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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Überschrift:
Hat die Konkurrenz das Bier vom Gertrudenberg mit Seife verdorben?
Zwischenüberschrift:
Wie der Gerstensaft des Bürgerlichen Baraunhauses zum "Herz-Jesu-Bier" wurde
Artikel:
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Originaltext:
Hat die Konkurrenz das Bier vom Gertrudenberg mit Seife verdorben?

Wie der Gerstensaft des Bürgerlichen Brauhauses zum " Herz-Jesu-Bier" wurde

Von Rainer Lahmann-Lammert

Der Abriss der alten Brauerei auf dem Gertrudenberg wirft Fragen zur Osnabrücker Biergeschichte auf. Was verbirgt sich hinter dem Spitznamen " Herz-Jesu-Bier"? Wurde das Bürgerliche Brauhaus durch üble Machenschaften der Konkurrenz vom Markt gedrängt? Der 76-jährige August Schneider aus Pye ist der Sohn des letzten Inhabers. Er hat das Ende des Betriebes aus nächster Nähe erlebt.

Das Landeskrankenhaus will das ehemalige Brauereigebäude am Bürgerpark abreißen lassen. Unser Bericht vom 3. Februar hat einige Leser veranlasst, in ihren Archiven zu blättern, der Geschichte vom Gertrudenberger Bier nachzugehen. So viel ist sicher: Der Gerstensaft nannte sich nicht Felsenbier, sondern Bürgerbräu, hergestellt von einer Firma, die sich Bürgerliches Brauhaus GmbH nannte.

August Schneider aus Pye hat noch den Kaufvertrag vom 10. März 1899. Sein Großvater, der ebenfalls August Schneider hieß, erstand damals für 35 000 Mark den Gewerbebetrieb mit Grundstück, Maschinen und Gebäuden. Im vorderen Teil des zum Abriss bestimmten Hauses waren Büro und Labor untergebracht, dahinter befand sich der Wohnteil. Zu der Immobilie gehörten außerdem das Sudhaus mit den Kupferkesseln, das Hopfen- und Getreidelager, das Maschinen- und Kesselhaus, das Fasslager und die Pferdeställe.

Eine im Zeitalter der Kühlschränke kurios anmutende Einrichtung war außerdem der in die Gertrudenberger Höhlen hineingebaute Eiskeller. Dort wurden im Winter Eisblöcke eingelagert, die per Eisenbahn aus Norwegen kamen. Bis in den Sommer hinein hielt sich das Eis, das in kleineren Portionen für Kühlzwecke an die Wirte abgegeben wurde, berichtet August Schneider.

Eisblöcke und Bierfässer wurden anfangs mit Pferdefuhrwerken transportiert. Und weil die Anfahrt über die Wittkopstraße zu steil war, ließ der Brauereibesitzer August Schneider die Straße Am Gertrudenberg bauen. Das sei 1902 oder 1903 gewesen, sagt der Enkel August Schneider, und das habe rund 2 000 Mark gekostet.

Die Geburt von August Schneider junior mag der Anlass gewesen sein, dem Bürgerbräu einen Spitznamen zu verpassen: Am 21. Januar 1924 kam Enkel August in der benachbarten Hebammenlehranstalt zur Welt. Ein Grund für den Großvater, an jenem Abend die Ankunft des Stammhalters zu begießen. Gefeiert wurde von einer überwiegend katholischen Runde im " katholischen Bahnhof", so nannte man damals scherzhaft den Hasetorbahnhof.

Dass dabei die Polizeistunde missachtet wurde, und dass Großvater Schneider deshalb ein Strafmandat bezahlen musste, sprach sich bald in der ganzen Stadt herum. Aus den Kreisen der Konkurrenz soll dabei die katholisch anmutende Bezeichnung " Herz-Jesu-Bier" kreiert worden sein. Die Konkurrenz habe mit " krummen Sachen" ihren Anteil am Niedergang des Gertrudenberger Bieres gehabt, sagt August Schneider junior heute.

In den Kellern mehrerer Gasthäuser sei Seifenpulver auf die Korken der Bürgerbräu-Fässer gestreut worden, behauptet der 76-Jährige. Schon Spuren davon, die mit den Korken in die Fässer gelangten, hätten gereicht, das Bier zu verderben. Wer sich für solch unsaubere Tricks einspannen ließ? Bierkutscher anderer Brauereien, meint August Schneider, vielleicht auch Mitarbeiter der städtischen Müllabfuhr, die ebenso Zugang zu den Kellern der Wirte hatten.

Das Bürgerliche Brauhaus, auf dem Gertrudenberg reagierte auf seine Weise und ließ das Bier regelmäßig von der Staatlichen Versuchs- und Lehranstalt für Brauereien in Berlin untersuchen. Darauf wurde auch in Zeitungsanzeigen hingewiesen: " Die Probe ist auf Grund der Untersuchung als ein wohlschmeckendes, kräftig eingebranntes und gut vergorenes Bier zu bezeichnen."

Doch gegen die viel größere Konkurrenz kam die Brauerei auf dem Gertrudenberg nicht an. Mitte der 20er Jahre hatte der Sohn des alten Brauers den Betrieb übernommen, auch er hieß August Schneider. 1927 wurden, wie aus den Unterlagen hervorgeht, 1 069 Hektoliter Bier gebraut. Zwei Jahre später gab das Bürgerliche Brauhaus auf. Als August 1. 1932 starb, wurde das Anwesen an den Ingenieur Willy-Ernst Muss verkauft.

Er ließ die Maschinen herausreißen und das Hauptgebäude zum Wohnhaus umbauen.

Den Schornstein von Pionieren gesprengt

Dyna Kalus, die Tochter von Willy-Ernst Muss, hat sich in der Redaktion gemeldet und mehrere Zeitungsartikel vom 25. Oktober 1932 mitgebracht. Beschrieben wird, wie Pioniere den 32 Meter hohen Schornstein der Brauerei tags zuvor gesprengt hatten. Eine Kostprobe: " Man verwandte insgesamt 20 kleine Bohrpatronen, also etwa einundeinhalb Kilo Munition."

Damit lässt sich das Ende der Brauerei auf dem Gertrudenberg exakt datieren. Über den Anfang ist jedoch wenig bekannt. August Schneider aus Pye glaubt, dass es zunächst eine Klosterbrauerei gegeben hat. Später muss ein Brauer namens Richter den Betrieb übernommen haben. Das Gebäude, das jetzt abgerissen wird, dürfte mindestens 125 Jahre alt sein. Auf einem Foto von 1876 ist sein markanter Giebel eindeutig zu erkennen.

UNTER FREIWILLIGER KONTROLLE: Mit solchen Zeitungsanzeigen warb das Bürgerliche Brauhaus in den 20er Jahren für die Qualität seines Bieres. Doch das nützte nicht mehr viel.

DER ENKEL: August Schneider hat als Kind den Niedergang der Brauerei erlebt.

Foto: Klaus Lindemann

MARKANTER GIEBEL: Das Braureigebäude auf dem Getrudenberg, fotografiert um 1937. Dyna Kalus hat uns das Foto zur Verfügung gestellt.
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert


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