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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Überschrift:
Der Turm von St. Marien bekommt eine neue Haut
 
Wie haltbar ist ein Dach aus Kupfer?
Zwischenüberschrift:
Risse, Feuchtigkeit und Pilzbefall: Kupferdach ist undicht
Artikel:
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Originaltext:
Der Turm von St. Marien bekommt eine neue Haut

Risse, Feuchtigkeit und Pilzbefall: Kupferdach ist undicht

Von Frank Henrichvark

Die Silhouette der Stadt Osnabrück wird sich in den nächsten Monaten verändern: Der Turm von St. Marien, der schlanke Himmelsweiser im Dreiklang von Dom, Rathaus und Kirche am Markt, bekommt eine neue Kupferhaube. Aber bis die eine so wunderbare Patina angenommen hat wie die jetzige Eindeckung, werden wohl 20 bis 40 Jahre vergehen.

Schon vor drei Jahren wurden der Küster, der Kirchenvorstand und die Fachleute vom Amt für Bau- und Kunstpflege der Hannoverschen Landeskirche auf das Problem aufmerksam. In der Glockenstube unter dem Turmhelm bildeten sich Pfützen. Eine Inspektion mit dem Teleskopkran zeigte damals neben acht Einschüssen an der Marktseite auch mehrere Risse in den Kupferplatten: Dort, wo die beiden Bahnen durch Falzen und Bördelen verbunden sind, hatten sich waagerecht verlaufende Risse gebildet - zwei bis fünf Zentimeter lang und mehrere Millimeter breit.

Diese Risse wirken bei Regen " wie ein Gully" und schluckten die Feuchtigkeit, berichtete gestern Ralf Finkemeyer, Architekt und für die Bauerhaltung bei der Landeskirche zuständig. Reparaturversuche schlugen fehl, stattdessen zeigte eine erneute Inspektion eine gravierende Zunahme der Schadstellen. Deshalb wurde beschlossen: Das ganze Kupferdach muss runter. Der barocke Turmhelm wird neu eingedeckt.

Seit Anfang der Woche sind schon die Gerüstbauer bei der Arbeit. So richtig sichtbar wird das allerdings erst nach Ostern: Dann werden sie damit beginnen, von der Galerie aus den 40 Meter hohen Turm bis zum Kreuz hin einzurüsten. 60 Tonnen Stahl und Holz müssen dafür auf den Turm geschafft werden: Bis unterhalb der Zwiebel schafft das ein Aufzug, von dort aus müssen die Gerüstbauer sich dann in Handarbeit hochhangeln: Fünf Wochen sind allein für diese Arbeit veranschlagt.

Dann übernimmt ein auf Kirchendächer und die Kupferverarbeitung spezialisierter Klempnereibetrieb das Regiment. Gut fünf Tonnen Altmetall müssen runter, 600 Quadratmeter der 0, 7 Millimeter starken und 50 mal 100 Zentimeter großen Kupfertafeln neu aufgebracht werden. Mindestens bis in die Weihnachtszeit werde deshalb der Turm von St. Marien eingerüstet und verhüllt sein, kündigte Ralf Finkemeyer gestern an: " Je nach Wetter und Arbeitsfortschritt kann es auch länger dauern." Das bedeutet zunächst einmal: Keine Nachtwächterführungen mit Blick von oben herab auf die Altstadt, keine Turmbläserkonzerte in der Adventszeit. Am Ostersonntag um 9 Uhr wird vorläufig zum letzten Mal geistliche Musik vom hohen Turm herab zu hören sein.

Patina bildet sich erst nach 20 bis 30 Jahren

Möglicherweise wird aber der Turm von St. Marien für eine ganze Generation matt und kupferbraun aussehen, nicht mit Grünspan überzogen leuchten. " Es braucht mindestens 20 bis 30 Jahre, bis sich unter dem Einfluss von Luft und Wasser die natürliche Patina bildet", sagte dazu Berthold Sandkämper, technischer Kundenberater beim Kupferproduzenten KME. Zwar bietet KME mitterweile auch vorpatiniertes Kupfer an. " Aber es gibt ästhetische Vorbehalte und dazu kommen auch höhere Kosten", sagte gestern Ralf Finkemeyer. Ohnehin ist die Turmeindeckung mit über 400 000 Euro kalkuliert, das grün gefärbte Material würde noch einmal zehn Prozent Mehrkosten bedeuten. " Die Frage muss noch von Kirchenvorstand und Landeskirche entschieden werden", betonte Pastor Achim Kunze.

Wie haltbar ist ein Dach aus Kupfer?

Es gibt in Kupfer gedeckte Kirchendächer in Deutschland, die halten schon seit 700 Jahren jedem Wetter stand. Der 190 Jahre alte Turm von St. Marien ist 1944 abgebrannt. Sein Nachfolger wurde erst 1958 gezimmert und gedeckt, jetzt muss die grüne Haube schon wieder herunter. Warum?

Der Bauingenieur Berthold Sandkämper beschäftigt sich bei KMR nur mit solchen Großprojekten. Er hat zwei Erklärungen auf diese Frage parat, eine pysikalische und eine psychologische: Zunächst die technische Antwort: Der Turmhelm der Marienkirche wurde nach seinem barocken Vorbild aus dem Jahr 1753 rekonstruiert. Er misst von der Galerie bis zum Turmkreuz 43, 5 Meter. Die Eindeckung besteht aus Platten von einem Meter Länge und einem halben Meter Breite. Diese Tafeln sind mit Falzen verbunden und wurden mit Kupferklammern innerhalb dieser Falze auf der Schalung befestigt.

" Bei einem Temperaturanstieg von minus 20 Grad im Winter auf bis zu 80 Grad im Sommer dehnt sich die Dachhaut über die Länge von 40 Metern um ganze sieben Zentimeter aus", berichtete Sandkämper: " Diese Ausdehnung muss ein solches Dach wegstecken, sonst reißen eben die Falze auf." Und genau das ist hier geschehen. Weil die Klempner 1958 es wohl besonders gut meinten und die Verbindungen sehr fest anlegten. Oder weil die Erfahrung fehlte? Berthold Sandkämper ist da Diplomat: " So eine Arbeit steht und fällt mit dem ersten Mann auf dem Turm", sagt er nur.

Der aus Nadelholz gezimmerte Dachstuhl und die aufgenagelten Schalbretter sind dagegen bis heute gesund. Gerade noch rechtzeitig sei mit der Sanierung begonnen worden, so die Fachleute: " Die Feuchteschäden mit Pilzbefall verschwinden wieder, wenn alles trocken bleibt", betonte Ralf Finkemeyer vom Amt für Bau- und Kunstpflege der Landeskirche. (fhv)

SORGENVOLLE BLICKE: Pastor Achim Kunze, Architekt Ralf Finkemeyer und Bauingenieur Berthold Sandkämper kümmern sich um das Projekt St.-Marien-Kirchturm.Foto: Elvira Parton

ERST IN DREISSIG JAHREN wird der Marien-Kirchturm wieder seine tiefgrüne Patina zurückbekommen, wenn er jetzt mit neuen Kupfertafeln gedeckt wird. Foto: Michael Hehmann
Autor:
fhv


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