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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Von Spardosen und Silberpokalen, Design-Ikonen und Massenware
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Haus der Sammlungen: Das Dreikronenhaus wird wieder zum Museum
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Von Spardosen und Silberpokalen, Design-Ikonen und Massenware

Haus der Sammlungen: Das Dreikronenhaus wird wieder zum Museum

Von Frank Henrichvark

»Vor Weihnachten roch es nicht nach Spekulatius, sondern nach Holzleim", so hat die Stifterin Inge Tepelmann berichtet, als sie ihr dreistockiges Puppenhaus ins Museum brachte - weil nämlich die Eltern für ihre Tochter jedes Jahr wieder etwas für den Hausrat hinzubastelten: Bis zum Grammophon und Volksempfänger in den 30er Jahren. So hatten es auch schon deren Eltern gehalten, als sie den eigenen Hausrat in die Miniaturwelt hineinprojezierten. Bürgerliche Wohnkultur im Kleinen, nach dem Matroschka-Prinzip.

Am Sonntag wird das Dreikronenhaus hinterm Heger Tor wieder eröffnet: Als " Haus der Sammlungen" mit dem Arbeitstitel " KunstHandwerk und Design": So lautet der Sammel-Titel der neu konzipierten Ausstellung für dieses Haus, mit dem die Trias des Kulturgeschichtlichen Museums nun in eine neue Ära startet. Hauptgebäude (mit der Stadtgeschichte) und , Schlikkersche Villa (mit insenierten Räumen als " Haus der Erinnerungen) werden spätestens 200) 4 folgen, so hat es Museumsdirektorin Dr. Eva Berger gestern versprochen.

Berger und ihr Kurator Thorsten Heese haben für das Dreikronenhaus eine Ausstellung entworfen, die lehrreich ist, ohne pädagogisch zu sein; die voller Querverweise steckt und damit die Entdeckerfreude anstachelt; die neue Sammlungen auffächert und andererseits vertraute Gegenstände neu sehen lässt. Dabei wird der Gang des Besuchers " anders herum" von der Gegenwart in die Vergangenheit gelenkt: Den Anfang macht ein privater Sammler mit seinem Steckenpferd: Prof. Lothar Beinke hat seine Kollektion von aberhundert Spardosen zur Verfügung gestellt. Vom sprichwörtlichen Sparstrumpf über Volkskunst bis hin zu den Werbegeschenken der Banken aus der Gegenwart geht das, " Wer sparen will, muss entbehren lernen" droht der Zeigefinger bei einem Exemplar, anderes Blechspielzeug schnappt methalisch den Kindergroschen weg.

Von hier wäre eine Verbindungslinie zu den Puppenstuben im Dachgeschoß zu ziehen; andere Diagonalen spannen sich ebenfalls durch das Haus: Etwa vom simplen Stuhl als Erzeugnis aus handwerklicher Produktion bis hin zur industriellen Serienfertigung. Oder von einer Design-Ikone wie Marcel Breuers Stahlrohrsessel " Wassily" zu den Möbel-Entwürfen des Osnabrückers Friedrich Vordemberge-Gildewart. Oder eben auch von den Silberschmiede-Arbeiten der ebenfalls vom Bauhaus-Dekor beinflussten Metalldesignerin Maria Sophie Anna Frömbling, ebenfalls in Osnabrück entstanden: Die Tischkultur der 20er Jahre findet hier ihr Pendant in den Silberschmiedearbeiten des 18. Jahrhunderts, die nur zwei Räume weiter präsentiert werden. Neben den Gebrauchsgegenständen stehen selbstverständlich die Möbel. Neue Sachlichkeit, Jugendstil, Klassizismus, diese drei Phasen werden ausführlich dokumentiert. Wohlgemerkt in " umgekehrter" historischer Abfolge: Auf Vordemberge-Gildewart, der seine Bilder baute " wie ein Haus" und seine Möbel in gleicher Art konstruierte, folgen der Esszimmerschrank von 1907 und die floral geschwungene Flurgarderobe aus dem Besitz des Stahlwerksdirektors August Maarmann. Und das 17. und 18. Jahrhundert ist vertreten mit einer Renaissance-Truhe, mit einem Sekretär oder einer Wanduhr aus dem Jahr 1727. Jede Zeit machte Anleihen bei dem Fundus der vorgefundenen Formen und Stilelemente, so ist hier zu sehen. Landschaftsmalerei und Kupferstiche, etwa vom Kollosseum in Rom, lieferten die Vorlagen für antikisierende Versatzstücke. Musterbücher kamen hinzu, aus denen die Kunsthandwerker schöpfen konnten: Barocke Putten wurden kopiert, wenn ein Silberschmied den Schaft für einen Prunkpokal gestalten wollte.

Kunst, Kunst-Handwerk und Industrielle Massenproduktion, diese drei Kategorien verschränken sich hier in dieser Ausstellung - wie in den Gegenständen, mit denen wir uns alltäglich umgeben. Was daran " museumswürdig" sei, auch diese Frage wird gestellt: Der Satiriker Karl Rüssing brandmarkte 1932 die kommerzialisierte " Spekulation auf das kurze Gedächtnis der Zeitgenossen" und das Attrappenwesen. Und der nüchtern-aufklärerische Justus Möser schrieb in seinem Gespräch zwischen einer Mutter und ihrer Tochter über den überflüssigen Zierrat: " Viel Putz ist immer ein Zeichen, dass irgendwo etwas fehlt, sei es im Kopf oder im Zeuge."

Die Ausstellung " Kunst-Handwerk und Design" wird am Sonntag um 11 Uhr im Friedenssaal im Rathaus eröffnet. Es spricht Prof. Barbara Mundt (ehem. Kunstgewerbemuseum Berlin), anschließend Eröffnung im Dreikronenhaus.

JUGENDSTIL ALS BEISPIEL BÜRGERLICHER WOHNKULTUR: Museumskurator Thorsten Heese präsentiert diesen Esszimmerschrank aus Dresdner Werkstätten um 1907. Fotos: Klaus Lindeman

SELBSTINZENIERUNG eines Sammlers: Der Bauunternehmer Heinich Hake, auf den das Dreikronenhaus zurückgeht. Gemalt von Franz Josef Langer 1956.

DAS GANZE HAUS IM KINDERZIMMER: Dieses Puppenhaus entstand um 1900 und wurde über Generationen weiter eingerichtet.

VOM BAUHAUS GEPRÄGT: Silbergeschirr von Maria Sophie Anna Frömbling (Osnabrück) aus den 30er Jahren.
Autor:
Frank Henrichvark


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