User Online: 3 | Timeout: 03:00Uhr ⟳ | Ihre Anmerkungen | NUSO-Archiv | Info | Auswahl | Ende | AAA  Mobil →
NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Datensätze des Ergebnis
Suche: Auswahl zeigen
Treffer:1
Sortierungen:
Anfang der Liste Ende der Liste
1. 
(Korrektur)Anmerkung zu einem Zeitungsartikel per email Dieses Objekt in Ihre Merkliste aufnehmen (Cookies erlauben!)
Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Nachbarn mit Panzerlärm und Marschmusik
Zwischenüberschrift:
Aus Kriegsgegnern werden Partner - Zeitweise größte Garnisonsstadt außerhalb Großbritanniens
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Aus Kriegsgegnern werden Partner- Zeitweise größte Garnisonsstadt außerhalb Großbritanniens

Von Frank Henrichvark

Osnabrück

In den Ostertagen des Jahres 1945, als von Westen her immer deutlicher der Lärm der herannahenden Front zu hören war, kramten manche Osnabrücker verschämt in ihren Vokabelkenntnissen: Der Krieg war fast vorbei. In nächster Zeit würde man es mit Engländern - oder eben " dem Tommy", wie es im Soldatenjargon hieß - zu tun haben.

Da konnte eine Rückbesinnung auf einst gelernte Worte im Dialog nur nützlich sein. Schließlich betrachteten die Deutschen die Engländer, zumal im einstmals in Personalunion regierten Welfenland Niedersachsen, als irgendwie verwandte Vettern. Wenn auch, das gehört ebenso zur historischen Wahrheit, Osnabrücker Abiturientinnen von einem Oberstudiendirektor in der braunen Uniform eingetrichtert worden war: " Ihr sollt Englisch lernen, damit ihr die Engländer hassen lernt!"

Nun aber kamen die Befreier von der Nazi-Diktatur. Sieger und Besiegte wahrten geschäftsmäßige Distanz. Auf dem " Braunen Haus" am Heger-Tor-Wall wehte der Union Jack. Ansonsten herrschte Ausgangssperre für die Deutschen und Fraternisierungsverbot bei den Briten. Und von dem neuen Militärgouverneur Major Geoffrey Herbert Day wurde schnell bekannt, dass er auf seinem Schreibtisch eine Karte mit der Aufschrift " Ich hasse alle Deutschen" stehen hatte und damit Unnahbarkeit demonstrierte.

Das Verhältnis wandelte sich allerdings schrittweise, je enger die Zusammenarbeit zwischen der Besatzungsmacht und der deutschen Stadtverwaltung wurde. Selbstverständlich stand jeder Deutsche zunächst einmal unter dem Generalverdacht, ein Nazi zu sein. War diese Hürde genommen, so konnte Day aber auch beachtliche Energien entwickeln.

Großer Einsatz für Krankenhausaufbau

Von Josef Feldwisch-Drentrup, dem mit dem Wiederaufbau des Marienhospitals beauftragten Architekt, ist überliefert, Day habe ihm bei seinem ersten Bittgang wegen der Zuteilung von Baumaterial prompt mit " Einsperren" gedroht. Wenig später begutachtete der Stadtkommandant dann allerdings persönlich die Aufbauarbeiten und gehörte fortan zu den besonderen Förderern dieses Unternehmens: Sein Engagement für das Marienhospital sei " kaum zu fassen" gewesen.

Zu welcher Mischung aus kolonialer Herablassung und rhetorischem Sportsgeist dieser britische Offizier (im Zivilberuf war er Manager des " Times Magazine") fähig war, zeigt auch der folgende Dialog mit Oberbürgermeister Petermann: Day: " Sie haben ja heute schon wieder einen anderen Anzug an. Sie haben wohl gute Beziehungen zur Partei gehabt?" Petermann: " Ich habe früher einmal bessere Zeiten gesehen und habe mir dann eine Anzahl von guten Anzügen machen lassen, und diese Anzüge waren von gutem englischem Stoff." Darauf Day: " Das war eine gute Antwort. Gut für mein Land und gut für Sie selber."

Ein Jahr später, als Day auftragsgemäß an einer Sitzung des ernannten Rates teilnahm, ging die Untertreibung noch einen Schritt weiter. Er sei lediglich der Gast des Oberbürgermeisters, sagte Day, " praktisch bin ich nicht hier".

Der Aufbau einer neuen Kommunalverwaltung und die Truppen-Stationierung, das waren in den Folgejahren die Berührungspunkte zwischen Deutschen und Briten. Auf politischem Gebiet sollte die Demokratie nach dem Willen der Besatzungsmacht " von unten" wachsen. Aufstrebenden Politikern wie dem späteren OB Willi Kelch wurde deshalb im Sinne der Reeducation schon mal eine Reise nach England spendiert.

Zugleich bauten die Briten die vorhandenen Kasernen in Osnabrück schrittweise zur größten Garnison außerhalb des Mutterlandes aus: 4 500 Soldaten und 5 000 Familienangehörige lebten in den Hochzeiten der 70er und 80er Jahre hier: " Jeder sechzehnte Osnabrücker ein Brite", titelte damals die Zeitung.

Wer allerdings zwischen den Zeilen nach dem menschlichen Miteinander fahndet, stößt auf Merkwürdigkeiten: Da ist immer mal von Reibereien, von Belästigung durch Panzerlärm und sogar von " wachsender Feindseligkeit" (so eine Studie einer englischen Studentin im Jahr 1992) die Rede - allen Bemühungen um Dialog und gute Nachbarschaft, allen großen Militärkonzerten und öffentlichen Zeremonien zum Trotz.

Darüber wird allerdings vergessen, dass in 60 Jahren zahllose deutsch-britische Ehen gestiftet worden sind. Und könnte es sein, dass das Verhältnis zwischen den Deutschen und ihren Vettern jenseits des Kanals eben nichts anderes abbildet als eine entfernte Verwandtschaft?

DIE BRITEN KOMMEN: Ostern 1945 erreichen sie die Region Osnabrück als Sieger und Besatzer. Wenn sie die Stadt verlassen, sind sie Freunde und Partner.

MUSIKPARADE AUF DER ILLOSHÖHE IM MAI 1964: Mit Konzerten demonstrieren die Briten bis heute ihre Verbundenheit mit der Stadt und ihren Einwohnern.

VERACHTETE zunächst die Deutschen: Major Geoffrey Herbert Day, Militärgouverneur in Osnabrück.
Autor:
Frank Henrichvark
Themenlisten:


Anfang der Liste Ende der Liste