenamt der " verbauten" Hainbuche folgende Passage gewidmet: " Ziel des Schutzes ist die Erhaltung und artgemäße Weiterentwicklung der Einzelbäume und der Baumgruppe. Dabei kommt es darauf an, daß die Hainbuche in ihrer Seltenheit als starkes, frei stehendes Exemplar dieser Art im weiteren Wachstum gefördert, gepflegt und vor willkürlichen Veränderungen oder Zerstörungen gesichert wird."

Die Hainbuche steht in bester Gesellschaft da: Als " schutzwürdig" akzeptiert die Satzung auch ein paar Bäume auf dem selben Grundstück, die noch tatsächlich als starke, freistehende Exemplare dieser Art erkennbar sind es aber nicht mehr lange bleiben werden.

Da haben eine Kastanie (schutzwürdig " in ihrer Schönheit mit einer ausgewogenen, frei entwickelten Krone") und eine kleine Baumgruppe (bestehend aus einer Stieleiche und zwei Rotbuchen) das Glück, in das Denkmalsregister aufgenommen zu werden. Wer Denkmal werden will, muß allerdings Federn lassen. Da bricht man sich ja keinen Zacken aus der Krone, wenn man einen Baumgrundriß wie eine Torte anschneidet. Anders ausgedrückt: So ein Baum darf sich entwickeln, wie er will, aber er muß ein Viertel von seinem Wurzel- und Kronenbereich abtreten, weil da noch jemand bauen möchte. Und wenn der Baum das überlebt, steht ihm der volle Schutz des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes zu.

Wer ihm dann noch etwas tut, muß mit einer Geldstrafe bis zu 50.000 Mark rechnen. Das gilt allerdings erst, wenn die Verordnung in Kraft ist, und nicht, wenn vorher mal etwas gesägt oder gegraben wird.

Nach diesem Kriterium sind noch einige andere Bäume auf dem Grundstück zwischen Gutenbergstraße und Lürmannstraße schutzwürdig: Eine Linde, die sich trotzig an der Dachkante reibt, ein Spitzahorn, der regelmäßig an das Fenster der zweiten Etage klopft, und eine Trauerbuche.

" ND" HEISST NATURDENKMAL! Kraft Verordnung wird der intakten Baumgruppe (oben rechts) ein " Tortenstück" aus der Krone amputiert. Am Samstag wird die neue Verordnung rechtskräftig. Sollte man da nicht auch solche Baum-Wunder wie die Linde (links) unter Naturschutz stellen?

Aufnahme: Lindemann
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert


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