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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Überschrift:
"... manches schöne Haus auch für den kleinen Mann"
 
Wie wär´s mit Schinkel
Zwischenüberschrift:
Das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege hat ein Auge auf das Wohngebiet Westerberg geworfen
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Von Rainer Lahmann-Lammert

Eine gute Adresse war der Westerberg schon immer. Dabei haben ihn die Stadtväter nicht unbedingt als Villengegend geplant. Das Niedersachsische Landesamt für Denkmalpflege hat dem Gebiet zwischen Lotter Straße und Bismarckstraße eine 250-seitige Dokumentation gewidmet, um das herauszustellen, was Immobillenhändler schon lange wissen: Der Westerberg als " einheitliches und städtebaulich überzeugendes Wohnquartier" mit vielen Qualltäten. Ein Viertel, das zugleich nach einer behutsamen Hand verlangt.

Die Straßen sind wie Sterne angeordnet

Kein anderes Wohngebiet der Stadt besteht aus derart gepflegten Häusern aus der Gründerzeit, nirgendwo sonst sind die Immobilienpreise so hoch. Dieser soziologisch doch immerhin bemerkenswerte Zusammenhang wird in dem Buch von Dr. Thomas Dorsch und Dr. Martin Wenz allenfalls gestreift. Die beiden Autoren nehmen zwar jedes Haus und jede Straße unter die Lupe, ihr wissenschaftlicher Blickwinkel blendet jedoch aus, was im Verdacht stehen könnte, persönlich gefärbt zu sein.

Das Wohngebiet am Westerberg entstand vor 130 Jahren auf dem Gebiet der ehemaligen Heger-Laischafts-Gärten. Es war die Zeit, als die Stadt über ihre mittelalterlichen Mauern hinauswuchs. Als Besonderheit, nicht nur für Osnabrück, gilt der sternförmige Grundriss: Auf der einen Seite sendet der Straßburger Platz seine Strahlen aus, auf der anderen der Belfortplatz. Sternförmige Straßensysteme erinnern eher an Absolutismus und Barock. Sie wurden, wie Wenz und Dorsch darlegen, auch in der Gründerzeit aufgegriffen, als der Expansionsdrang der Industrialisierung die mittelalterlichen Städte aus den Nähten platzen ließ.

Am Westerberg geht die sternförmige Anordnung auf Wilhelm Richard zurück, der von 1841 bis 1870 Stadtbaumeister war. Trotz seiner geometrischen Konzeption sei dieses Straßensystem im Vergleich zu anderen Stadterweiterungen " organisch in den Stadtplan integriert worden", vermerken die Autoren. Dass die Sterne nicht auf ebenem Gelände, sondern am Hang angeordnet wurden, hat einen vielleicht gewollten Effekt. Die Straßen verlaufen weniger steil, dafür sind die Wege länger. Das mag schon der Vergleich von Roonstraße und Blumenthalstraße verdeutlichen.

Die Erschließung des Westerberg-Viertels fiel in die Jahre nach dem Krieg von 1870 / 71, als Deutschland gegen Frankreich kämpfte. Im patriotischen Taumel wurden die Straßen bevorzugt nach siegreichen Feldherren wie Leo von Caprivi, Helmuth von Moltke oder Konstantin von Voigts-Rhetz benannt, auch Reichskanzler Otto von Bismarck durfte in dieser Sammlung nicht fehlen. Da passt das Denkmal auf dem Straßburger Platz für die Krieger von 1870 / 71 in den geschichtlichen Kontext, obwohl es ja zunächst auf dem Neumarkt gestanden hatte und erst 1928 wegen der Verkehrszunahme seinen neuen Standort bekam. Besiedelt wurde der Westerberg von der Lotter Straße aus. Die ersten Häuser entstanden an der Weißenburger Straße. Bauherren waren offenbar Lehrer der städtischen Realschule vor dem Heger Tor. Dorsch und Wenz zahlen auch mittelständische Kaufleute und Handwerker zu den ersten Siedlern am Westerberg, Wohnhäuser für gehobene Ansprüche, auch Spekulationsobjekte, folgten etwas später. Von Stadtbaurat Friedrich Lehmann stammt das schöne Zitat zur Sozialstruktur um 1925: "... manches schöne Wohnhaus, errichtet von dem kleinen Mann und dem bemittelten Bürger, findet sich in mustergültiger Ausführung vertreten, namentlich in den Villenstraße des Westerberges, wo sich Einfamilienhaus an Einfamilienhaus reiht."

Mit dem Begriff " Einfamilienhaus" verband man damals etwas anderes als heute, zum Beispiel diese Variante: In der Beletage die eigentliche Familie, im Erdgeschoss die älteren Herrschaften, in der Dachkammer das Gesinde. Es entstanden aber auch zahlreiche Mehrfamilienhäuser, die vermietet wurden. Auffallend ist, dass bei der Gestaltung der Straßenseite gern ins Schmuckregal des Historismus gegriffen wurde. Hohe Giebel, Erker- und Wintergartenvorbauten unterstreichen den repräsentativen Anspruch, während die Gartenseite meist sehr schlicht ausfällt.

Neben den Überwiegend historistischen Fassaden aus der Gründerzeit finden sich am Westerberg auch Bauten, die der " klassischen Moderne" zuzuordnen sind, zum Beispiel der " Neuen Sachlichkeit". Dorsch und Wenz fassen zusammen: " Das bedeutet einerseits Verzicht auf dekorative Elemente, andererseits werden jetzt funktional wichtige Bauglieder besonders betont". Auch auf das " modernere" Lebensgefühl in solchen Bauten gehen die Autoren ein: " Obwohl für wohlhabende Bewohner gebaut, hat Repräsentation im Gegensatz zu den Wohnhäusern der Jahrhundertwende einen anderen Stellenwert: Repräsentation erscheint nicht mehr als Sichtbarmachung der eigenen gesellschaftlichen Stellung, sondern als Bejahung des rationalistischen Zeitgeistes."

Der Krieg hat im ersten Wohnviertel um Westerberg keine großen Lücken gerissen, und heute freut sich die Denkmalpflege über " intakte Strukturen". Es fehlt auch nicht am notwendigen Kleingeld, um die Bausubstanz zu erhalten. Dennoch klagen Dorsch und Wenz über schleichende Veränderungen im Umfeld der schmucken Häuser. So ist das historische Kopfsteinpflaster vielerorts unter einer Asphaltdecke verschwunden, auf Bürgersteigen wurde das dunkel-rote Klinkerpflaster durch Betonstein ersetzt, aus manchen Vorgarten verschwanden die Einfriedungen und aus vielen Grünstreifen sind Schotterflachen geworden.

Hier erwartet das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege eine behutsame Annäherung an den ursprünglichen Zustand. In diesem Zusammenhang heben Dorsch und Wenz, die Blumenthalstraße als Beispiel für eine gelungene Sanierung hervor. Dort hat die Stadt das alte Pflaster wiederhergestellt. Andere Straßen im Westerberg-Quartier hatten es ebenso nötig, meinen die Autoren. Aber für die Stadt ist der Westerberg nur ein Wohngebiet von vielen. Wenn auch ein besonderes.

Wie wär' s mit Schinkel?

Till geht gern am Westerberg spazieren. Nicht nur wegen der Grünen Lunge, sondern auch wegen der schmucken Häuserfassaden. Es mag ja sein, das der Westerberg nicht von vornherein als Villengegend geplant war, aber er bot sich sicherlich dafür an. Wie in anderen Städten haben sich die wohlhabenden Bürger schon vor über 100 Jahren bevorzugt dort angesiedelt, wo sie vom Qualm aus den Schloten der Industrie verschont blieben. Das Stahlwerk, das Osnabrücker Kupfer- und Drahtwerk und die anderen Betriebe, die ja damals noch weit mehr Schadstoffe in die Luft pusten durften, waren nun einmal im östlichen Teil der Stadt angesiedelt. Dort, im Schinkel, haben sich bevorzugt die Arbeiter niedergelassen. Till würde sich freuen, wenn sich das Niedersächsische Amt für Denkmalpflege auch einmal diesem Quartier widmen würde. Bismorgen

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Liebe auf den zweiten Blick

Unter dem Titel " Das Wohngebiet Westerberg Osnabrück - Geschichte und Zielplanung" haben Dr. Martin Wenz und Dr. Thomas Dorsch ein Buch verfasst, das sie als Gestaltungsleitfaden für künftige denkmalgerechliche Instandsetzungen und Sanierungen verstehen. Dr. Christiane Segers-Glocke, die Präsidentin des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege, erklärte bei der Vorstellung des Werks, die Dokumentation solle auch der Öffentlichkeit die Augen öffnen für die Schönheiten, die sich erst auf den zweiten Blick zeigten. Das Buch enthält Kartenausschnitte und zahlreiche Schwarz-weißfotos, es ist als Nummer 24 in der Reihe " Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen" erschienen und ab sofort für 14, 90 Euro( 29, 14 DM) im Buchhandel erhältlich.

EINE ARCHITEKTONISCHE ECKLÖSUNG wie aus dem Bilderbuch: 1910 baute Architekt Otto Thor dieses Ensemble an der Kreuzung von Blumenthalstraße und Bismarckstraße Fotos: Michael Hehmann

TYPISCHE FASSADENDETAILS aus dem Schuckregal des Historismus, gesehen an der Blumenthalstraße und der Friedrichstraße.

NICHT NUR VILLEN finden sich am Westerberg, sondern auch ausgesprochen einfache Bauten. Hier das 1889 errichtete Wohnhaus Friedrichstrasse 13 vom Typ der sogenannlen " Oldenburger Hundehütte", wie die Denkmalpfleger es nennen.

SPITZWINKLIGE ECKGRUNDSTÜCKE sind eine Herausforderung für Architekten: Links das Haus von der Forst an der Bismarckstraße 27, 1921/ 22 von den Architekten Hammersen und Haarmann gebaut. Rechts Friedrichstraße 14, 1910 von Robert Thor entworfen.

DAS ZENTRUM AM WESTERBERG: Den Staßburger Platz krönt das Denkmal, das an den Krieg von 1870/ 71 erinnert. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Germania-Figur der Metallsammlung geopfert.
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert, Till
Themenlisten:


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