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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Überschrift:
Umweltanalyse: Spurensuche im Salat
Zwischenüberschrift:
Untersuchungslabors im Aufwind - Schärfere Bestimmung sichern langfristiges Wachstum
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Riechprobe

Till weiß zwar nicht, wie ein Atomabsorptionsspektrophotometer funktioniert, aber manche Untersuchungsmethoden der Chemiker sind durchsichtiger, als ihr Fachchinesisch vermuten läßt. Wenn so ein Experte eine Bodenprobe In die Hand nimmt, hält er sie zunächst einmal unter die Nase und riecht daran. Im Gutachten ist dann von der " organoleptischen Untersuchung" die Rede. Till, der sich nun rühmen kann, eben falls die organoleptlsche Methode zu beherrschen, hat dennoch Respekt vor den Chemikern und ihren Apparaturen. Modernste Technik macht es möglich, daß selbst minimalste Spuren nachgewlesen werden. Scherzhaft sprechen die Fachleute bereits vom Zuckerstück im Starnberger See, das ihren Detektoren nicht mehr entgehen kann. Minmale Spuren von fast jedem Element finden sich in beinahe jeder Probe, wenn man gründlich genug danach sucht. Till fragt sich nur: Was haben wir davon? Bismontag

Wer Pestizidrückstände im Salat vermutet, kann sich nicht auf den Augenschein verlassen. Auch Nitrat im Trinkwasser oder Schwerrnetalle in der Gartenerde überfordern die menschliehen Sinne. Mit hochsensiblen Meßgeräten spüren chemische Untersuchunglabors den Schadstoffen in Lebensmitteln, in Boden, Wasser und Luft nach. Auch in Osnabrück haben sich einigeLabors auf die Umweltanalytik spezialisiert. Eine Branche mit Zukunft?

Je strenger die Bestimmungen, desto aufwendiger sind die Meßprogramme. Selbst eine reine Routineuntersuchung, wie sie in der Anlage II zur Trinkwasserverordnung festgelegt ist, kommt auf rund 700 DM. Dabei sind Atrazin und andere Pflanzenbehandlungsmittel in diesem ,, Standardpaket" noch nicht einmal erfaßt. ,, Zirka 80 Pestizide konnen wir untersuchen", sagt Dr. Rainer Sperfeld aus Georgsmarienhutte, ,, aber dann wird' s schon fast eine Doktorarbeit." Der Grund: Eine Vielzahl von Extraktionen ist erforderlich, um jeden einzelnen Stoff nachzuweisen

Kein Wunder, daß sich fast ausschließlich kommentielle Wasserversorger wie die Stadtwerke zu einer solchen Analyse durchringen können. ,, Brunnenbesitzer sind zu kniepig", lautet somit eine Erkenntnis des Diplom-Chemikers, der seine Spurensuche fast ausschließlich für Behörden und Untemehmen betreibt.

Dabei gehtt es auch ohne das Standardpaket Wer Zweifel an der Qualitat seines Brunnenwassers hat, kann sich erst einmal auf die haufigsten Schadstoffe konzentrieren: Was nutzt die Erkenntnis, daß von Kolibakterien keine Gefahr ausgeht, wenn der Nitratwert bei 140mg/ l liegt? Und Nitratuntersuchungen sind immerhin für 40 DM zu haben.

Manche Kunden nehmen das alles in Kauf, um sich nur ja nicht der Gefahr schleichender Vergiftungen auszusetzen. Das Mißtrauen sitzt tief, das weiß auch Dr. Rosemarie van Hülst von der Gesellschaft für Umweltanalytik an der Mindener Straße: Nach einer Fernsehsendung über die zunehmende Trinkwasserverschmutzung bekam die Lebensmittelchemikerin Anrufe von besorgten Bürgern, die sogar Stadtwasser untersucht haben wollten. Dabei sind die Stadtwerke selbst verpflichtet, ihre Quellen regelmäßig zu kontrollieren, und sie tun das auch.

Manche Verbraucher würden am liebsten ihr eigenes Labor einrichten und jeden Bissen analysieren, bevor sie ihn zum Mund führen. Daran ist sicher auch die Geheimniskrämerei schuld, die manche Behörden und Unternehmen betreiben. Als im April 1986 die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl passierte, waren überhaupt keine Meßdaten verfügbar. Als schließlich gemessen wurde, blieben die Werte zunächst unter Verschluß.

Immer wieder tauchte des halb die Forderung nach einer unabhängigen Meßstelle auf. Beim Verein für Ökologie und Umwelt Osnabrück gibt es Überlegungen, ein Untersuchungslabor einzurichten, in dem Boden, Wasser, Luft und Nahrungsmittel auf ihren Schadstoffgehalt kontrolliert werden können. Als möglicher Standort ist die Schelenburg im Gespräch.

Teure Apparaturen

Aber die Initiatoren müssen sich fragen, ob der Verein die enormen Investitionen überhaupt auffbringen kann, und ob die Einrichtung auch noch lebensfähigg ist, wenn das Arbeitsamt nach zwei Jahren keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mehr finanziert. Schon ein Gaschromatograph, mittlerweile ein Standardgerat zur Untersuchung von Pestizidrückständen, kostet 50000 DM. Wer Schwermetalle analysieren will, braucht ein ebenfalls nicht billipes Atomabsorptionsspektrophotometer (AAS). Weitere Gerate mitähnlich unnussprechlichen Namen und natürlich mit Computersteuerung gehören heute zu jedem Untersuchungslabor.

Kein Wunder, daß in der ,, Hexenküche" der Existenzgründerin Rosmarie van Hülst bereits Apparaturen irn Wert von 400 000 DM stehen. Wenn sie es sich leisten könnte, würde die Lebensmittelchemikerin eine halbe Million in ein sogenanntes ICP-MS mil Argonplasma investieren. Nicht nur die Anschaffung, auch die Unterhaltung dieses technischen Wunderwerks ist teuer. Dafür kann das ICP-MS bis zu 30 Elemente in einer Minute bestimmen mit dem AAS wurde das wegen der Umbau- und Justierungsarbeiten Tage dauern.

Verlockend ist die Automatisierung schon wegen der vielen handwerklichen Vorarbeit im Labor: Wer zum Beispiel Altöl auf PCB untersuchen will, muß zunächst mit einem ,, Cleanup" störende Substanzen (z. B. Schwefelverbindungen) aus der Probe entfemen. Bei neueren Verfahren ist das nicht mehr nötig. Aber die erfordern zu ihrer Amortisation einen ständigen Fluß an Proben.

Dabei ist das Analysieren nur ein Teil der Arbeit, denn die Auftraggeber wollen auch eine Bewertung der Meßergebnisse. Hohe Bleiwerte im Boden kommen zum Beispiel im Harz ganz natürlich vor. Gefährdungen treten erst auf, wenn das Schwermetall in die Nahrungskette gelangt. also von Wasser oder Pflanzen aufgenommen werden kann

Das Harz-Beispiel wird von Fachleuten gern herangezogen, um die begrenzte Aussagekraft von Grenzwerten zu unterstreichen. Dr. Rainer Sperfeld reagiert allergisch auf die Forderung nach immer neuen und schärferen Grenzwerten. Er beklagt zudem, daß die Flut der neuen Umweltbestimmungcn eine wirksame Kontrolle nur unnötig erschwere.

Umweltbewußtsein, meint der Diplom-Chemiker, sei bei den Untemehmen ohnehin stärker ausgeprägt als bei den Verbrauchern. Die Gewerblichen seien immerhin bereit, für eine bessere Abwasseraufbereitung zu investieren. nach der Devise: ,, Wenn' s sein muß, dann machen wir' s halt ".

Diese Erfahrung hat auch Dr. Sigurd Ohlgart vom Labor Prüftechnik gemacht: Gerade im Hinblick auf das 1989 wirksam werdende Abwasserabgabengesetz wollten viele Betriebe jetzt wissen, welche schädlichen Substanzen sie überhaupt einleiten, um gegebenenfalls noch rechtzeitig die Produktion umzustellen Die Umweltanalytiker sagen es ihnen gern. Sie profitieren von schärferen Bestimmungen.

Momentaufnahme

Umwelt Verträglichkeitsprüfungen, Baugrunduntersuchungen und Altlastsanierungen versprechen sichere Aufträge für Jahrzehnte oder länger. Die Branche expandiert: .. Wir werden uns auch noch Fachleute anderer Richtungen hinzuziehen, zum Beispiel Geologen", sagt Sigurd Ohlgart von der Firma Prüftechnik.Umweltschutz schafft also Arbeitsplätze.

Da fällt kaum noch auf, daß auch die eigentlichen Initiatoren dieses Booms manche Probe zu analysieren haben: Umweltschützer nehmen die Leistungen der Laborbetriebe allerdings selten in Anspruch, weil ihren Verbänden dafür das Geld fehlt. Auch die Meßkoffer mit den Teststreifen können nur Annäherungswerte liefern.

Die Jugendgruppe im Naturschutzverband bestimmt die Gewässergüte kostengünstig anhand biologischer Faktoren: Mit dem Küchensieb werden nach einem bestimmten Plan Schnecken, Strudelwürmer und Insektenlarven erfaßt. Ihr Vorkommen läßt Schlüsse auf die Verschmutzungen zu, und zwar über die Momentaufnahme hinaus. Erst wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, wird eine Probe ins Labor gegeben

Bilduntertitel
BIOLOGISCHE WASSERUNTERSUCHUNG am Landwehrgraben: Mitglieder der Naturschutzjugend ziehen eine Probe.

Vor dem Essen wird gemessen! Zeichnung: Kerstin Tieste

AUF SENSIBLE MESSTECHNIK setzt auch Dr. Rosemarie van Hülst, die zusammen mit einer Partnerin die Gesellschaft für Umweltanalytik (GUA) gegründet hat.

,, VON REAGENZGLÄSERN komrrt man immer weiter weg", sagt der Diplom-Chemiker Dr. Rainer Sperleld, dessen Labor mit moderner Technik ausgestattel ist.
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert, Till


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