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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Überschrift:
Elektronikschrott: Gestern noch Hightech, heute mühsam versilbert
 
Zerlegen ohne Werkzeug
 
Wohin mit all den CDs?
 
Hier zum Schrott, in Russland "veredelt"
Zwischenüberschrift:
Nicht nur alte Geräte werden verwertet, sondern nagelneue Produkte
 
So finden Hightech-Komponenten aus Osnabrück ihren Weg nach Osteuropa
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Von Rainer Lanmann-Lammert

Das Bügeleisen bleibt kalt? Der Fernseher schaltet auf Zebra? Das Handy ist in die Badewanne gefallen? Da wird nicht mehr repariert. Sondern ausgemustert. Ein Fall für Hellmann Process Management in Eversburg. Die Tochter des Logistikkonzerns bekommt alles kurz und klein.

200 Tonnen Elektronikschrott sammelt die Stadt Jahr für Jahr ein, Tendenz steigend.

Nach dem Gesetzgeber ist sie nicht dazu verpflichtet, aber auf der Piesberg-Deponie haben Fernseher, Waschmaschinen und Gameboys nichts zu suchen, schon wegen der giftigen Flammhermmer und der Quecksilnerbatterien. " Es wird verwertet, was wirtschaftlich zumutbar und technisch möglich ist", sagt Willi Niggemann, der Chef des städtischen Abfallwirtschaftsbetriebes. '

Eine Aufgabe, die ein privater Entsorger der Stadt abnimmt: Für die Hellmann Process Management, vormals Hellmann Recycling, sind die 200 Tonnen aus Osnabrück nur ein kleiner Fisch. Das Unternehmen mit 30 Beschäftigten, das seinen Sitz in einer ehemaligen Speditionshalle an der Adolf-Köhne Straße hat, nimmt Elektronikschrott aus dem gesamten Bundesgebiet entgegen, vor allem von gewerblichen Anbietern.

Auf dem Hof stellen Gitterboxen mit den Innereien des Chip-Zeitalters, alles mehr oder weniger sauber sortiert. Was gestern noch der Stolz der Industriegesellschaft war, steht hier auseinandergerupft im Regen für den Abtransport bereit. Es trifft aber auch nagelneue Geräte, die einwandfrei funktionieren. So liefert die Firma Blaupunkt jeden Monat 1500 fabrikneue Autoradios, die für die Verwertung bestimmt sind. Damit niemand in Versuchung kommt, eines dieser Exemplare abzuzweigen und womöglich in sein Auto einzubauen, hat der Hersteller sie an sensibler Stelle durchbohrt.

Ohne dieses unschöne Loch würden die meisten Geräte wohl noch funktionieren. Ein falscher Schriftzug auf der Gehäuseabdeckung genügt, um sie nicht in den Handel zu geben. Natürlich könnte man die fehlerhaften Bauteile auch auswechseln, doch das wäre teurer. So kommen die fabrikneuen Produkte mit dem aten Röhrenradio von Tante Frieda und dem Tintenstrahldrucker ihres Neffen Dennis in den Rohstoffkreislauf zurück.

Um an die verborgenen Schätze zu kommen, werden die Geräte auseinandergerissen und die einzelnen Komponenten grob sortiert. Diese Arbeit hat das Unternehmen an gemeinnützige Einrichtungen ausgelagert, die Langzeitarbeitslose oder verurteilte Straftäter damit betrauen, zum Beispiel an die forensische Abteilung im Landeskrankenhaus, die Arbeiterwohlfahrt Merzen und den Kolpinghof in Georgsmarienhütte. " So beschränken wir uns auf die Kernkompetenzen", bekundet Andrè Pohl, der Geschäftsführer von Hellmann Process Management.

Dass sich ausgerechnet ein Logistik-Unternehmen auf die Beseitigung elektronischer Bauteile konzentriert, ist vielleicht kein Zufall. Wenn es um Stoffströme geht, kann Hellmann mit gebündeltem Knowhow auftreten. Als der Privatsender Premiere vor einem Jahr die analogen Decoder von seinen Kunden in ganz Deutschland einsammeln ließ und dafür digitale Geräte ausgab, bekam das Osnabrücker Unternehmen den Auftrag für die Entsorgung. Eine beachtliche Stückzahl von 950 000 wurde in wenigen Wochen abgewickelt Für diesen Auftrag wurden Leiharbeiter eingestellt. Jeder von ihnen hatte die Aufgabe, 1000 Geräte am Tag auseinander zu nehmen und die Komponenten in bereitgestellle Container zu werfen.

Konsequentes Sortieren bring! höhere Erlöse, aber nur, wenn nicht zu viel Zeit hineingesteckt wird. Leiterplatinen werden deshalb nach den enthaltenen Bauteilen geordnet. PCB-haltige Kondensatoren gehen zum Sondermüll, Eproms (kleine Speicherchips) können in Waschmaschinen oder Kinderspielzeugen ein zweites Leben beginnen. Was übrig bleibt, wird bei der Norddeutschen Affinerie in Hamburg eingeschmolzen, um Kupfer, aber auch Edelmetalle wie Silber und Palladium zurückzugewinnen.

Manches, das den Betrieb in Eversburg erreicht, wird auf andere Weise versilbert. " Wir fragen unsere Kunden: Spricht etwas dagegen, die Produkte zu vermarkten?" berichtet Andre Pohl. So kommt es, dass ganze Paletten mit nicht mehr ganz frischer Software an Sonderpostenhändler oder Tankstellen verramscht werden. Was noch gebraucht wird, ist schließlich kein Müll.

Als Hellmann 1993 mit dem Elektronikschrott-Recycling begann, wurden die Einnahmen fast ausschließlich beim Input erzielt. Doch die Zeiten ändern sich, für die Entgegennahme ausgedienter Geräte werden trotz steigender Mengen geringere Umsätze erwirtschaftet. Dafür hat sich beim Output etwas geändert: Für Container mit bestimmten Bauteilen, die sich früher nur gegen Bezahlung absetzen ließen, gibt es heute bares Geld.

Hier zum Schrott, in Russland " veredelt"

So finden Hightech-Komponenten aus Osnabrück ihren Weg nach Osteuropa

Ein Computer, der zwei Jahre auf dem Buckel hat, gilt als hoffnungslos veraltet - auch wenn er noch einwandfrei funktioniert. Und ein nagelneues CD-ROM-Laufwerk mit Produktionfehler kommt sofort in den Schrott. Kein Wunder, dass solche Hightech-Komponenten den Weg nach Osteuropa finden. Der in Osnabrück lebende Kaufmann Gary O' Malley handelt damit.

O' Malley und seine Zunft sind bei den Großen der Branche nicht gut angesehen, aber letztlich tragen sie dazu bei, dass hochwertige Elektronik nicht ausgeschlachtet, sondern sinnvoll verwertet wird und das zu erschwinglichen Preisen für die Abnehmer. Besonders begehrt sind Computerteile mit Produktionsfehlern, etwa CD- oder DVD-Laufwerke.

Die werden von den Herstellern gar nicht erst repariert, weil eine Technikerstunde in Deutschland an die hundert Mark kostet.

Ein defektes Laufwerk, originalverpackt, ist im Einkauf für 12 Mark zu haben. Russische Händler nehmen es dann für 18 Mark ab. Jenseits der Oder warten Spezialisten in modernsten Werkstätten auf die neue Ware.

Für einen Dollar pro Stunde finden sie in wenigen Minuten heraus, ob eine Kabelverbindung nicht sitzt oder ob ein Mikroschalter klemmt. Das lässt sich richten, und dann lauft die Sache. So lässt sich der " veredelte" Elektronikschrott zum halben-Neupreis unters Volk bringen. Manchmal sogar im Westen.

Bei den Russen sind nicht nur Neuteile, sondern auch gebrauchte Rechner (ab Pentium II), Mainboards oder Bildschirme gefragt. Das Geschäft läuft auch ohne Exportpapiere. Manche Händler, die mit dem Bulli über die Grenze kommen, verzichten lieber auf die Rückerstattung ihrer Mehrwertsteuer, als sich auf die komplizierten Formalitäten einzulassen.( rll)

Zerlegen ohne Werkzeug

Till hat bisher immer angenommen, dass Elektrogeräte nur mit vernünftigem Werkzeug zerlegt werden können, zumindest mit einem Schraubenzieher.

Jetzt hat er erfahren, dass Kosten sparendes Recycling im Idealfall ohne Werkzeug vonstatten geht; Das » Gerät wird mit der Kante auf eine feste Platte geschlagen, das Innenleben fällt heraus, und die Kabel lassen sich einfach abziehen. Alle Einzelteile, die jetzt auf dem Tisch liegen, werden in die dafür vorgesehenen Container geworfen, und dann kommt schon das nächste Gerät an die Reihe. Optimales Recycling ist gut und schön, muss Till einräumen, aber das hat ja auch Nachteil!?. Einmal versehentlich dran gestoßen, und schon zerlegt sich der Apparat von selber. Wäre es da nicht besser, wenn die Dinger länger halten würden? Bismontag

Wohin mit alldenCDs?

CD-ROMs werden zur Landplage, seit Softwarehersteller und Internetprovider in Zeitschriften mit ihnen werben. An zwei Stellen in Osnabrück können die Silberlinge kostonlos entsorgt werden, um sie der Wieder Verwertung zuzuführen: bei Hellmann PLOCPSS Management (Adolf-Köhne-Straße 11) und bei Comtech (Möserstraße 7).

EIN FALL FÜR DEN SPERRMÜLL: In Osnabrück holt die Stadt Elektronikschrott von Privathaushalten kostenlos an der Haustür ab. Gewerbliche müssen allerdings zur Zentraldeponie, das wird nach Kubikmeter abgerechnet.

15000 NAGELNEUE AUTORADIOS werden bei Hellmann Process Management jeden Monat ausgeschlachtet. Weil nachbessern teurer wäre, sagt Geschäftsführer Andre Pohl.

MIT ZWÖLF MARK ist er dabei: Der Osnabrücker Hans Außel hat einen Fernseher und einen Videorecorder auf dem Piesberg abgegeben, " So etwas gehört doch nicht in den Müll!" sagt er.

DAMIT DIE BILDRÖHRE nicht implodlert: Ein Mitarbeiter aus der forensischen Abteilung des Landeskrankenhauses lässt mit einem gezielten Schlag Luft In das Vakuum zischen.

AUS PLATINEN lassen sich Silber und Palladium zurückgewinnen. Aber vor dem Einschmelzen werden manchmal noch Kondensatoren und Eproms (Kleine Speicherbausteine) entfernt. Sie können noch in Waschmaschinen oder Kinderspielzeuge eingebaut werden.
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert, Till


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