User Online: 2 | Timeout: 02:31Uhr ⟳ | Ihre Anmerkungen | NUSO-Archiv | Info | Auswahl | Ende | AAA  Mobil →
NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Datensätze des Ergebnis
Suche: Auswahl zeigen
Treffer:1
Sortierungen:
Anfang der Liste Ende der Liste
1. 
(Korrektur)Anmerkung zu einem Zeitungsartikel per email Dieses Objekt in Ihre Merkliste aufnehmen (Cookies erlauben!)
Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Die grünen Riesen kommen auf leisen Wurzeln
 
Geduld und Spaten kriegen das große Kraut klein
 
Wohin mit dem kläglichen Rest?
Zwischenüberschrift:
Herkuleskraut erobert Wiesen, Grünbrachen und Flußufer: Berührung bei Sonnenschein besondersgefährlich
 
Handschuhe und Kleidung schützen vor dem Pflanzensaft
 
Kompostierung zerstört Samen
 
Heracleum mantegazzanium
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück (- sö) Gemütlich zuckelt ein Traktorgespann über den Kuhdamm in Nemden. Der Bauer stoppt, klönt mit einer Frau aus dem Dorf: Ländliches Idyll. Wenige Schritte weiter beginnt der Urwald: Dschungelgleich haben sich satt drei Meter hohe Pflanzen von bizarrer Schönheit das Haseufer untertan gemacht. Die maxipizzagroßen Blütendolden filtern das Sonnenlicht, verbreiten eine beinahe gespenstische Atmosphäre. Eine Bissendorfer Naturschützerin nennt es die " heimliche, leise Invasion": Entlang der Hase hat sich der giftige Riesenbärenklau breitgemacht.
Die Staude, die ob ihres Gardemaßes von dreieinhalb Metern und mehr auch " Herkuleskraut" heißt, wuchert seit vier bis fünf Jahren am Haselauf. Und nicht nur dort: " Heracleum mantegazzanium", wie das Prachtstück mit lateinisch-botanischem Namen heißt, erobert auf starken Wurzeln mehr und mehr naturnahe, nicht bewirtschaftete Gebiete, Grünbrachen, Wald- und Wegränder. Die grünen Riesen fühlen sich vor allem in ungestörten Feuchtregionen wohl - dort werden sie besonders groß. Und besonders gefährlich, vor allem für Kinder: Das Doldengewächs gehört zu den Heil- und Giftpflanzen. Samtliche Pflanzenteile gelten als giftig, besonders aber der Saft. Hauptwirkstoffe sind Fucomarine mit phototoxischen Eigenschaften. Gelangt der feurige Saft auf die Haut und werden die betroffenen Stellen zugleich der Sonne ausgesetzt, sind je nach Empfindlichkeit juckende Hautentzündungen mit starker Blasenbildung die Folge, die häufig mit allergischen Reaktionen verwechselt werden. Die Hauterscheinungen gleichen Verbrennungen dritten Grades und bedürfen ärztlicher Versorgung.
Bei den heimlichen Eroberern der Wegränder, Bachufer und Böschungen handelt es sich um " Neophyten", neue Pflanzen, die nicht zur heimischen Flora zählten. Die Heimat der grünen Riesen ist der Kaukasus. Seit etwa hundert Jahren werden sie in Mitteleuropa beobachtet.
Wie kam der Riesenbärenklau nach Deutschland? Dazu gibt es verschiedene Erklärungsmodelle, aber genau weiß es niemand: Einer der bis zu zehntausend Samen einer Dolde könnte sich im Touristengepäck versteckt haben, die Pflanzen sind möglicherweise auf den Handelswegen zu Schiene und zu Wasser mit anderen Gütern nach Mitteleuropa gelangt oder sogar von Reisenden gezielt als Zierpflanze für den heimischen Garten mitgebracht worden und dann verwildert. Auch als bizarre Attraktion für das Teichufer im heimischen Garten wurde sie In Fachmärkten verkauft. Viele Imker haben mit den Pflanzen den Insekten ein Paradies geschaffen.

Bilduntertitel:
BLÜTEN im Pizzaformat: Beim Riesenbärenklau ist Übergröße Schönheitsmerkmal und Warnhinweis zugleich. Fotos: Gert Westdorp

Seit einigen Jahren haben vor allem die Naturschützer ein Auge auf die Importpflanze, die hierzulande konkurrenzlos ist und alle anderen Pflanzen erdrückt. Für Andreas Peters vom Naturschutzbund Osnabrück (NABU) ist die Situation in der Region Osnabrück derzeit zwar " nicht besorgniserregend, aber es ist nicht erwünscht, daß diese Pflanze sich ausbreitet". Vor allem in der Nähe der Spielplätze kleiner Kinder seien die Pflanzen sehr gefährlich, warnte der zweite Vorsitzende des NABU. Im Georgsmarienhutter Stadtteil Holsten-Mündrup an der Mittelheide sind viele Eltern besorgt, weil das Herkuleskraut sein dichtes Dach aus bis zu zeitungsgroßen, gezahnten Blättern von der Autobahnböschung über brachliegendes Land Richtung Spielplatz vorschiebt.

" Bekämpfung zwingend angeraten"

Auch andrnorts sind die weißblühenden Stauden derart auf dem Vormarsch, daß sie von Amts wegen verfolgt werden: In Hannover hat die Stadt ihre Gärtner ausgeschickt, um den Pflanzen den Garaus zu machen wie einst Herkules dem Kentauren Nessus, durch dessen Gewand der griechische Sagenheld gestorben sein soll. In Göttingen hat die Bezirksregierung eine Leitlinie für die Ausrottung der Herkulesstaude herausgegeben.Im Landkreis Osnabrück gibt es keine offizielle Ausrottungsverfügung, aber ein Papier, das über Bekämpfungsmöglichkeiten informiert. Darin heißt es: " Aufgrund der großen Dominanz dieser Pflanze gegenüber anderen heimischen Pflanzen ist eine konsequente Bekämpfung zwingend angeraten." Die Bezirksregierung in Oldenburg überlegt, zum Schutz der Kinder eine allgemeine Warnung herauszugebnen. Von einer übermäßigen Ausbreitung des Herkuleskrauts Im Raum Weser-Ems war bei der Bezirksregierung nichts bekannt.
Die Invasion auf leisen Wurzeln erlebt in diesen Tagen einen ihrer Höhepunkte: Die Samen in den Dolden sind ausgereift, sorgen am Boden für eine neue Herkules-Generation oder schwimmen, wie in Nemden, mit dem Hasewasser zu neuen Ufern.
Bärenklaupflanzen gelten als Stickstoffanzeiger - sie siedeln sich mit Vorliebe dort an, wo größere Mengen dieses an sich gasförmigen Stoffes zu finden sind. Autoabgase liefern sauerstoffgebundenen Stickstoff, der für das Waldsterben verantwortlich gemacht wird, viele tierische und pflanzliche Eiweiße enthalten Stickstoff, ebenso die als Nitrate bekannten Salze der Salpetersäure, die bei der Gewässer- und Ackerüberdüngung eine Hauptrolle spielen: Viel Dünger, und die grünen Riesen frohlocken.

Fotountertitel
GARDEMASS: An der Hase in Nemden hat das Herkuleskraut mehr als drei Meter hohe Blütenstände getrieben. Bis zu zehntausend Samenkorner bildet eine Dolde dieser Importpflanze aus Eurasien aus. Sie allein sorgen für die Ausbreitung, eine Vermehrungüber die Wurzelstände findet nicht statt.

AUSROTTUNG von Amts wegen: In Hannover rücken die Stadtgärtner mit Spaten gegen das Herkuleskraut vor, wie Gärtner Klaus-Dieter Kreft bis zur Nasenspitze eingepackt.

Wissen und Praxis: Expertentips zur Bekämpfung des Riesenbärenklaus
Geduld und Spaten kriegen das große Kraut klein
Handschuhe und Kleidung schützen vor dem Pflanzensaft
Wer den grünen Riesen die Stirn bieten will, braucht viel Geduld und mindestens einen Spaten: Das Herkuleskraut vermehrt sich ausschließlich durch Samen, der durch Wasser und Wind verbreitet wlrd. Dies gilt es zu verhindern. Die Samen bleiben im Erdreich mehrere Jahre lang keimfahig. Die knie- bis hüfthohen Jungpflanzen treiben im zweiten, spätestens im dritten Lebensjahr eine Blüte und sterben danach ab.

" Wer nicht zur chemischen Keule greifen will, und wer will das heute schon noch, kann die Pflanzen am besten ausstechen, bevor sie blühen", meint Ulrich Rösemann, technischer Leiter des Botanischen Gartens in Osnabrück. Dort haben die grünen Riesen sich an den Gewächshäusern auf einer Böschung breitgemacht. Um die Vermehrungskette zu unterbrechen, könne man auch die Dolden ausknipsen, bevor sie blühen, und das über drei und mehr Jahre. " Aber wer will das rnachen?" fragt Rösemann. Er rät dringend, sich beim Umgang mit der Herkulesstaude mit Kleildung, Stiefeln und Handschuhen zu schützen und die Pflanzenteile nur mit der Forke oder dem Spaten auszubuddeln: Nicht anfassen. Rösemann und die Gärtnerinnen Mona Reckwald und Birgit llgener haben noch einen Geheimtip parat, um den Riesenbärenklau ohne große körperliche Anstrengung kleinzukrlegen: Die Jungpflanzen mit Teichfolie bedecken und über mehrere Vegetationsperioden liegen lassen.

Ausstechen alleln relcht nicht, haben Forscher auf dem Gelände der Landesanstalt fur Bienenkunde an der Universität Hohenheim bei Stuttgart in mehrjährigen Versuchen mit den grünen Riesen herausgefunden. Ein Abmähen vor der Blüte vermindert die Samenstreuung. Um dem Herkuleskraut zuleibe zu rücken, wird das Übel aber am besten bei der Wurzel gepackt: Die Staude verfügt über eine hochstärkehaltige Speicherwurzel, die erst das enorme Wachstum ermöglicht. Nach einfachem Abmähen mit Sense oder Mäher (Vorsicht, Spritzer) treibt die Pflanze in wenigen Wochen wieder aus. Erst ein gründliches Zerstören der Blütenanlagen in der oberen Scheibe des Wurzelstocks mit dem Spaten oder bei großen Beständen mit der Traktorfräse (am besten im Herbst oder im zeitigen Frühjahr) macht ihr den Garaus. Auch die Wurzeln ausgegrabener Pflanzen sollten zerhackt werden. Die beste Tageszeit für die Arbeiten ist nach den Erkenntnlssen aus Hohenhelm der Abend, weil die Gefahr der Hautreizungen durch Pflanzensaft und Lichteinwirkung gerlnger sein soll.

Wohin mit dem kläglichen Rest?
Kompostierung zerstört Samen
Die tiefgrünen Blätter sind abgemäht, die Dolden ausgeschnitten, die Wurzeln sind ausgegraben oder wenigstens die Keimscheibe ist zerstört. Die Dolden, die bereits Samen angesetzt hatten, bekamen eine Tüte übergezogen, bevor die Axt den armdicken Blütenstiel fällte. Und nun? Wohin mit dem kläglichen Rest der grünen Riesen?
Damit die Pflanzen sich nicht über ihre Samen weiter ausbreiten, ist Sorgfalt geboten: In keinem Fall sollten Samen auf den Kompost wandern, denn dies würde ihre Verbreitung mit dem Naturdünger rnehr als gewährleisten.
Ausgereifte Samen sollten gerade bei größere Beständen vor Ort verbrannt werden, empfiehlt die Hohenheimer Untersuchung. Feuer im Freien ist jedoch fast überall verboten. Weitere Möglichkeiten: Die Samen in einer Tüte mit der grauen Tonne auf die Müllkippe schicken oder mit der braunen Biotonne zur Kompostierung verfrachten. Im Rotteverfahren in Schwegermoor stirbt bei 60 Grad Celsius alles ab, sind sich die Abfallwirtschaftler des Landkreises Osnabrück und die Hohenheimer Forscher sicher. Grundsätzlich dürfen alle Reste der Herkulesstaude zerkleinert in die Biotonne. Allerdlngs können belm Transport Samen herausfalllen und das Gewächs weiterverbrelten.

Wer ist zuständig für die Bekämpfung und Beseitigung der raumgreifenden Zierpflanzen mit dem feurigen Saft? Dabei gelten nachbarschaftsrechtliche Spielregeln wie bei dem von nebenan über den Zaun wachsenden Kirschbaum, wie die Kreisverwaltung erläuterte: Die Grundstückseigentümer müssen im Fall der Fälle Abhilfe schaffen.

Bilduntertitel
VORZEIGEEXEMPLAR im Botanischen Garten in Osnabrück: Die Gärtnerinnen Birgit llgener (links) und Mona Reckwald zeigten für das Foto spontan, wie man der Herkulesstaude zuleibe rückt, und sie demonstrierten zugleich, was man nicht tun soll: Sich der Pflanze mit bloßer Haut nähern oder sie gar anfassen.
Autor:
-sö


Anfang der Liste Ende der Liste