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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Chemieunfall wird zur Umwelt-Katastrophe
Zwischenüberschrift:
Giftiges Acrylnitril im Boden versickert: Sanierung ist teuer und wird Jahre dauern
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Originaltext:
Chemieunfall wird zur Umwelt-Katastrophe

Giftiges Acrylnitril im Boden versickert: Sanierung ist teuer und wird noch Jahre dauern

Bei dem Chemieunfall im Güterbahnhof am 16. Februar ist Osnabrück zwar knapp an einer Katastrophe vorbeigeschlittert, aber katastrophale Folgen für die Umwelt hatte der Brand doch: Große Mengen des hochgiftigen Acrylnitrils (ACN) sind in den Boden gesickert und müssen nun geborgen werden. " Ein Schadensfall noch für Jahre", sagte dazu gestern Erster Stadtrat Karl-Josef Leyendecker.

Nur weil die Feuerwehr im freien Gelände neben dem Bahngleis agieren konnte, wurde wahrscheinlich ein noch größerer Schaden verhindert: " Wäre einer der Kesselwagen explodiert, hatte das einen Feuerball von hundert Meter Durchmesser bedeutet", berichtete gestern der Einsatzleiter Heiko Schnitker von der Berufsfeuerwehr. Erst sechs Stunden nach der Havarie des Güterzuges erstickten die Feuerwehrleute den Brand unter Bergen von Löschschaum.

Der Güterzug ist damals durch einen Gleisbruch innerhalb zweier Kreuzungsweichen entgleist. Zwei Kesselwagen wurden beschädigt. Neben Restmengen von Propangas aus dem einen Waggon verbrannte auch das hochgiftige und explosive Acrylnitril - ein Großteil der 64 Tonnen der Chemikalie ist jedoch schon in den ersten Minuten ausgelaufen und zusammen mit etwa drei Millionen Litern Löschwasser im Gleisbett versickert.

Detlef Gerdts vom Fachbereich Grün und Umwelt machte gestern das ganze Ausmaß des Problems deutlich: " Wir haben es mit einem Löschwasserberg im Boden zu tun, der sich jetzt nach den Seiten und nach unten ausdehnt." Sollte der Cocktail aus Wasser und Acrylnitril ins Grundwasser oder die Hase austreten, sei mit massiven Schäden für die Mikroorganismen und einem Fischsterben zu rechnen.

Und weil Acrylnitril auch Kunststoffe angreift, mussten in den letzten lagen mehrere im Boden entlang der Unfallstelle verlegte Starkstromleitungen überbrückt werden. Bei einem Kurzschluß wären sonst die Firma Karmann und weite Teile des Fledders ohne Strom gewesen.

Mittlerweile haben die Experten unter großen Vorsichtsmaßnahmen ein Netz von 52 Peilbrunnen auf der Schadensfläche ausgelegt. Die Ergebnisse sind alarmierend: Bis zu 28 Gramm der Chemikalie pro Kilogramm Boden wurden gefunden. Ein Brunnen im Zentrum der Brandfläche liefert Wasser, das mit 150 Milligramm Acrylnitril pro Liter Wasser verseucht ist. " Im ersten Anlauf wollen wir versuchen, möglichst viel von diesem Löschwasser abzupumpen", berichtete Gerdts weiter, " die Hoffnung besteht, bis zu 120 Tonnen Wasser zu bergen." Dieses kontaminierte Wasser könne dann in der biologischen Kläranlage des ACN-Herstellers in den Niederlanden gereinigt werden. Immerhin gibt es zwei auf ACN spezialisierte Mikroben namens Rhodococcus rhodochrous und Pseudomonas chlororaphis, die diese Chemikalie aufspalten und verdauen können.

Über das weitere Vorgehen wird derzeit noch in der aus 20 Experten bestehenden Arbeitsgruppe diskutiert. Die verseuchte Erde auszubaggern sei kaum möglich, sagte Gerdts gestern, weil unabsehbare Arbeitsschutz-Probleme für die Beschäftigten entstehen würden. Allenfalls komme das Tiefgefrieren des Bodens mit flüssigem Stickstoff in Frage: Dann könnte der gefrorene Boden wie Gestein abgebaut und auch transportiert werden. Dritte Möglichkeit: Mit Pressluft das Wasser an die Oberfläche zu drücken und dort mit Biofiltern den Schadstoff abzubauen.

Eins scheint bereits jetzt klar zu sein: Jedes denkbare Sanierungsverfahren wird lange dauern und teuer werden. In jedem Falle haftet die Bahn AG für die Unfallfolgen, deren Höhe sich wohl auf mehrere Millionen Euro belaufen dürfte. Ein Mitarbeiter der Bahn AG, der dazu weitere Aufkünfte geben könnte, sagte seine Teilnahme an der gestrigen Pressekonferenz ab: " Unverständlich angesichts der Sachlage", so kritisierte Stadtrat Leyendecker dieses Verhalten. (fhv)

ABGESPERRT UND GESICHERT ist derzeit die Unfallstelle des Großbrandes vom 16. Februar im Güterbahnhof. Die Sanierungsarbeiten werden Jahre dauern. Foto: Klaus Lindemann
Autor:
fhv


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