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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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aus Zeitung:
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Überschrift:
Für gestrichene Feiertage eine Vergeltung im Jenseits angedroht
Zwischenüberschrift:
Im April 1898 war die Kindersterblichkeit noch erschreckend hoch
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Von Christiana Keller
Ostern vor 100 Jahren, das war eine brisante Stimmung in Osnabrück. Während viele Familien das kühle, aber trockene Wetter für einen Spaziergang nutzten, spitzte sich der Arbeitskampf in der Piesberger Kohlezeche zu.

333 gekündigte Bergleute erhielten am Samstag vor Ostern ihre Papiere. Daraufhin legten 200 weitere die Arbeit nieder. Ein großes Polizeiaufgebot war zur Stelle, aber zu Ausschreitungen kam es nicht. Auch im Steinbruch am Piesberg wurde gestreikt: Von den 495 Arbeitern verweigerten Ostern 311 Mann die Feiertagsarbeit. Zu einer öffentlichen Volksversammlung " auf der 2. Blumenhalle" kamen 600 Interessierte. Ein Referent des Deutschen Berg- und Hüttenarbeiter-Vereins aus Essen sprach über das Streikrecht der Arbeiter, dann wurde eine längere Resolution verlesen, in der es hieß: " Die heutige Volks-Versammlung erkennt die vollständige Berechtigung des Vorgehens der ausständigen Arbeiter an und wünscht den Arbeitern ausreichenden Erfolg." . In der Tageszeitung wurde Ende April Bergmann Brust zitiert, der Sprecher der Streikenden: " Die von Gott und seiner Kirche eingesetzten Feiertage müssen den Arbeitern gelassen werden", verkündete er und drohte: " Es gibt eine Vergeltung im Jenseits und die wird kommen für diejenigen, welche den Arbeitern die Feiertage nehmen." Das Vorgehen des Werkes bezeichnete der katholische Arbeitersprecher als " kleinen Culturkampf". In Folge der Streiks und Aussperrungen hätten schon 100 jüngere Arbeiter auswärts Arbeit angenommen, 50 ehemalige Osnabrücker lebten bereits in Dortmund. Das bürgerliche Lager der Stadt schaute mit Befremden auf die Zustände am Piesberg. Mehrfach in der Woche gab es Kommentare in den Zeitungen gegen das Vorgehen der Arbeiter, ebenso häufig wurden Vorträge angeboten, um den Frieden wiederherzustellen und die Arbeiterschaft zu belehren. In einer gut besuchten Versammlung des evangelischen Arbeitervereins lautete der Tenor: " Arbeit und Fleiß, das sind die Flügel, sie führen über Strom und Hügel". Die Zusammenkunft endete mit einem Hoch auf den Kaiser, die Bergwerksdirektion und den Hüttenverein.
' Welche sozialen Unterschiede vor 100 Jahren bestanden, geht aus den Zeitungsberichten kaum hervor. Ein Bild von der Not der einfachen Leute läßt sich aber erahnen durch den Bericht des Kinderhospitalvereins, der wie jedes Jahr Ende März veröffentlicht wurde. Ein Arztbesuch war für arme Familien damals nicht zu finanzieren, daher hielt das Kinderhospital öffentliche Sprechstunden ab. " Diese Einrichtung, die sich nun fast seit zwei Jahrzehnten der ärmeren Bevölkerung zum Segen erwiesen hat, werden wir auch weiterhin beibehalten."

Kinder, die in das Hospital gebracht werden mußten, wurden " gleich willkommen geheißen, ob reich, ob arm, ohne Unterschied der Confession". Der " Anstalts-Arzt Sanitätsrath Dr. Isermeyer" stand mit seinem Namen für dieses erfolgreiche Konzept und erhielt Unterstützung von zahlreichen karitativen Vereinen. Der Freibettfonds des Hospitals betrug 88 810 Mark und wurde ständig durch Stiftungen und testamentarische Verfügungen ergänzt.

Die im April veröffentlichte Statistik wies aus, daß die Zahl der gestorbenen Kinder 1897 im Stadtgebiet auf 320 gestiegen war (298 im Vorjahr). Für 227 Kinder kam der Tod vor dem ersten Geburtstag, 62 Kinder starben unter 5 Jahren und 31 waren noch keine 15 Jahre alt. 148 Kinder wurden 1897 im Kinderhospital verpflegt, in die Isolierbaracke mußten nur 17 von ihnen, die geringste Anzahl seit Bestehen der Einrichtung. " 89 Kinder wurden völlig geheilt, 15 als gebessert entlassen, 10 wurden ungeheilt von den Eltern fortgenommen, 21 starben," berichtete die Zeitung.
Außergewöhnlich hoch waren die Fälle der an Knochenmarkentzündung (Osteomyelitis) erkrankten Kinder, deren Heilung lange geduldige Arbeit erforderte. " Croup und Diphteritis der Luftwege erforderten in 10 Fällen die Öffnung derselben." Und weiter: " Trotz der Anwendung des Behring'- schen Heilserums starben von den Operirten 5, im Vorjahre von 15 nur 3; ein Ergebnis, welches wir wohl nie wieder erzielen werden."

Die hygienischen Verbesserungen in der engen, alten Stadt zeigten schon Ergebnisse. So hieß es im April 1898: " Innerhalb des Bereiches der Canalisierung kommen kaum noch Erkrankungen an Typhus vor, der früher in Osnabrück ständiger Gast war." Die Kinder bekamen Sonnenbäder verordnet, badeten in Sole und wurden " rationell" verpflegt, trotzdem betrug die durchschnittliche Verweildauer im Hospital über 50 Tage, schwere Fälle benötigten oft ??
Fotountertitel
Kinder, Kinder: Vor 100 Jahren war eine ärztliche Behandlung für viele Familien unbezahlbar. Das Kinderhospital bot kostenlose Sprechstunden an. Hier posieren Kinder jener Zeit vor dem Heger Tor. Aus dem Buch " Getreuer noch als wie im Spiegel...", herausgegeben vom Landkreis Osnabrück.
Autor:
Christiana Keller


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