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Überschrift:
An Loch 13 verrotten jetzt Kartoffelschalen
Zwischenüberschrift:
Zwei Jahre nach Baubeginn: Ein Stimmungsbild unter den neuen und alten Bewohnern
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
An Loch 13 verrotten jetzt Kartoffel schalen

Zwei Jahre nach Baubeginn: Ein Stimmungsbild unter den neuen und alten Bewohnern

Von Joachim Dierks

Kalkhügel

Nichts geht über Gummistiefel. Der Wurmfortsatz des Hauswörmannsweges, der das neue Baugebiet erschließt, wartet noch auf seinen endgültigen Belag. Die neuen Häuser sind bezogen. Eigentlich könnte jetzt auch bald die Straße gemacht werden, meinen die Neusiedler. Und der Kinderspielplatz angelegt werden, den die Stadt versprochen hat.

Ulrich Döring deutet auf sechs Linden und Kastanien vor seiner Haustür. " In deren Schatten habe ich früher so manches Mal mein Feierabendbier getrunken, als sie noch zum Biergarten des Kaffeehauses . Fernblick' gehörten." Der Bewohner eines der schmucken neuen Häuser erläutert, dass die Bäume nach wie vor Bestandsschutz genießen, anders als das Gasthaus selbst, das 2002 abgerissen wurde (siehe Chronik).

Mit der Wohnsituation selbst ist auch Ehefrau Doris rundum zufrieden. " Herrlich ruhig" habe man es, die Nachbarn seien nett, und auch mit Alt-Siedlern auf der anderen Seite des Hauswörmannsweges gebe es nicht die geringsten Probleme. " Unsere Verbindung zum Fernblick könnte nicht enger sein. Wir haben hier unsere Hochzeit gefeiert, und mein Mann seinen 50. Geburtstag.

Jetzt haben wir das Wohnzimmer da, wo früher der Saal war. Beim Ausschachten sind wir noch in die alten Kellermauern reingekommen. Und der Komposthaufen im Garten, das war Loch 13 des Minigolfplatzes."

Welche Empfindungen haben heute Altsiedler der Berningshöhe? Eine Passantin: " Ich habe hier früher auch Flugblätter verteilt und Unterschriften gesammelt. Jetzt hat sich alles beruhigt." Ihr Ehemann: " Das ist die normative Kraft des Faktischen. Alle sind erst einmal gegen Veränderungen. Aber wenn dann die neue Situation da ist, richtet man sich ein."

Die junge Mutter Silvia Haase schaut aus ihrem Altbau jetzt gegen neue Hauswände. " Früher war auf der anderen Straßenseite alles grün. Da war unser persönlicher Fernblick schöner. Aber wenn erst einmal Baulärm und - dreck vorüber sind, dann können wir damit leben. Viel wichtiger wäre, dass auf dem Hauswörmannsweg nicht so schnell gefahren wird. ' Tempo 30' ist nicht deutlich genug beschildert." Mit der Konsequenz, dass sie Sohn Elias (5) nicht allein über die Straße lassen könne, zum Beispiel zu dem neuen Spielplatz, wenn er denn drüben " hoffentlich endlich" angelegt werde.

Ein älterer Bewohner des Wilhelm-Mentrup-Weges empfindet die neuen Häuser als architektonische Bereicherung. Das " Geschrei um den Bolzplatz" sei ein vorgeschobenes Argument gewesen. " In Wirklichkeit hat man da fast nie Kinder gesehen. Beim kleinsten Regenguss stand die Wiese doch sowieso unter Wasser." Was hält er von dem neuen Bolzplatz, hoch und trocken, auf der anderen Seite des Bergerskamps? " Der kommt mir etwas steril vor, mit dem hohen Zaun drum herum, das typische Ergebnis eines hart errungenen Interessenausgleichs, perfekt, teuer und auch nicht richtig gut angenommen." Ein Anwohner vom Armenholz sieht es anders: Der neue Bolzplatz werde gut angenommen, jedenfalls sei dort deutlich mehr los als auf der teilweise bebauten Bolzwiese. Auch dem Kaffeehaus Fernblick weint der Mann vom Wilhelm-Mentrup-Weg keine Träne nach: " Den alten Kasten habe ich in den letzten 20 Jahren nur betreten, wenn Wahlsonntag war. Nein, wir haben jetzt hier ein ganz anderes Problem: So viele neue Siedlungen sind entstanden und kein Laden weit und breit. Uns fehlt eine Nahversorgungs-Tante-Emma!"

Chronik

Juni 1995: Die Eigentümer des Kaffeehauses " Fernblick" verkünden, das Lokal aufgeben zu wollen. Seinen Platz soll nach den Vorstellungen des Bauträgers Scholle verdichtete Wohnbebauung einnehmen. Umgehend bildet sich unter Stammgästen eine Bürger-Initiative gegen den Abriss.

November 1995: Festlegungen im B-Plan-Entwurf zum Erhalt von Grünflächen bremsen die Investitionslust des Bauträgers.

Dezember 1995: Überraschend erhält ein neuer Pächter einen Zehnjahrevertrag. Trotz Renovierungen bleibt eine wirtschaftliche Betriebsführung problematisch.

April 2000: Mit einem großen Osterfeuer schließt das Traditionslokal " vorläufig", wie es zunächst heißt, verfällt aber zusehends.

Oktober 2001: Die Firma Echterhoff kauft das Fernblick-Grundstück und plant eine weniger dichte Bebauung. Da Baumschutzauflagen ihr eine Bebauung des Biergarten-Areals verwehren, schlägt sie der Stadt einen Teiltlausch gegen den Bolzplatz vor, eine Wiese nördlich des Fernblick-Grundstücks.

Juni 2002: Der Widerstand richtet sich nun nicht mehr gegen den Abriss des Lokals, der im Juli erfolgt, sondern gegen den Verlust des Bolzplatzes.

Oktober 2002: Ein Kompromiss scheint gefunden: Zwei Drittel des Bolzplatzes bleiben erhalten, nur zwei Parzellen an seinem östlichen Rand dürfen bebaut werden. Aber auch diese abgespeckte Version des B-Plans stößt auf heftige Kritik. Der Bürgerverein Neustadt sammelt 440 Unterschriften und erhält Unterstützung von SPD und Grünen im Rat.

September 2003: Die Ratsmehrheit setzt sich durch. Dem Baubeginn steht nichts mehr im Wege.

" HERRLICH RUHIG", so empfinden es die Neu-Siedler am ehemaligen Kaffeehaus Fernblick. Die Nachbarn seien nett, und auch mit Alt-Siedlern auf der anderen Seite des Hauswörmannsweges gebe es nicht die geringsten Probleme. Fotos: Uwe Lewandowski

AUF EINEN STOPP des Baulärms warten Elias und Silvia Haase.

ENGE VERBINDUNG zum Fernblick hatten die Dörings schon immer. Wo früher Loch 13 des Minigolfplatzes war, ist heute ihr Komposthaufen.
Autor:
Joachim Dierks


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