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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Vierte Woche Streik: "Jetzt erst recht"
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Von Resignation nichts zu spüren - Eindrücke aus dem Streiklokal
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Vierte Woche Streik: " Jetzt erst recht"

Von Resignation ist nichts zu spüren - Eindrücke aus dem Streiklokal - Heute Aktionstag in Meppen

Von Ulrike Schmidt

Osnabrück

Kurz vor 12 Uhr in der Lagerhalle, die nun schon in der vierten Woche der Treffpunkt für die Streikenden des öffentlichen Dienstes in Osnabrück ist. Von Resignation oder Streikmüdigkeit ist nichts zu spüren, eher von einer trotzigen " Jetzt-erst-recht-Stimmung".

Prof. Dr. Klaus Busch hat an diesem Morgen zu den Beschäftigten gesprochen. Es ging um das Thema Tarifautonomie. Dabei hat er unter anderem gesagt, dass der öffentliche Dienst in Deutschland bei den Arbeitszeiten im Vergleich zu den alten europäischen Ländern eher an der oberen Grenze liegt. Weiteren Diskussionsstoff bietet eine neue Extra-Ausgabe der ver.di-Streikzeitung, die die Osnabrücker Tarifkoordinatorin Martina Kranke verteilt.

Nein, sie habe die Nase noch nicht voll, sagt Theresia Jünemann, die im Haus der Jugend arbeitet: " Ich werde eher wütender, weil immer klarer wird, dass es nicht um die anderthalb Stunden Mehrarbeit pro Woche geht, sondern um die Einsparung von Arbeitsplätzen." Bei rund 2 000 städtischen Angestellten und Arbeitern seien das 3 000 Wochenarbeitsstunden, rechnet sie vor. Die Arbeitgeber hielten ja auch nicht mehr damit hinterm Berg, dass Arbeitsplätze wegfallen sollen - " und das bei fünf Millionen Arbeitslosen". Viele sprechen von einem " inneren Konflikt" während des Streiks, von dem sie nie erwartet hätten, dass er so lange dauert: " Wir möchten ja arbeiten, und wir arbeiten gerne". Aber es gehe nicht allein um sie, sondern auch um die vielen jungen Menschen, denen der Einstieg in das Berufsleben verwehrt würde, erst recht, wenn auch im öffentlichen Dienst mit einer Arbeitszeitverlängerung weitere Stellen gestrichen würden.

" Wenn man uns immer fragt, warum wir für nur 18 Minuten täglich Mehrarbeit streiken, können wir ja auch fragen, warum die Arbeitgeber für 18 Minuten einen Streik vom Zaun brechen", sagt Thomas Maag vom städtischen Eigenbetrieb Grün und Friedhöfe. Auch er ist sich mit seinen Kollegen, die im Umweltschutz tätig sind, einig, dass mehr dahinter steckt. " Viele Kollegen mit Zeitvertrag machen mit, weil sie Angst haben, dass der Vertrag nicht verlängert wird", meint Susanne Franzus.

Nicht zuletzt gehe es bei dem Streik auch um das Überleben der Gewerkschaft, wirft Thomas Krosok ein. Und die werde noch dringend gebraucht, weil es das nächste Mal vermutlich um 42 Stunden Arbeitszeit und mehr gehen werde, um die Kürzung des Urlaubsanspruches und des Urlaubsgeldes. Das mit der Unkündbarkeit sei auch eine Mär. Deshalb wollen sie weitermachen, auch wenn " die langen Pausen zwischen den Verhandlungen an den Nerven zehren", wie Sven Düyffcke zugibt. Aber die Unterbrechungen lägen an den Arbeitgebern und nicht an der Gewerkschaft.

Mit mindestens 100 Litern Kaffee, 400 belegten Brötchen und 70 Litern Suppe beköstigt die Küche der Lagerhalle seit drei Wochen jeden Werktag die Streikenden. Heute hat das Streiklokal einen Tag Pause. Die Gewerkschaft hat zu zu einem Streik- und Aktionstag in Meppen aufgerufen. Zwei Tage später starten nach Auskunft von Martina Kranke mehr als 800 Osnabrücker zu einer zentralen Kundgebung vor den internationalen Gästen der Computermesse CeBIT, die am Freitag eröffnet wird. Dafür bemalt eine Kreativgruppe Transparente mit Sprüchen wie " Osnabrück lässt grüßen, Möllring tritt uns mit Füßen". Der zweite Teil des Satzes wird rot geschrieben: " Rot steht für Wut."

" Die Stimmung ist gut", sagt Martina Kranke. Seit dem ersten Streiktag am 13. Februar kämen regelmäßig gut 800 Beschäftigte im Ausstand in der Lagerhalle zusammen, um anschließend zu Aktionen auszuschwärmen. Wichtig sei die Information der Bürger, " damit die Stimmung nicht umkippt." Schärf kritisiert die Gewerkschafterin, dass die Stadt Ein-Euro-Jobber als Ersatz für Streikende einsetze. Stadtrat Leyendecker weist diesen Vorwurf entschieden zurück (stehe auch " Zur Sache").

Die Notdienstvereinbarung für den Winterdienst bleibe in Osnabrück unangetastet, versicherte Kranke: " Wir gefährden keine Menschenleben."

Zur Sache: Die Auswirkungen des Streiks

" Müllberge? Da müssen Sie lange suchen"

" Ich bin froh, dass die arbeitswilligen Mitarbeiter durch ihren enormen Einsatz die Auswirkungen des Streiks in Grenzen halten." So kommentierte gestern der Erste Stadtrat Karl-Josef Leyendecker die Situation bei der Stadtverwaltung und ihren Eigenbetrieben. " Müllberge? Da müssen Sie lange suchen", sagte er auf Anfrage der Neuen OZ. 20 der 71 Müllwerker befänden sich im Ausstand. Durch Umorganisation und den Einsatz von Kräften der Stadtreinigung könne die Müllabfuhr fast reibungslos laufen. In den ersten drei Wochen habe nicht eine städtische Kindertagesstätte schließen müssen. In etwas größeren Gruppen als üblich könnten alle Kinder betreut werden: " Von den 300 Mitarbeitern im Jugendamt streiken gerade mal 40", sagte Leyendecker als Beispiel für die nach seiner Ansicht geringe Beteiligung an der Arbeitsniederlegung: " Das stellt eine gut operierende Verwaltung nicht vor Probleme." Streikende Politessen würden durch Abrufkräfte ersetzt, die auch in Ferienzeiten herangezogen würden: " Der ruhende Verkehr wird zu 90 Prozent überwacht." Nachdrücklich wies Leyendecker Vorwürfe der Gewerkschaft ver.di zurück, Ein-Euro-Jobber würden zu regulären Arbeiten der Verwaltung eingesetzt: " Das ist nicht der Fall." Es könne sich höchstens um zwei Leute handeln: " Und die können doch wohl keinen Streik unterwandern." S.

DER TITEL der zweiten Extra-Ausgabe der ver.di-Streikzeitung meint nicht den Ausstand: Die Osnabrücker wollen weitermachen, weil es nach ihrer Ansicht nicht um Arbeitszeit, sondern vor allem um den Abbau von Arbeitsplätzen geht. Fotos: Michael Hehmann

70 LITER SUPPE, mehr als 100 Liter Kaffee und 400 belegte Brötchen werden täglich im Streiklokal verputzt.

HINTER DEM STREIKLOKAL, der Lagerhalle, liegt ein Berg Müll, der noch nicht abgeholt wurde. Foto: Michael Hehmann
Autor:
Ulrike Schmidt


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